Ludendorf als Krimi-SchauplatzEin Verkehrspolizist auf Mörderjagd in Swisttal

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Bernd Schumacher recherchierte für seinen neuesten Roman im Swisttaler Örtchen Ludendorf.

Bernd Schumacher recherchierte für seinen neuesten Roman im Swisttaler Örtchen Ludendorf.

Rheinbach – Das beschauliche Ludendorf in Swisttal macht derzeit als Schauplatz eines Kriminalromans Furore. Der Rheinbacher Autor Bernd Schumacher lässt sein viertes Buch mit Oberkommissar Walter Seibold in dem Dorf der Nachbargemeinde spielen, indem er selbst in seiner Kindheit oft die Ferien verbracht hat. Seine Großmutter mütterlicherseits, Katharina Michels, wohnte dort. Im historischen Kriminalroman „Die Akte Ludendorf“ spielt allerdings nicht Oberkommissar Seibold die Ermittlerrolle, sondern der Verkehrspolizist Gerhard Scherer.

„Scherer ist mein zweites Ich“, gibt Schumacher zu, denn wie er verbringt auch der Verkehrspolizist die Ferientage seiner Kindheit bei der Großmutter in Ludendorf, die im Roman allerdings Margarete Milner heißt.

Eigentlich geklärter Fall wird neu aufgerollt

So auch im April 1959, dem Monat, in dem die aus Ostpreußen geflüchtete Magd und Putzhilfe Hedwig Schiwalewski ermordet wird. Die attraktive 30-Jährige hatte sich zuvor durch ihr anzügliches Benehmen gegenüber den Männern des Dorfes nicht nur bei deren Frauen unbeliebt gemacht. Sie wird von den stockkonservativen Dorfbewohnern wie eine Außenseiterin behandelt, worunter auch ihr kleiner Sohn „Schiwa“ zu leiden hat. Als Täter wird der geistig zurückgebliebene „Ohm Mättes“ in Haft genommen. Der hatte die Leiche nachts in einer Schubkarre in eine Jauchegrube befördert und war dabei dummerweise gesehen worden.

Als der Hauptverdächtige schon nach wenigen Tagen in Untersuchungshaft eines scheinbar natürlichen Todes stirbt, wird der Fall als gelöst abgehakt und die Akte geschlossen. Bis 20 Jahre später Scherer, mittlerweile Verkehrspolizist in Bonn, „Schiwa“ auf frischer Tat bei einem Einbruch ertappt und durch einen unglücklichen Unfall seinen Tod verschuldet. Dessen letzte Worte: „Es war nicht Ohm Mättes“ sieht Scherer als Verpflichtung an, sich noch einmal mit dem Fall auseinanderzusetzen. Doch die Ermittlungen in dem Dorf seiner Jugend sind alles andere als einfach, denn im erzkatholischen Ludendorf herrscht nicht nur eine Wagenburgmentalität gegenüber Außenstehenden, es tut sich eine Mauer des Schweigens und der Verdrängung auf.

Erst als Scherer seinen Freund, Oberkommissar Walter Seibold aus Rheinbach, um Hilfe bittet, kommt die Sache ins Rollen. Allerdings abseits des kriminalistischen Dienstweges, denn Scherer ist als Verkehrspolizist überhaupt nicht für Mordermittlungen zuständig und darüber hinaus auch noch wegen einer posttraumatischen Angststörung gerade dienstunfähig. Doch das hält ihn nicht davon ab, sich mit den örtlichen Honoratioren anzulegen und so die Wahrheit nach und nach ans Licht zu holen – und ganz nebenbei sein Leiden zu heilen.

Viele autobiografische Elemente

In dem 126 Seiten starken Werk, das Schumacher in der „Corona-Pause“ verfasst hat, seien jede Menge autobiografischer Elemente zu finden, gibt er zu. Schließlich entstand die Idee für den Roman bei einer Fahrradtour im vergangenen Jahr, die ihn nach vielen Jahren wieder einmal nach Ludendorf führte. „Da kamen sofort jede Menge Erinnerungen hoch, da ich dort viele schöne Zeiten dort erlebt habe.“

Enttäuscht war er allerdings, dass auf der Wiese, auf der früher die Dorfjugend Fußball gespielt hat, heute Häuser stehen. Doch genau dort erinnert er sich an den kleinen Jungen, der von allen Dorfkindern gemieden wurde und den er als privilegiertes „Ferienkind“ dennoch in seiner Fußballmannschaft gewählt hatte. „Als ich mir die damalige Situation noch einmal aus heutiger Sicht vor Augen führte, wurde mir erst bewusst, was es bedeutet, Außenseiter zu sein. Wenn man anders ist als der Rest.“ So war das Thema für den Roman gefunden, der so sich an einem gemütlichen Sonntagnachmittag durchlesen lässt. Schumacher leitet den Leser in straffem Erzähltempo und ohne verwirrende Abschweifungen durch die spannende Mörderjagd. Bei der Aufklärung spielen auch die bigotten Betschwestern des Ortes eine nicht unbedeutende Rolle.

Plädoyer für mehr Toleranz

Eine Sache fällt auf: Viele der Protagonisten sind Außenseiter, deren ganzes Leben durch ihr Anderssein geprägt und vorgezeichnet wird und letztlich unausweichlich in die Katastrophe führt. Deshalb sei „Die Akte Ludendorf“ auch durchaus als Plädoyer für mehr Integration sowie Inklusion und weniger Ausgrenzung zu verstehen, erklärt Schumacher. Außerdem ist der Roman ein veritables Sittengemälde der Nachkriegsjahre in einem katholischen Rheinland-Ort. Die Beschreibung des sozialen Zusammenlebens und der gegenseitigen Abhängigkeiten im dörflichen Gefüge besitzt fast universelle Geltung.

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Im Nachwort stellt Schumacher allerdings erneut klar, dass die Handlung des Romans frei erfunden ist, sie allerdings auf einem tatsächlichen Ereignis basiert. Bei manchen Figuren handele es sich um reale Personen aus Ludendorf, die Schumacher in seiner Kindheit und Jugend kennengelernt hatte und mit ihren liebenswerten Eigenschaften charakterisiert – dabei jedoch die Namen verändert. „Mit der Handlung des Romans hatten sie aber absolut nichts zu tun.“ Sie sind nur für das Lokalkolorit ein wesentliches Element. Ebenso existieren die beschriebenen Orte, Straßen, Gebäude und Denkmäler teilweise bis heute. „Es ist mir ein großes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass ich meine Ferien dort und die in Ludendorf lebenden Menschen in glücklicher Erinnerung habe.“ (jst)

„Die Akte Ludendorf“, ISBN 987-3-87062-340-1, ist ab sofort für zehn Euro im Buchhandel erhältlich.

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