Die Flut 2021 riss im Herzen von Europa mehr als 220 Menschen aus ihrem Leben und zerstörte für Tausende Heim und Besitz. Im Europäischen Parlament sorgen Klaus Jansen und das Team Gedenken aus Swisttal nun für neue Aufmerksamkeit.
Ausstellung im EU-ParlamentAus gar nicht heit'rem Himmel

Plakatmotiv für die Flutausstellung in Brüssel
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Mit Fotografien, Kunst und Relikten aus und zur Flut im Sommer 2021 wird das europäische Parlament in der kommenden Woche konfrontiert. „Eine Katastrophe im Herzen von Europa“ heißt die Ausstellung, die sich zuvorderst Klaus Jansen aus Odendorf mit dem dortigen „Team Gedenken“ ausgedacht hat. Künstler auch von der Ahr unterstützen ihn in Brüssel, wo die Exponate vom 14. bis 17. Oktober vor allem dazu beitragen sollen, die Ereignisse nicht zu vergessen und sich für die Zukunft zu wappnen. Denn was an Ahr, Erft, Swist, Ruhr und Wupper oder an Vesdre und Amel in Belgien in jenem Sommer aus gar nicht mal heit'rem Himmel geschah, hat längst Parallelen in anderen europäischen Ländern. Auch in Spanien, Italien und andernorts rissen gewaltige Fluten nach nie gekannten Platzregen Tausende Häuser ein und füllten Wohnungen mit Schlamm, Fäkalien oder Heizöl. In Rheinland-Pfalz starben damals 135 Menschen, in Nordrhein-Westfalen 49 und in Ostbelgien 39. Die Aussteller summieren sogar 226 Tote.
Die Katastrophe hat tiefe Spuren hinterlassen. In den betroffenen Ortschaften ebenso wie in der Landschaft und in den Herzen der Menschen. Die Ausstellung in Brüssel nennt auch eine monitäre Zahl: 33 Milliarden Euro sei der Gesamtschaden, den die Natur in jenem Sommer verursachte, und der Klimawandel verheißt für die Zukunft nichts Gutes. Die sogenannten Hundertjährigen Ereignisse, wie sie an der Ahr tatsächlich für 1804 und 1910 und nun 2021 bekannt sind, drohen, in schnellerer Abfolge wiederzukehren.
„Was im Juli 2021 geschah war anders. Die Wassermassen stießen – anders als in früheren Zeiten – auf die Errungenschaften der neuen Zeit: Massive Eisenbahnbrücken, Straßenbrücken, Bahndämme, aufgefüllte und bebaute Auenlandschaften und diese behinderten den Abfluss des Wassers, führten zu Verklausungen und massivem Wasserrückstau an den Brücken und wegen der Auffüllungen und Bebauung der Auen zu höheren Wasserständen und Abflusslinien. Dann brachen die Brücke und Dämme. Flutwellen schossen durch die Täler. Das war etwas Anderes als Hochwasser“, ist auf der Internet-Begleitseite zur Ausstellung zu lesen: „Mittlerweile sind vier Jahre vergangen und das Ausmaß der Zerstörung noch vielerorts zu sehen, trotz aller Fortschritte, die gemacht wurden. Der Wiederaufbau läuft, mancherorts hat man offensichtlich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und lässt der Natur wieder mehr Raum, mancherorts scheint man die alten Fehler zu wiederholen, ohne den Flüssen den nötigen Raum zurückzugeben.“
Diese Erfahrung ist für Klaus Jansen und seine Mitstreiter die Triebfeder, nicht locker zu lassen. Noch bevor die Gemeinde Swisttal ihre Gedenkstätte in einem Künstlerwettbewerb zu Ende ausgeschrieben hatte, schufen Jansen und Co. an der alten Pfarrkirche in Odendorf einen eigenen Ort des Gedenkens. In seinem Groll auf das Land und dessen entlegene, anonymisierte Gedenkstätte bei Blankenheim widmete sich der Odendorfer dem Gedenken im Privaten. Er will jedem Toten der Fluten im Einverständnis mit den Angehörigen einen Namen geben, jedes Opfer sichtbar machen und die Betroffenheit in Aufmerksamkeit und Vorsorge ummünzen. Jansen: „Hinter jeder Zahl steht ein Mensch. Ein Leben. Eine Lücke, die nicht geschlossen werden kann.“

Ein Jahr nach der Flut, im Juli 2022, installieren an der alten Pfarrkirche in Odendorf (v.l.) Mario Krech, Daniel Reuland und Klaus Jansen eine Gedenktafel.
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So hat sich Jansen mit den belgischen Filmemachern von „Après la pluie“, Quentin Noirfalisse und Jérémy Parotte aus Verviers, verbündet. An der Ahr tat er sich mit dem Künstler Jochen E. Diedenhofen zusammen, der mit dem Verein DenkAhr versucht, im gleichen Sinne in Bad Neuenahr-Ahrweiler ein Denkmal von Bürgern für Bürger zu schaffen, das die Namen der Verstorbenen wachhält und mit seiner Höhe die Dimensionen der Flut vor Augen führen will. Auch der mit dem arg betroffenen Ort Dernau eng verbundene und in Walporzheim schaffende Künstler Matthias Bertram ist in Brüssel mit von der Partie. Er ist zu einem der unüberhörbaren Mahner an der Ahr geworden, wenn im Wiederaufbau kein Platz für das Wasser bleibt.
In Brüssel hat die Ausstellung ebenfalls einen gewichtigen Unterstützer aus der Politik. Der ostbelgische Abgeordnete Pascal Arimont, auf Resilienz, Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz spezialisiert, ist Schirmherr der Ausstellung. Das Motto: Erinnern, Verstehen, Vorsorgen.
Solidarität, Engagement und zivilgesellschaftlicher Zusammenhalt
Das Sinnbild der Ausstellung, ein Ring aus Händen in Handschuhen voller Flutmatsch, steht für die Hilfe, die es weitgehend unerwartet nach der Flut für die Betroffenen gab und teils noch gibt. Einzelpersonen, Nichtregierungsorganisationen und Vereine bewiesen eine Solidarität, ein Engagement und einen zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt, den die Ausstellung im Sinne von Resilienz weiter beschwört. Der Wunsch von Klaus Jansen: „Wer gedenkt, der schweigt nicht. Er fragt. Er erinnert. Und er handelt.“
Eine Katastrophe im Herzen von Europa - Ausstellung im Europäischen Parlament, dem Altiero Spinelli Gebäude, und zwar im Bar-Bereich des dritten Stocks. Eröffnung am Dienstag, 14. Oktober, 12.30 Uhr.
Zur Ausstellung im Europäischen Parlament gehören auch Installationen und eine Leseecke mit Büchern zur Flut 2021. Es sprechen unter anderem die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, die Flutbetroffene Maria Mies, der HelferNick Falkner und der Vater von Flutopfer Johanna Orth, Ralph Orth. Die Alanus Hochschule in Alfter ist mit KreARTiv beteiligt. Mächtige Wirkung sollen 223 und ein Kreuz entfalten, die für die Toten stehen und alle, die nach der Flut die Hoffnung verloren. Auch der Künstler Dennis Josef Meseg, arbeitete die Flut aus dem Jahr 2021 künstlerisch auf.