Drei Züge, eine GemeindeSwisttal badete in Sonne und Kamelle

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Wikinger behaupteten sich im Rosenmontagszug von Heimerzheim ganz oben auf der Gute-Laune-Welle.

Wikinger behaupteten sich im Rosenmontagszug von Heimerzheim ganz oben auf der Gute-Laune-Welle.

In der Gemeinde Swisttal folgt auf die Flut von 2021 erstmals eine Flut von Kamelle: in Odendorf, Heimerzheim und Ollheim. Fabelwesen und andere bunten Kreaturen schwammen oben auf der Launewelle

Heimerzheimer sind auf Zack

Heimerzheim ist in der Flut 2021 nicht für immer abgesoffen. Das bewies der Rosenmontagszug mit viel Humor. „Ob Huhwasser odde schräje Tön – an de Köch do es et imme schön“, behaupten gallische Krieger aus Asterix und Obelix, die mit ihrem Kessel an den Mittagstisch im Pfarrzentrum erinnerten. Die Familie Müller aus dem Bereich Quellenstraße hat sich sogar so sehr an Dixi-Klos in ihrer Straße gewöhnt, die laut Isabelle Müller immer noch stehen, dass sie sich für den Zug ein paar lustige Nachbauten angefertigt hat, bei denen die Beine unten herauskamen. Die Bartstoppeln, die sich die junge Frau ins Gesicht gemalt hatte, sollten auch ein wenig daran erinnern, wie viel Zeit in diesem Zustand ohne geregelte Entwässerung bereits vergangen ist.

Wie gut die Stimmung ist, war am Handwagen in farbenfroher Schrift nachzulesen: „Maue huh un anjepack – mir Heimezhemer sen op Zack!“ Umgeben von Wrackteilen, hätte das stabile Holzboot einer Wikingertruppe auch gut in die Flut gepasst. Diese nordischen Krieger brauchten jedoch wie die seit genau 30 Jahren aktiven Hunnen keine hohen Wellen, um im Karnevalszug ganz oben auf der guten Laune mitzuschwimmen.

Fantasievolle Kostüme machten Groß und Klein am Wegesrand Spaß, wo Kamelle und anderes Wurfmaterial schon nur so niederprasselten, als der Zug aus der Euskirchener Straße auf seinen regulären Weg abbog. Die Einhörner vom Judo-Club mit ihren Regenbogenfarben am Saum mussten wohl oft die Beutel nachfüllen. „Flauschig froh und frei“ kamen die „Glücksbärchis“ daher.

Das Damenkomitee „Goldene Herzen“ trug gestreifte Hemden zu karierten Hosen. „Gemüse“ vom Rewe lief im Zug mit, und ein Wagen mit der Aufschrift „Dra de los muertos“ thematisierte den mexikanischen Tag der Toten – genauso bunt wie wandelnde Sonnenblumen oder die Gruppe, die sich mit „Bunt jemischt un jät bekloppt ...“ ankündigte, weshalb nun „dat Dorp“ kopf stehen würde.

Ansonsten war viel Qualm im Zug, nicht nur in der Musik. Die „JGV Fire Fighters“ fuhren auf einem nachgebastelten riesigen US-Feuerwehrwagen in entsprechenden Uniformen mit und ließen immer mal wieder mächtig Rauch aufsteigen. Damit waren sie nicht die einzigen. Auch das Forst-Team – ausstaffiert mit klischeebehafteten karierten Flanellhemden – ließ es unter dem Motto „Ich und mein Holz“ ganz schön qualmen. Solche Wolken hätten auch aus der Lokomotive der Großen Heimerzheimer KG von 1955 mit der Aufschrift „TuRa Western Railway 1912“ kommen können.

Wer bisher verpasst hat, dass Heimerzheim nun einen echten Ponyhof hat, den erinnerten junge Reiter im Pony-Kostüm daran. Den Tieren ging es ganz prächtig, wie sie in närrischer Gangart auch zeigten. Aus Schottland, Kolumbien und einigen anderen Ländern der Welt waren die Minions im Zug – nicht alles gelbe Superspione, aber mindestens so lustig. Und vor allem waren sie die Gäste von Ex-Prinzenpaar Peter Luppus und Fadzlun Sapandi. Den besten Platz hatten wohl die beiden in der Rikscha des Seniorenbüros, die durch den Zug gefahren wurden.

Die Schützenbruderschaft hatte den Ehrenplatz vor einer ganzen Kette von Zugnummern der Ehrengarde von Anno 1974. Mit der Artilleriekanone an Traktor I vorneweg, deren Bewacher die Kamelle trotz der überragenden Waffe im Handbetrieb herausfeuerte, kam die Ehrengarde dahergerollt und gegangen: Den Funkenmädchen folgte Traktor II mit den kleinsten Funken im Schlepp. Traktor III hatte die Feldküche angehängt, Traktor IV schleppte hochdekorierte Karnevalisten, von denen einige eifrig am Wegesrand ausschenkten, was das Wageninnere so hergab.

Das Tambourcorps „Frei Weg“ setze in seinen schwarzen Anzügen mit neongrellen Hüten und Stulpen musikalisch hinterher. Als „Heiopeis“ outeten sich die „Jugendfreunde“ von Prinz Udo, die mit Langspielplatten aus den 80er Jahren demonstrierten, wie lange diese Freundschaft schon währt. Die Wagenbauer „Weryhof Wüschheim“ gehörten ebenfalls zu den Unterstützern der Tollitätenfamilie. Ihnen war aber wohl entgangen, dass die „Swistfreunde“, verkleidet als Musketiere, dem Prinzen mindestens einen Turm vor der Nase weggeschnappt hatten. Am prächtig, mit vielen Blumen bestückten Prunkwagen von Prinzenpaar Udo und Sonja Ellmer von der GroHeiKa, der Großen Heimerzheimer Karnevalsgesellschaft, schien die Beute aber nicht zu fehlen. Der größte Jubel brandete auf, als das überglückliche Herrscherpaar in Sichtweite kam. Am Gottfried-Velten-Platz war noch lange nicht Schluss. Gefeiert wurde noch lange.


Wegen der Flutschäden Zugweg in Odendorf gekürzt

Gut fünf Kilometer weniger als vor der Flut, aber mit mindestens genauso großer Begeisterung zogen altbekannten Karnevalsgruppen am Rosenmontag durch Odendorf. „Am Orbach, wo fast alles zerstört ist und auch die Brücken die Traktoren nicht tragen würden, gehen wir nicht lang“, erklärte Zugleiter Heiner Schumacher von der Karnevalsgesellschaft Odendorf 1925 e. V. Er plant den Zug schon seit fast 25 Jahren, einst als Präsident und kann sich noch gut daran erinnern, wie ein Zug mit 23 Gruppen von Essig loszog. „Aber das geht heute schon wegen der Bundesstraße nicht mehr.“

Das Tambourcorps Loreley kündigte den Tross aus einer weiteren Musiktruppe, sieben Fußgruppen und fünf Prunkwagen an, der sich vom Bahnhof her in den Ort begab, um vom Wegesrand aus kräftig gefeiert zu werden. Viele Kinder liefen mit und warfen vor allem für Gleichaltrige Kamelle, Fruchtgummi oder Browsepäckchen. Und es war nicht einmal die Villa Kunterbunt, die mit den meisten Kindern daherkam. Ganz zahlreich waren die „Lions Cheers“, die Tanzgarde vom TuS Odendorf unterwegs. Alles, was gerade laufen konnte, hatte flauschige Löwenohren auf dem Kopf und strahlte mit der Sonne um die Wette. Schließlich waren auch die Mini Lions mit von der Partie.

Auch die bekannten Fußgruppen hatten ihren Nachwuchs dabei. Etwa die Eulen, die erstmal mit der Bollerwagenbeschriftung „Kuckuck? Ne, Eulen!“ aufklärten, wen sie mit ihrem flauschig weißen „Federkleid“ und großen Kulleraugen unter dem Guckloch darstellten. „Viel zu warm“, diagnostizierte eine Frau aus dem Freundeskreis, der seit 28 Jahren in dieser Konstellation im Zug mitgeht: „Ich hatte extra noch einen Pullover druntergezogen. Jetzt ist die Sonne viel kräftiger als gedacht.“ Wer die Gruppe beim letzten Zug vor drei Jahren gesehen hatte, hatte sie noch als Elefanten in Erinnerung. Ja, so was kann aus Kuckuckseiern schlüpfen.

Die Familie Pingem/Außem (im letzten Zug vor Corona noch Engelchen und Teufelchen) hatte sogar einen großen Prunkwagen für sich und aus Jux einfach das Motto „Froschkönig“ gewählt. Wehende grüne Scherpen und eine froschig grüne Kopfbedeckung ließen das Motto gut erkennen. „O.k., der Wagen ist vielleicht falsch beschriftet“, räumte ein Gruppenmitglied ein. „König Frosch“ stand drauf, aber das tat der Stimmung keinen Abbruch.

Die Junggesellen und die Orbachpiraten rahmten die Tanzgarde der KG Odendorf ein. Das Fanfarencorps Essig-Odendorf folgte der Fußgruppe des Damenkomitees beider Orte, bis der Prunkwagen den Schluss markierte, wo KG-Präsident Christoph Knappe noch am Start jedem Hunger auf eine Wurst gemacht hatte.

Der Tross endete am Dorfsaal, in dem es mit der After-Zoch-Party im Schunkeltakt weiterging. „Es wird aber immer weniger, das liegt eindeutig am Geld“, findet Schumacher, der immer noch ein wenig wegen der geschrumpften Zahl an Wagen trauert: „Nächstes Jahr wird es nicht besser werden, denn es ist im Gespräch, dass jeder Wagen dann GEMA-Gebühr, also für die Musik, die dort abgespielt wird, zahlen muss.“


Mädchendreigestirn kam in Ollheim endlich zum Zug

Sie waren die perfekte Kombination aus guter Laune, Ausstrahlung und Weiblichkeit und strahlten am Ollheimer Veilchendienstagszug mit dem Stern am Himmel um die Wette: Die als goldig-weiße Sonnen verkleideten Wiess-Fräckchen der KG der Olleme Bubbelsbröder, die in diesem Jahr mit neuen Kostümen in vollem Glanz erstrahlten. Bisher waren die Frauen als „Olleme Mädchen“ mitgegangen. Inzwischen seien sie jedoch zu alt, fanden sie: „Wir sind alle über 40 Jahre, das passt nicht mehr!“, erklärte Lijane König die Änderung von Outfit und Name.

Gemeinsam mit den Herren der KG, den „Wiess-Fräck“, möchten die Fräckchen als Einheit die Karnevalsgesellschaft Olleme Bubbelsbröder präsentieren. Zum bekannten Ollheimer Traditionsverein, der den Zug organisiert, gehören drei Mädchen-Tanzgruppen, die Jüngsten fuhren auf dem Prunkwagen mit. Von oben winkte Ollheims Mädchen-Dreigestirn: Prinzessin Madeleine I. (Seyb) aus Ollheim, Bäuerin Lucy (Kraus) aus Odendorf und Jungfrau Cosima (Seyb) aus Essig. Das Trifolium war schon für die Session 2020/2021 nominiert. „Jetzt hat es endlich geklappt“, freuten sich die Drei.

Das Motto der Mädchen aus drei Swisttaler Ortschaften spiegelt den Zusammenhalt der Flächengemeinde wider: „Nur zesomme senn me Fastelovend.“ Aus einem nicht minder prunkvollen Gefährt grüßte inmitten der Wiess-Fräck der mit 90 Jahren älteste Zugteilnehmer: Alois, genannt Leusel, Hostnik, Gründungsmitglied der KG. Mit an Bord war Ortsvorsteher Paul Bison, dessen Vater Wolfgang den Zug kenntnisreich kommentierte.

Zu Fuß waren die 35 Handballer und Handballerinnen der Spielgemeinschaft (SG) Ollheim-Straßfeld unterwegs, die kräftig „in Blau-Weiß“ sangen. In der großen Gruppe der Minis und F-Jugend können Jungen und Mädchen ab fünf Jahren das Handballspiel erlernen, so wie die fünfjährige Hedda, die jüngste Spielerin im Zug. Der große Wunsch von Mutter Stefanie Nitschke: „Mehr aktive Damen bei der Gruppe der ,Bad Cats’.“

Bunter Besuch kam mit der „Igelgruppe“ aus dem benachbarten Straßfeld. Nach 1001 Nacht in Winterruhe seien die 29 Igel wieder aufgewacht und gleich im Orient gelandet, berichtete Bauchtänzerin Rita Garz, Sprecherin der neun Familien: „Es geht wieder los – und das muss bunt und knallig gefeiert werden!“

Als Ehrengast vorweg zogen rund 60 Uniformierte der LiKüRa Ehrengarde 1933 aus Bonn-Beuel, die in diesem Jahr ihr 90-jähriges Bestehen feiert und die seit über 30 Jahren ein fester Bestandteil des Ollheimer Zuges ist.

Zum zweiten Mal war der Musikverein Nohn aus Rheinland-Pfalz dabei und erfreute die Spaliersteher mit leidenschaftlichem Spiel. Ergänzt wurde der Besuch aus der Eifel vom klassischen Big-Band-Sound des Fanfarencorps der KG Rot-Weiß Adenau. Nächster Stopp für alle: die After-Zoch-Party im Dorfhaus.

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