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Gastronomie in Bonn„Wir besetzen augenblicklich nur noch jeden zweiten Tisch“

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Leere Tische und stornierte Buchungen machen der Gastronomie teilweise zu schaffen. Auch an Kurzarbeit wird bereits gedacht.

Redüttchen – Angesichts der Dynamik, mit der die Corona-Krise den Alltag verändert, zeigt sich die Gastronomie verunsichert. Kein Wunder, zählt sie doch zu den labilen Branchen, die die Folgen unmittelbar spüren. Soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren und größere Gesellschaften zu meiden sind Ratschläge, die uns gegenwärtig erreichen und an unsere Vernunft appellieren. Ein entsprechend verändertes Freizeitverhalten führt zu einem drastischen Rückgang der Umsätze, leeren Tischen und unterbeschäftigten Mitarbeitern. Was sagen die Verantwortlichen mehrerer Restaurants dazu?

„Was geschieht, wenn auch bei uns alle Restaurants, Kneipen und Cafés schließen müssen wie etwa in Italien oder Belgien?“, fragt sich Lydia Lohmeier. Die Geschäftsführerin der DACAPO-Service GmbH, die gleich für drei gastronomische Betriebe verantwortlich ist, formuliert eine der Hauptsorgen der Branche. Neben der Waldau auf dem Bonner Venusberg betreibt ihre Gesellschaft auch die Godesburg und den Schützenhof im Tannenbusch. Auf dem Venusberg läuft der Betrieb noch relativ normal. „Als Ausflugslokal sind wir noch nicht extrem betroffen“, sagt Lohmeier. Allerdings wisse man nicht, wie es mit den Reservierungen für die kommenden Wochen und Monate aussehe. Ab dem Frühjahr haben viele größere Gesellschaften die Räumlichkeiten der Waldau gebucht. Es drohen empfindliche Einbußen. Gestrichene Reservierungen stehen jedenfalls schon in den Büchern des Schützenhofs und der Godesburg. „In den vergangenen Tagen hagelte es für beide Restaurants Absagen“, berichtet die Gastronomin. Sowohl im Schützenhof als auch auf der Godesburg verfügt man über ausgezeichnete Voraussetzungen für Feierlichkeiten. Beide zählen zu den gefragten Adressen für größere Gesellschaften. Das macht beide Betriebe sehr verwundbar. Die Mehrzahl der Stornierungen betrifft geschäftliche Veranstaltungen. „Hochzeiten, Geburtstage und andere private Feiern sind bislang kaum abgesagt worden“, sagt Lohmeier. Sollte es aber soweit kommen, wird sich die Situation zuspitzen. Wie man in einer solchen Lage reagieren würde, darüber könne man aktuell nur spekulieren, meint die Chefin. Überlegungen, einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kürzer arbeiten zu lassen, sind aber realistisch. Was Lydia Lohmeier am stärksten beunruhigt, ist die augenblickliche Ungewissheit: „Wir können nicht abschätzen, wie sich die Lage weiterentwickelt. Das ist eigentlich das Schlimmste.“

Im Heimerzheimer Restaurant des Hotel Weidenbrück zeigt man sich gewappnet. Juniorchefin Elisabeth Weidenbrück hat schnell und umsichtig reagiert. Auf der Homepage (hotel-weidenbrueck.de) kündigt Familie Weidenbrück schon seit einer Woche mehrere Maßnahmen an, um die Gäste bestmöglich vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. So werden zum Beispiel alle Holztische desinfiziert und die Tischwäsche gewechselt, sobald ein Gast oder eine Gesellschaft das Restaurant verlassen hat. Die Mitarbeiter tragen Baumwollhandschuhe. Auf diese Weise bleiben Bestecke und Servietten nach der Reinigung unberührt. „Damit sich die Gäste noch sicherer fühlen, besetzen wir augenblicklich nur noch jeden zweiten Tisch“, erklärt Elisabeth Weidenbrück. „Dadurch halten die Besucher ausreichend Abstand zueinander.“ Vorsicht stehe zwar an erster Stelle, aber Panik sei der falsche Ratgeber, betont Weidenbrück.

„Aktuell sehe ich hier nur meine Mitarbeiter“, kommentiert Marc Wadehn das Ausbleiben der Gäste. Der Chef des Restaurants „Culinarisch.es“ im Römerhof am Breniger Golfplatz will abwarten und schauen, wie sich die Situation weiterentwickelt. Schließlich befinden wir uns noch in der Fastenzeit, eine traditionell eher ruhigere Periode, vor allem für Restaurants, in denen auch die golfende Klientel verkehrt. Entlassungen sind bislang nicht geplant. Schließlich ist das Buch mit Reservierungen für das Frühjahr und den Sommer prall gefüllt. Wadehn hofft, dass auch die größeren Gesellschaften wie geplant stattfinden werden und Stornierungen weitgehend ausbleiben.

In den Widdiger Rheinterrassen gibt sich Familie Kaebe auch noch gelassen. Einige Tische seien zwar in den letzten Tagen abgesagt worden, aber es bestehe kein Grund, sich größere Sorgen zu machen. Gastgeber Herbert Kaebe setzt auch auf die Politik und hofft, dass die Verantwortlichen klare Entscheidungen treffen, um gastronomische Betriebe zu unterstützen, die ins Schlingern geraten. „Sollte die Krise anhalten, wollen wir unsere Mitarbeiter trotzdem möglichst lange weiterbeschäftigen“, meint er. Schließlich beginne in einigen Wochen das Terrassengeschäft und da brauche man nach heutiger Einschätzung alle verfügbaren Kräfte.

Im Bad Godesberger hat man bislang nur wenige Absagen hinnehmen müssen. „Unser Betrieb läuft bislang wie üblich. Konkrete Auswirkungen durch das Coronavirus haben wir noch nicht verzeichnet“, sagt Restaurantleiter Klaus W. Sasse. Während der Fastenzeit laufe das Geschäft erfahrungsgemäß verhalten, dafür sei man in den letzten Tagen eigentlich ziemlich gut besucht gewesen, sagt der Gastgeber. Man denke allerdings schon darüber nach, wie man reagieren könnte, falls die Situation sich dramatisch verschlechtert. Solange gilt: den Abstand zueinander einhalten und auf den obligatorischen Handschlag zu verzichten.

Bis Donnerstag glaubte Christopher Nolden noch, dass die Gastronomie mit einem blauen Auge davonkommt. Doch einen Tag später änderte sich seine Stimmung grundlegend. „Hier herrschte am Freitag tote Hose“, erklärt er. Sowohl sein Restaurant „die Küche“ als auch sein gegenüberliegendes Eiswerk in Rheinbach wurden von den Gästen weitgehend ignoriert. Spätestens am Freitagabend war der Koch und Eisexperte ziemlich aufgewühlt.

Das Ausmaß, mit dem die Coranakrise sich ausbreitet, und die möglichen Folgen für seine Betriebe, haben seine Stimmung umschlagen lassen. „Ich habe sowohl mit meinem Steuerberater als auch mit dem Finanzamt und dem Arbeitsamt telefoniert und um Rat gebeten“, sagt Nolden. Die Sorgen um die wirtschaftlichen Konsequenzen nehmen zu und die Suche nach Lösungen hat begonnen. „Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht. Möglicherweise steht bei uns schon in den kommenden Tagen Kurzarbeit an“, zeigt sich Nolden verunsichert. Gleichzeitig hofft er aber, dass „den Menschen nach einer gewissen Zeit der Zurückhaltung die Decke auf den Kopf fällt und alle zurückkehren“ – kerngesund natürlich und mit einer gehörigen Portion Appetit auf gutes Essen und viel Lust auf ein leckeres Eis.