Weil Lynyrd Skynyrd beim Bonner KunstRasen acht Minuten länger spielten als erlaubt und dabei das Dezibel-Limit minimal überschritten, muss der Veranstalter ein hohes Zwangsgeld zahlen. Oberbürgermeisterin Dörner bedauert die Entscheidung, sieht aber keine Alternative.
Lynyrd Skynyrd-KonzertStadt bestraft KunstRasen mit 20.000 Euro für acht Minuten

Lynyrd Skynyrd haben beim Auftritt auf dem KunstRasen in Bonn am 5. Juli um acht Minuten überzogen. Das wird für die Veranstalter teuer.
Copyright: Ingo Firley
Acht Minuten können teuer werden: Weil die Band Lynyrd Skynyrd am 5. Juli acht Minuten länger auf dem Bonner „KunstRasen“ spielte als erlaubt und damit das genehmigte Dezibel-Limit um ein Dezibel überschritt, hat die Stadt das im Genehmigungsschreiben angekündigte Zwangsgeld von 20.000 Euro festgesetzt. KunstRasen Betreiber Martin J. Nötzel erklärt: „Die Band hat 88 statt der vereinbarten 80 Minuten gespielt. Da gab es großen Alarm. Was sollte man da machen? Einfach den Stecker ziehen?“ Er weist auf den Spielraum hin, den sowohl die Kommune als auch die TA Lärm Verordnung vorsehen. Messungenauigkeiten und Abzüge von bis zu 3 dB(A) sind grundsätzlich möglich, werden aber von der Stadt nicht zugestanden.
Veranstalter wehrt sich gegen Vorwürfe
Den Vorwurf, er habe nichts unternommen, um den Lärm zu reduzieren, lässt Nötzel nicht gelten: „Wir haben 57 E-Mails mit Technikern und Verantwortlichen hin und her geschickt und standen ständig mit dem veranstaltenden Ernst Ludwig Hartz und dem Tourneemanagement in Kontakt.“ Er ist enttäuscht, weil die Stadt ignoriere, „dass wir uns in einer stetigen Entwicklung befinden, die uns auferlegten Auflagen einhalten und dass ein Konzertabend ein dynamischer Prozess ist. Schallwerte von 1 dB(A) Unterschied sind für den Menschen gar nicht verlässlich wahrnehmbar“.
Oberbürgermeisterin äußert Bedauern
Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) bedauerte am Donnerstag selbst die Entscheidung: „Ich bedaure es sehr, dass die Verwaltung gezwungen ist, so restriktiv zu handeln und Zwangsgelder festzusetzen. Zumal ich der Meinung bin, dass Kulturveranstaltungen auch einmal laut sein dürfen. Im komplexen Sachverhalt des Rheinauenparks appelliere ich an die Veranstalter, im Sinne der vielen Musikfreundinnen und -freunde, die Vorgaben einzuhalten und so Veranstaltungen in der Rheinaue weiter zu ermöglichen“, teilte das städtische Presseamt mit.
Zum Sachverhalt teilte die Stadt mit, dass im Rahmen einer dauerhaften Schallpegelmessung bei den Veranstaltungen an verschiedenen Messpunkten ein Schallgutachten erstellt werde. Dabei informiere der Schalltechniker die Veranstalter auch bereits während der Konzerte über etwaige Überschreitungen, damit sie umgehend reagieren können. Würden dann die Lärmwerte wissentlich überschritten, müsse die Stadt das angedrohte Zwangsgeld festsetzen, um künftige Überschreitungen zu verhindern. Dies diene dazu, um die Rheinaue als Veranstaltungsort zu erhalten, so die Stellungnahme der Stadt.
Lärmthema beherrscht die Veranstaltungsagenda
Lärm ist auf dem Gelände in der Gronau seit den ersten großen Open Air Konzerten ein Dauerthema. „Wir sind nicht angetreten, um besonders leise zu sein, sondern um in dieser Stadt Konzerte zu organisieren, die eine hohe Qualität haben. Wir erwarten, dass die Stadtgesellschaft und die Stadtverwaltung uns dabei unterstützen – natürlich unter Berücksichtigung, dass die Anwohner ebenfalls unsere Mitbürger sind und klare Rechte haben“, betont Nötzel.
Dass es für das umfassende Programm von Hartz und Nötzel – 22 Konzerte auf eigenes Risiko mit 100.000 verkauften Tickets in 2025 – keine städtische Förderung gibt, ist bemerkenswert. „Wir bekommen kein Geld von der Stadt oder vom Land, sondern zahlen an die Stadt, um das zu machen, was wir machen.“ Vor diesem Hintergrund sei ein Zwangsgeld von 20.000 Euro ohne vorheriges klärendes Gespräch kaum nachvollziehbar.
In diesem Jahr haben Nötzel und Co. nach eigenen Angaben erneut am Sound gearbeitet: Die Lärmschutzwand zum Rhein hin wurde um 35 Meter verlängert und einen Meter erhöht, „um den Impact der Zuschauer zu reduzieren, also den Lärm, der entsteht, wenn sie klatschen oder mitsingen“. Außerdem suchten sie nach weiteren Möglichkeiten zur Lärmreduktion. Nötzel und sein Techniker griffen auf Untersuchungen der Fraunhofer Gesellschaft aus den 1990er Jahren zurück, die mit lärmdämmenden Materialien experimentierte und sehr gute Ergebnisse mit Magnetfolien erzielte, insbesondere im Bassbereich.
Kostenintensive Soundoptimierung
An der Fachhochschule Köln ließ Nötzel die Kombination aus Metall- Lärmschutzwänden und Magnetfolie testen; sie reduzierte die Lärmbelastung um ein Dezibel. 1200 Magnetplatten wurden bestellt und an der Schallschutzwand sowie an den Innenseiten der diesmal komplett eingehausten Bühne angebracht.
Auch das PA System der Bonner Firma TPD unter dem Bühnendach und die Delays auf dem KunstRasen wurden überarbeitet. Der Techniker erklärt: „Was wir nicht im Griff haben, aber berücksichtigen müssen, sind Wetter, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung und die Schichtung der Temperaturen.“ Die Soundoptimierung hat ihren Preis: Allein die Schallschutzmaßnahmen für die Bühne kosteten 30.000 Euro, und die Kunst!Rasen GmbH investiert jedes Jahr rund 150.000 Euro in optimalen Lärmschutz.
Lärmschutzverordnung regelt Dezibelgrenzen
Die Lärmschutzverordnung unterscheidet zwischen „normalen Ereignissen“, die je nach Bebauungsplan beim Anwohner während der Ruhezeit mit 45 bis 50 dB(A) ankommen dürfen und auf dem Konzertgelände 92 bis 94 Dezibel erreichen können, sowie „seltenen Ereignissen“, die bis zu 98 Dezibel auf dem Kunst!Rasen erlauben, wobei beim Anwohner wiederum nur 55 bis 60 dB(A) ankommen dürfen.
Die Stadt gewährt dem KunstRasen zehn solcher „seltenen Ereignisse“ – sie könnte zwölf erlauben. Die Veranstalter müssen diese zehn Veranstaltungen vorab benennen; fällt eine aus – wie bei dem Konzert von Massive Attack wegen Krankheit –, darf kein Ersatzkonzert „nachnominiert“ werden. In diesem Jahr galten unter anderem die Konzerte von Jan Delay, BAP, Queens of the Stone Age, Smashing Pumpkins, Billy Idol und Querbeat als „seltene Ereignisse“.