Landesbauministerin Ina Scharrenbach hat Versicherungsgesellschaften auf dem Kieker. Sie hat Anhaltspunkte dafür, dass Gesellschaften Flutbetroffene durch Hinhaltetaktik zur Anerkennung einer Abfindung drängen.
Flutrundgang in Swisttal-Odendorf:Ministerin hat Versicherungen auf dem Kieker

Odendorf: Rundgang mit Ministerin Ina Scharrenbach (blaue Jacke). V.l. Petra Kalkbrenner (Bürgermeisterin Swisttal), Ursula Thiel (Rhein-Sieg-Kreis), Oliver Krauß (CDU MdL, Gastgeber) und Kai Imsande (Info-Point Odendorf)
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Der Brief, den Landesbauministerin Ina Scharrenbach gestern in Swisttal von Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner entgegennahm, enthielt eine Bitte aller Bürgermeister aus dem Rhein-Sieg-Kreis, deren Kommunen von der Flutkatastrophe im Sommer 2021 betroffen sind: Die Frist zur Beantragung von Hilfsmitteln für den Wiederaufbau solle vom Land doch noch einmal verlängert werden.
„Und zwar um ein Jahr“, wie der Landtagsabgeordnete Oliver Krauß als Gastgeber präzisierte. Er hatte seine CDU-Kolleginnen Scharrenbach und Kalkbrenner zu dem Rundgang durch Odendorf eingeladen, um noch einmal zu schauen, wie der Wiederaufbau vorankommt.
Einiges erkannte Scharrenbach dabei von früheren Besuchen wieder. Sie registrierte Fortschritte, sah aber auch Baulücken, wo Häuser nicht gerettet werden konnten. Um so mehr freute sie sich über die begonnene Sanierung an einem Denkmal an der Orbachstraße, einem alten Haus mit Kölner Decken, aus Stuck auf Lehm mit viel Fachwerk.
„Das war doch beim letzten Mal noch als einsturzgefährdet ausgeschildert“, stellte sie fest. „Stimmt“, sagt Kalkbrenner: „Es ging sogar mal um den Abriss. Es war ein längeres Hin und Her mit dem Denkmalschutz, aber jetzt wird aufgebaut.“ Dies, so wusste Kai Imsande als der Ansprechpartner schlechthin im Infopoint von Odendorf, der Beratungsstelle im ehemaligen Café von Sturm, sei mit Helfern geglückt, weil Unternehmer für einen Abriss gerade kaum zu bekommen seien.

Baulücke in Odendorf am Orbach nach der Flutkatastrophe
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Gitter versperren derzeit den Weg ins Innere des Gebäudes, gewähren aber einen Blick auf die beschädigten Kölner Decken – aufwendige Stuckarbeiten auf Lehm und Stroh. Stahlstützen geben der Decke zum ersten Obergeschoss Halt. Im Fachwerk fehlt einiges an Füllung, die alten Bögen über Türen und Fenster sind gut zu erkenne. Holz, das die Helfer ausbauten, ist auf einem Anhänger zusammengetragen worden.
Imsande schilderte der Ministerin auch unverblümt die Probleme im Wiederaufbau: „Einige Betroffene werden nicht fertig mit ihrer Baustelle. Es gibt einen psychischen Druck und finanzielle Nöte, sodass das Paket, das die Menschen zu tragen haben, immer schwerer wird.“
Warnung vor Wucherpreisen
Als Imsande auf Handwerker und Versicherungen zu sprechen kommt, weiß Scharrenbach schon Bescheid. Sie kennt aus Schleiden eine Geschichte von einem Handwerker, der fürs Verputzen innen 160 000 Euro veranschlagte, weil der Staat ja die Rechnung übernehmen würde. Und sie hat von Versicherungen gehört, die eine Verzögerungstaktik fahren, weil sie offenbar auf einen Vergleich aus sind.
Scharrenbach mahnte: „Bitte unterschreiben Sie nicht leichtfertig eine Vollmacht für den Antrag auf Wiederaufbaumittel. Sie geben damit alles aus der Hand.“ Vorsicht sei auch bei Versicherungen angebracht.
Laut Imsande sind viele Versicherungsgutachten zu oberflächlich erstellt, um sie für einen Antrag auf Aufbaumittel zu verwenden. Hausbesitzer müssten, so Krauß, darum oft ein eigenes Gutachten erstellen lassen. Scharrenbach hat schon einige Versicherungsunternehmen auf dem Kieker: „Wir sammeln noch Informationen und werden dann an die deutsche Versicherungswirtschaft herantreten“, kündigte sie an. Denn es seien doch immer wieder dieselben Versicherer, die sich drücken wollten. Imsande: „Wenn der zuständige Vertreter weit weg sitzt, gibt es die meisten Probleme.“
1230 Anträge liegen laut Scharrenbach dem Ministerium vor, 1225 seien in Bearbeitung. Dabei gehe es um 47,2 Millionen Euro. „Aber jetzt kommen wir zu den komplexeren Problemen.“ Ob die Frist verlängert wird? „Das stimmen wir auch mit dem Land Rheinland-Pfalz ab, ohnehin laufen Ende 2023 einige Fristen aus.“
Sport im Freien
Drei Fitness-Outdoor-Parcours hat die Gemeinde Swisttal konzipiert, für zwei davon hat sie nun vom Land Mittel aus der Sportstättenförderung erhalten – die letzten, „weil der Bund kein weiteres Geld gibt“, wie Ministerin Ines Scharrenbach gestern im Rathaus von Swisttal erklärte.

Der Bolzplatz in Odendorf ist fertig. Er wird am Freitag eröffnet. Dahinter - Richtung Euskirchen - soll später ein Fitness-Outdoor-Parcours eingerichtet werden.
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Einmal 75 939 Euro und einmal 114 026 Euro sollen den Bau der Sportstätten in Heimerzheim und Odendorf garantieren. Das ist fast die Gesamtsumme und lässt der Gemeinde nur einen geringen Restbetrag. Die bereits von der Gemeinde fertiggestellte Anlage in Buschhoven war praktisch das Muster. Sie war aber deutlich günstiger, was letztlich damit zusammenhing, dass die Planung ehrenamtlich erfolgte und die Bauausführung durch den Bauhof sehr viel Geld eingespart ließ.
Die Idee stammt aus dem Jahr 2015, wie Klaus Jansen, der Vorsitzende des Gemeindesportverbands Swisttal der Ministerin erklärte, an der Seite von Bundespolizei-Chef Carsten Westerkamp erklärte: Viele der 660 Polizei-Azubis trainieren auf der Anlage und bieten soziale Kontrolle, wo es bislang Probleme mit Jugendlichen gab, „die gerade in ihrem Alter gerne die Muskeln beim Wachsen filmen“. Zudem habe jedermann Zugang zu diesen Anlagen – auch die Vereine, wodurch sie bei ihren Terminen dort wieder in Kontakt mit Sportlern kommen könnten, die zufällig dort seien, um sie vielleicht für den Verein anzuwerben.
Hinter der Tankstelle in Odendorf ist bislang allerdings nur ein Bolzplatz mit Rasen und stabilen Toren aus Eisen zu sehen, die am Freitag in Betrieb gehen sollen. Rotarier haben ihn laut Bürgermeisterin finanziert. Noch fehle ein Bebauungsplan, aber gleich hinter dem Tor Richtung Euskirchen soll der Outdoor-Parcours gebaut werden, der sich laut Gemeindesportverband später auch fürs „Batteln“ eignen soll: den Wettstreit um einen Pokal. „Oh, noch kein Bebauungsplan?“, fragte die Ministerin nach und erinnerte daran, dass der Bescheid nur bis Ende 2024 gilt. Kalkbrenner: „Das schaffen wir deutlich schneller!“ (mfr)