Mit nur 17 Jahren gründete Salomon Oppenheim jr. 1789 in Bonn sein erstes Bankhaus – der Startschuss für eine der bedeutendsten Karrieren der deutschen Finanzgeschichte.
Rheinische PioniereWie Salomon Oppenheim jr. das Bankwesen revolutionierte

Salomon Oppenheim
Copyright: Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln
Sie waren die ersten Start-up-Gründer und Influencer: Menschen, die im Rheinland wirkten und deren Ideen bis heute faszinieren. Unsere Serie stellt die „Rheinischen Pioniere“ und ihre Erfolgsgeheimnisse vor.
Was macht Salomon Oppenheim jr. zu einem Pionier?
Mehr Pioniergeist ist kaum vorstellbar: 17 Jahre alt war der gebürtige Bonner Salomon Oppenheim gerade einmal, als er 1789 in seiner Heimatstadt ein Kommissions- und Wechselhaus gründete. Sein Geschäft konzentrierte sich auf Warenhandel, Tausch und Kreditvergabe. Nachdem die französischen Truppen neun Jahre später in Köln die Religionsfreiheit einführten, zog Salomon Oppenheim in die Domstadt. Dort stieg Oppenheim zum zweitgrößten Bankier der Stadt auf und wurde 1822 das erste jüdische Mitglied der Kölner Handelskammer. Im gleichen Jahr wurde ihm in Anerkennung seiner Leistungen vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. der Titel „Königlich Preußischer Oberhofagent“ verliehen. Oppenheim nutzte seine Popularität, um auch die jüdische Gemeinde in Köln neu zu gründen, nachdem die Stadt 424 Jahre lang die Ansiedlung von Juden untersagt hatte.
Salomon Oppenheim jr. gehört somit nicht nur zu den wichtigsten Gründerfiguren der deutschen Bankgeschichte, sondern auch der jüdischen Geschichte im Rheinland. Er modernisierte das Bankwesen nachhaltig – von der absolutistischen Hoffinanz wandelte es sich in seiner Zeit hin zur modernen Unternehmensfinanzierung. Der Name Oppenheim wird trotz der Übernahme der Privatbank Sal. Oppenheim durch die Deutsche Bank AG stets mit großem Erfolg und einem der wichtigsten Unternehmer des Rheinlands verbunden bleiben.
Was ist über seine Herkunft bekannt?
Sein Großvater hatte den Schritt ins Rheinland vollzogen: 1740 ließ sich der Frankfurter Händler Salomon Hertz Oppenheim (1694-1757) in der kurfürstlichen Residenzstadt Bonn nieder. Dessen Sohn Hertz Salomon Oppenheim heiratete in Bonn Helene Seligmann, diese brachte am 19. Juni 1772 den Sohn Salomon junior zur Welt.
Über die Schulbildung Salomons ist nichts bekannt – genauso wenig, darüber, warum Salomon in sehr jungen Jahren schon auf eigene Rechnung Geschäfte machte. Wahrscheinlich bemerkte er frühzeitig, dass Juden im damaligen Kurköln noch nicht als gleichberechtigte Bürger anerkannt waren – weder eine höhere Beamtenlaufbahn noch eine Karriere beim Militär waren möglich. Das veraltete Zunftwesen schränkte die Berufswahl des jungen Mannes weiter ein.
Was war die Grundlage für seinen Erfolg?
Kurz nachdem sich Salomon Oppenheim selbstständig gemacht hatte, stieg das Familienmitglied Samuel Wolff als stiller Teilhaber in sein Geschäft ein: Er investierte 90.000 Taler in das Unternehmen, was seinerzeit eine riesige Summe darstellte. Für einen Taler erhielt man Ende des 18. Jahrhunderts 25 Pfund Brot oder 12 Pfund Rindfleisch oder zwei Flaschen Champagner.
Durch seine Heirat mit Deigen Levi, Tochter einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus Dülmen, konnte Oppenheim seine finanzielle Basis weiter ausbauen. Mit gerade einmal 20 Jahren heiratete er die 17-Jährige (1775–1842), die sich später Therese Stein nannte. Das Ehepaar bekam zwölf Kinder. Salomon stellte sich von Anfang an geschäftlich breit auf, handelte bald mit Waren wie Wein, Öl oder Baumwolle.
Als die Franzosen ihre Macht auf das Rheinland 1794 ausdehnten, trieben sie den Kurfürsten Max Franz in die Flucht – Oppenheim verlor dadurch seinen besten Kunden. Trotzdem durfte er sich als Gewinner fühlen: Die französischen Truppen übertrugen dem Rheinland die modernste Wirtschafts- und Rechtsordnung Europas und garantierten der jüdischen Minderheit die Gleichstellung. Niemand unterlag mehr der Ständeordnung und dem Zunftzwang; so erhielt Salomon ungeahnte Entfaltungsräume. Bald entschloss er sich, sein Geschäft nach Köln zu verlegen. Die Stadt hob 1798 ihr seit 1424 geltendes Ansiedlungsverbot für Juden auf und bot zudem bessere Absatzmärkte.
Wie gelang der Durchbruch?
Im französischen Köln betrieb Oppenheim, wie damals üblich, Geld- und Warengeschäfte nebeneinander. Viele seiner Güter lieferte er auf Rechnung, oft genug organisierte er sogar die Spedition. Bald wurde ihm jedoch klar, dass mit Geld- und Bankgeschäften weitaus höhere Renditen zu erzielen waren. So zeigt ein Wechselschein aus dem Jahr 1793 seine erste Banktätigkeit: Oppenheim lieh den Bonner Eheleuten Schön eine Summe von 300 Talern. Öffentliche Banken oder Sparkassen waren damals noch kaum vorstellbar.
Oppenheim etablierte sich schnell in der Stadtgesellschaft: Er mietete für sein Unternehmen zunächst das Haus eines Essigfabrikanten, später bezog er einen klassizistischen Prachtbau an der Großen Budengasse. Bald zahlte er die höchste „Judensteuer“ in der Stadt – was jedoch eine große Beachtung mit sich zog. Nun durfte er im Auftrag der Franzosen die „Judensteuer“ bei seinen Religionsgenossen eintreiben.
1808 erhielt er die erste offizielle Anerkennung und wurde von der Verwaltung als „Banquier et Négociant Notable“ eingestuft. Dies belegt auch, wie wichtig und seriös das Geldgeschäft geworden war. Ab 1810 galt er nach Abraham Schaaffhausen als der bedeutendste Bankier in Köln.
Gab es Widerstände?
Allenfalls in der Haltung seiner Mitbürger, wie Gabriele Teichmann, ehemals Direktorin Kölner Hausarchivs Sal. Oppenheim, erläutert: „Als ursprünglich jüdische, assimilierte Familie wurden die Oppenheims nie wirklich in der Mitte der Gesellschaft willkommen geheißen.“
Ansonsten schwamm Oppenheim auch nach der Machtübernahme der Preußen 1815 weiter auf einer Erfolgswelle. Sie übertrugen dem mittlerweile 43-jährigen Bankier die Organisation der französischen Kriegsentschädigung an Preußen, in Zusammenarbeit mit dem Berliner Bankhaus Mendelssohn. 1816 gründete Oppenheim zudem das Unternehmen „Sal. Oppenheim jr. & Cie.“. Äußeres Zeichen seines Erfolgs war das „Stadtpalais Große Budengasse 8“.
Salomon Oppenheim durfte sich ab 1822 Königlich Preußischer Oberhofagent nennen und wurde als erster Jude überhaupt in die Kölner Handelskammer gewählt. Er suchte jedoch nicht nur die Nähe der Staatsoberen – in der Zeit der Frühindustrialisierung stellte er sein Kapital mit Geschick für innovative Unternehmen bereit. So sorgte er ab 1818 für versicherte Warentransporte als Teilhaber der Rheinschifffahrts-Assekuranz. Später ging daraus die Agrippina-Versicherung in der Zürich-Gruppe hervor.
Was gab ihm Kraft?
Welche Charaktereigenschaft stach hervor? Der auch körperlich gewichtige Bankier war ein Mann mit Feingefühl für Marktentwicklungen. Beispielsweise hielt Oppenheim ein Viertel der Anteile der Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrt-Gesellschaft (PRDG), die im Herbst 1825 in Köln ins Leben gerufen wurde. Die Vorläuferin der heutigen „Köln-Düsseldorfer“ revolutionierte den Waren- und Personenverkehr auf dem Rhein: Am 1. Mai 1827 schaffte der Schnelldampfer „Concordia“ die Strecke zwischen Mainz und Köln in nur zehn Stunden.
Mit seinem fortschrittlichen Denken legte er nicht nur den Grundstein für den Erfolg seines Familienunternehmens. Dr. Ulrike Hospes, Landesbeauftragte und Leiterin des Politischen Bildungsforums NRW, betont: „Salomon Oppenheim steht für einen konsequenten Einsatz zugunsten der Entwicklung seiner Heimat. Als engagierter Bürger hat er nicht gezögert, persönliche Verantwortung für die Stadt Köln und für ihre Zivilgesellschaft zu übernehmen. Genau dies verbindet ihn in besonderen Maße mit den folgenden Generationen seiner Familie.“
Was ist aus seinen Ideen geworden?
Äußerst fortschrittlich erteilte Oppenheim 1821 seiner Frau Vollmacht für die Bankgeschäfte. Am Ende wurde die harte Arbeit womöglich zum Verhängnis des „Workaholic“ Salomon Oppenheim: Am 8. November 1828 starb er plötzlich mit nur 56 Jahren auf einer Dienstreise in Mainz. Sein Vermögen belief sich damals auf 220.758,28 Taler. Auf dem Melatenfriedhof wurde der Bankier beigesetzt – hier befindet sich heute auch das Familiengrab.
Oppenheim wird heute zu den bedeutenden Gründerfiguren der deutschen Bankgeschichte gezählt. Er vollzog als einer der ersten deutschen Bankiers den Übergang zum modernen Bankenwesen, fernab von absolutistischen Strukturen. Dazu kommt sein freier und liberaler Geist, welchen er auf seine Nachkommen übertrug. Seine Witwe und die beiden Söhne Simon und Abraham setzten das Geschäft erfolgreich fort. Sie investierten in Versicherungen, Eisenbahnen und die Schwerindustrie – sie repräsentierten somit die ersten deutschen Industriefinanzierer. Die Familie engagierte sich auch im politischen und kulturellen Leben: In den 1840er Jahren setzten sich die Oppenheims öffentlich für die Gleichberechtigung der Juden in Preußen ein. 1856 stiftete Sohn Abraham eine neue Synagoge für die wachsende jüdische Gemeinde Kölns. Auch der Bau des Doms sowie von Zoo und Flora wurden mitfinanziert.
Was bleibt von ihm?
Mit dem Tod Salomon Oppenheims begründete sich die Tradition, dass die Nachfahren die Bank weiterführen. Der Erfolg blieb bis zur NS-Zeit, welche die Bank nur dank ihres Teilhabers und damaligen Geschäftsführers Robert Pferdmenges überstand. In der jungen Bundesrepublik kehrte das Wachstum zurück. Die erfolgreiche Familienära fand 2010 ein plötzliches Ende, als Sal. Oppenheim von der Deutschen Bank vor der Insolvenz gerettet werden musste.
„Mit der Übernahme durch die deutsche Bank ging eine erfolgreiche Banktradition zu Ende, die zwei Jahrhunderte den Wirtschaftsstandort Köln im hohen Maße gefördert hat“, urteilt der Wirtschaftshistoriker Dr. Ulrich Soénius, Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln.“
Mit einer Bilanzsumme von 41,4 Milliarden Euro und über 350 Milliarden Euro an verwaltetem Kapital war es bis zum Verkauf das größte unabhängige Bankhaus in Europa.

