Rhein-Sieg-KreisAlles für den Kuss unter dem Maibaum

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Flerzheimer Junggesellen sitzen auf einem Ballenwagen, auf den sie zwei Tannen und Birken geladen haben.

Mit Flerzheimer Junggesellen im Wald: Sie haben Birken und Tannen auf einen Ballenwagen geladen.

Immer mehr Junggesellenvereine auch im Rhein-Sieg-Kreis entscheiden sich, Maibäume beim Förster abzuholen. Die sind schon gefällt und zugeschnitten. Es fehlt noch die Deko für die Liebste.

Bevor sich der Flerzheimer Maikönig Lasse Clarenbach und seine Mitstreiter vom Junggesellenverein Gemütlichkeit von 1837 in der Nacht zum 1. Mai einen Kuss bei ihrer jeweiligen Herzensdame abholen durften, mussten sie arbeiten. Mit zwei Traktoren, Hänger und einem zehn Meter langen Ballenwagen ging es am Samstag in den Wald am Buschhovener Forsthaus. Dort suchten sich die jungen Männer an vorher mit dem Buschhovener Revierförster Daniel Braun abgesprochenen Stellen „ihre“ Birken aus, mit denen sie im Wonnemonat bei ihren Freundinnen Ehre einlegen wollen. Hinzu kamen noch zwei Fichten: eine für Maikönigin Carmen Schleder und eine für den Dorfplatz. „Wir tun das, um die Mädels glücklich zu machen“, sagen die jungen Männer. Ziel des ganzen Aufwandes sei der Kuss unter dem aufgestellten Baum, von dem die Freunde dann auch gleich ein Foto aufnehmen würden, berichtete das Trüppchen gut gelaunt.

Ihre eigenen Äxte hatten sie mitgebracht, um die unteren verdorrten Äste abzuhacken. Mit Paletten und Spanngurten wurde die kostbare Fracht verkehrssicher verzurrt. Die Junggesellen sind wählerisch, schließlich symbolisiert der Baum, auch Maien genannt, als Symbol der Liebe das Interesse des Herrn an der jeweiligen Dame. Und je prächtiger der Maibaum ist, desto größer sind die Gefühle, heißt es. Nach einiger Zeit hat Constantin Schulte-Beckhausen den richtigen Baum für seine Freundin gefunden: „Er ist schön gerade und hat eine dichte Krone.“ Gabelungen im Kronenbereich sollten die Birken nicht haben, waren sich die Maibaum-Einkäufer einig, die wie so viele am Wochenende den Rundum-Service bei Förster Braun – Schlagen, Entrinden und Hilfe beim Verstauen – in Anspruch nahmen. „Das ist deutlich komfortabler als selber zu schlagen“, stellte Matthias Schüller fest.

Ein Herz aus Holz

Mit bunten Kreppbändern soll das Grün nach verziert werden. Zimmermann Schulte-Beckhausen hat sogar ein Holzherz zugeschnitten und rot lackiert: „Das finde ich ein bisschen schöner.“ In der Mitte prangt in weißer Farbe der Anfangsbuchstabe seiner Freundin, ein „C“. Ein Herz mit Vorname oder dem Anfangsbuchstaben an der Birke sei rein organisatorisch von Vorteil, erläutern die jungen Männer, da auf diese Weise klar sei, wer gemeint ist: „In manchen Häusern wohnen mehrere Frauen.“ Die stolze Anzahl von 16 Birken stellten die Junggesellen am Sonntag für ihre Freundinnen auf. Die meisten Frauen wohnen in Flerzheim, doch wurden auch Birken nach Beuel, Buschhoven und Rheinbach gebracht. In einigen Fällen sei das Aufstellen eines geschmückten Baumes zunächst eine Absichtserklärung, sagten sie: „Manchmal ist es der erste Schritt.“

Fliegenklatsche als Zepter

So geschehen beim jetzigen Maikönig Lasse Clarenbach. Der 24-Jährige war vor einem Jahr, als er den Maibaum aufstellte, noch nicht mit seiner Angebeteten zusammen. Er habe demnach nicht gewusst, wie sie seine Geste aufnehmen würde: „Das war sehr aufregend.“ Als die 21-Jährige ihm dann tatsächlich einen Kuss „auf den Mund“ gab, sei die Freude groß gewesen. Seit diesem Tag im Mai vergangen Jahres sind die beiden ein Paar und stellen in Flerzheim in diesem Jahr sogar das Maikönigspaar. Clarenbach hatte bei der Mailehenversteigerung zwei Wochen vor Ostern mit 1500 Maimark, das sind 150 Euro, das höchste Gebot abgegeben. Dadurch sei er automatisch Maikönig und seine Freundin Maikönigin geworden, erzählt er. Traditionell können bei diesem Ereignis in Flerzheim Junggesellen ein Gebot auf eine ledige und über 15 Jahre alte „Maibraut“ abgeben, die an der Veranstaltung teilnimmt. Die Krönung erfolgte am 1. Mai beim Maiansingen auf dem Dorfplatz: Das Diadem wurde an Carmen Schleder weitergereicht und Lasse Clarenbach erhielt das Zepter in Form einer Fliegenklatsche. Besonders schön sei der Tanz des Königspaares unter der von den Vereinsmitgliedern hochgehaltenen Fahne, finden die Junggesellen, und tanzen in freudiger Erwartung gleich ein Ründchen gemeinsam mitten im Wald. Die jungen Leute haben Spaß daran, das rheinische Brauchtum zu erhalten und genießen die damit verbundene Geselligkeit.

Die Flerzheimer Familie Schüller ist sogar gleich mit drei Brüdern im Verein vertreten. Der vierte und älteste sei inzwischen nicht mehr aktiv mit dabei, da er geheiratet habe, erzählen sie. Die Einahmen aus der Versteigerung fließen übrigens wieder ins Brauchtum und werden zur Organisation der Maisaison verwendet, die sich von Mai bis Oktober erstreckt. Besonders beliebt ist das Junggesellenfest in Flerzheim. Beim „Kölschen Abend“ wird dort im Festzelt auf dem Dorfplatz am Freitag, 25. August, die Kölner Musikgruppe „Rabaue“ auftreten.

Äxte, die sich die Flerzheimer Junggesellen selbst mitgebracht hatten, stecken in Birkenstämmen.

Äxte zum Entasten hatten sich die Flerzheimer Junggesellen selbst mitgebracht.

Doch nicht nur Mitglieder regionaler Junggesellenvereine nahmen am

Wochenende dankbar die Hilfe von Förster Daniel Braun und dem Rheinbacher Unternehmer Peter Nücken in Anspruch, der mit seiner Kettensäge die Bäume fällte, zuschnitt und bei größeren Aufträgen seinen Forstspezialschlepper zum Einsatz brachte. Für zehn Euro erstanden auch viele Privatleute – die meisten waren Männer - an der Verkaufsstelle bei Morenhoven einen schönen Baum, der ihnen sogar ins Auto gepackt wurde. „Wir unterstützen gerne das Brauchtum, einen Maibaum und einen Dorfbaum aufzustellen“, sagte Daniel Braun. Dafür nehme er sich auch Zeit am Wochenende. Da von den Ordnungsbehörden kontrolliert wird, ob ein Baum offiziell bezahlt wurde, gab Braun Quittungen aus. Die seien ebenfalls wichtig für seine Buchführung: „Ich muss den Verkauf auch irgendwie nachweisen.“

Rund 200 Bäume verkauft

Rund 40 Birken lagen am Samstagmorgen bereits vorgeschnitten am Wegesrand und warteten auf ihre Abnehmer, etwa 200 Bäume in allen Größen wurden bis Sonntag verkauft. „Wir haben gut zu tun“, stellte Braun fest. Die Käufer kämen aus den sechs linksrheinischen Kommunen, aber auch aus Köln, Bonn und dem Kreis Euskirchen und Düren sowie aus dem Rhein-Erft-Kreis. Die Abholung erfolge bei mehreren Bäumen in der Regel mit einem Traktor oder PKW mit Anhänger oder mit einem Kleintransporter, erläuterte Forstamtsleiter Stephan Schütte vom Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft der Rundschau. Acht Meter lange Bäume geladen Adrian Pick und Marc Niebuhr aus Lommersum (Weilerswist) waren mit einem Pritschenwagen vorgefahren, auf den sie zwei acht Meter lange Bäume luden. Die Bäume waren für die Frau respektive Freundin und sollten mit bunten Bändern und Herzen geschmückt werden. Manfred Christian aus Erftstadt holte sich zwei knapp drei Meter lange Bäume ab, die ins Auto passten: Einen für seine Frau und einen für den achtjährigen Nachbarssohn Toni, der mitgekommen war. Der Grundschüler plante, die kleine Birke seiner Freundin Emilia aus der vierten Klasse aufzustellen, erzählte er: „Mein Papa hilft mir dabei.“

Christian hielt seinen zweijährigen Sohn Adrian auf dem Arm und war dankbar für die Hilfe beim Einladen. Da er aus Koblenz stamme, sei er im Gegensatz zu seiner Frau mit der Tradition des Maibaum-Aufstellens nicht vertraut. In diesem Jahr habe er es jedoch geschafft: „Das bin ich meiner Frau schuldig.“ Sorgfältig beschreibt ihm Daniel Braun den Rückweg durch den Forst, in dem die Einbahnstraßenregelung zu beachten ist. Für den Forstwirt macht es Sinn, die Bäume kontrolliert zu fällen, um den Bestand nicht zu schädigen. Dicht neben Eichen wachsende Birken würden beispielsweise dafür sorgen, dass die Buchengewächse gerade nach oben wachsen: „Darum macht es Sinn, nicht einfach einen Baum abzuschlagen, der an der Stelle, an der er wächst, wichtig ist.“

Das Maibrauchtum wird auch im Meckenheimer Ortsteil Lüftelberg gepflegt: Den mit Kreppbändern verzierten Dorfmaibaum, eine Tanne, hat die Freiwillige Feuerwehr an der Kirchenmauer aufgestellt. Finanziert wird der „Baum für alle“ vom Verein Lüftelberger Dorfgemeinschaft. Der Sachausschuss Jugend hatte am Sonntag eine Maibaum-Verkaufsaktion am Bahnhof Kottenforst organisiert, der Erlös der Aktion fließt in die Kinder- und Jugendarbeit im Dorf.

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