Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Hochwasser AppErstmal viel Verwirrung in Swisttal und Umgebung

Lesezeit 4 Minuten
Bei der Hochwasserkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021 standen auch in Alfter Straßen unter Wasser.

Bei der Hochwasserkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021 standen auch in Alfter Straßen unter Wasser. 

Wo steht der Regen knie- oder hüfthoch im Haus? Die neue Hochwasser-App des Landes stiftet mit veralteten Daten Verwirrung.

Kein „Flusshochwasser“, aber bei Starkregen bis zur Hüfte den Regen im Wohnzimmer? Einer der ersten Nutzer der neuen Hochwasser-App des Landes rieb sich zunächst die Augen: Wieso sollte sein neues Zuhause im Hang in Odendorf bei einem Starkregen so hoch unter Wasser stehen, aber unten am Bach, wo er 2021 in der Flut seine Habe verlor, keine Gefahr bestehen? Der örtliche Hochwasserspezialist Thorsten Krause hat für seine Wohnung im selben Ort ein ganz ähnliches Ergebnis erhalten. So ging es auch Neugierigen aus der Umgebung. Eine Frau, die 2021 im Ahrtal das Hochwasser erlebte und nun in Meckenheim-Merl wohnt, wunderte sich, wie bei ihr im abschüssigen Gelände kniehoch das Wasser stehen sollte. 

Wasserstand laut App mit dem Ergebnis „kniehoch“.

Wasserstand laut App mit dem Ergebnis "kniehoch".

Krause ist inzwischen sicher: Die neue App stiftet nur „Verwirrung“. Die Zahlenbasis ist teilweise noch von vor der Flut. Die Rundschau hat sich beim Ministerium erkundigt. Von dort gab es jedoch bislang lediglich eine Beschreibung dessen, was die App praktisch errechnet. Das sind Regenwassermengen auf Basis von Dachflächen und Dachformen. Die Angaben wie kniehoch oder hüfthoch beschreiben anscheinend bloß die Menge des Regenwassers, das auf einem Grundstück niederprasselt - ohne Abfluss. Und wie Thorsten Krause, der seit Jahren Wasserstandsdaten für Swisttal zusammenträgt, herausfand, sind die Flußhochwasserstände veraltet. Seine Diagnose: „Die NRW-App ‚Hochwasserkarten‘ ist für die Tonne, solange die alten Hochwasserdaten aus 2019 darin weiterhin geladen werden für die Swist und deren Zuläufe wie Jungbach/Orbach und Co.“ Der Experte ist merklich genervt: „Es ist wirklich nicht zu fassen, was für ein Durcheinander im Jahr 4 nach der Flut herrscht.“

Dabei gibt es längst aktuelle Karten mit detaillierten Wasserständen. Sie wurden speziell auch für die Swist und die Bäche entwickelt, die Wasser von der Steinbachtalsperre im Kreis Euskirchen wegführen.

Hochwasserkarte für Swisttal

Hochwasserkarte für Swisttal

Doch zurück zur neuen App, die verheißungsvoll vom Land an den Start gebracht wurde. Ende April verkündeten die Ministerien für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung sowie Umweltschutz, Naturschutz und Verkehr: „Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen profitieren ab sofort von der Ausweitung der Starkregen- und Hochwasserschutz-App ‚H2OCH Wasser App/für’s Haus‘.“ In den App-Stores von Apple oder Google sucht man die App indes vergebens. Sie kommt von der Internetseite https://www.hochwasser-app.nrw/ Wer sie aufruft, wird nach der Adresse seines Hauses gefragt und muss die dann bestätigen. Es gibt eine zweidimensionale und eine dreidimensionale Ansicht der Kubatur, also der stilisierten Gebäudehülle, um die Dachneigung abzubilden. Es wird demnach zwischen Flachdächern und Giebeldächern unterschieden sowie die Abflussrichtung von Wasser berücksichtigt.

Geht auch auf dem Handy: die NRW Hochwasser-App

Geht auch auf dem Handy: die NRW Hochwasser-App

Unter der Kartenansicht stehen zwei Quellen der Daten: die Hinweiskarte Starkregengefahren NRW mit Stand vom Oktober 2021 aus dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie sowie die landeseigene Hochwasser-Gefahrenkarte NRW mit dem Stand vom Dezember 2019 des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr. 

Hochwasser-App: Daten teils veraltet

Tatsächlich ist ein Teil der Daten also völlig veraltet und stammt noch aus Zeit vor der Starkregenkatastrophe. Wie das kommen konnte, erklärt sich vielleicht aus dem Zustandekommen der App. Die hat ihren Ursprung nämlich in der Emscher-Lippe-Region und startete dort als „FloodCheck-App“ für das nördliche Ruhrgebiet. 118 von 396 Kommunen folgten der Einladung, dort ihre Daten beizusteuern. Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung unterstützt die Realisierung des Projektes mit rund 300.000 Euro. Basis ist ein Kooperationsvertrag zwischen den beiden NRW-Ministerien und Emschergenossenschaft und Lippeverband vom 16. Oktober 2024.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, findet, auf der dazugehörigen Webseite können Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen den Schutzbedarf der eigenen vier Wände schnell und einfach überprüfen. Der hochwassersicherere Wiederaufbau nach der Starkregen- und Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 und der Schutz des eigenen Zuhauses war und ist zentral für das Vermeiden und Reduzieren künftiger Schadensbilder im Zusammenhang mit Wasserereignissen. Hierbei leistet die App einen wertvollen Beitrag für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen.“ Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, sagte: „Durch den Klimawandel nehmen Extremwetterereignisse wie Starkregen weiter zu. Daher wird auch die Eigenvorsorge vor Hochwassergefahren immer wichtiger. Der Check hilft, das Risiko durch Starkregen und Hochwasser für das eigene Zuhause besser einzuschätzen. Es freut mich, dass weitere Kommunen dieses Angebot nutzen und damit die Hochwasser- und Starkregenvorsorge unterstützen.“