Totschlagsprozess Trudel UlmenNiemand glaubte der verzweifelten Familie

Nebenkläger Thomas Lenerz (hier zum Prozessauftakt) sagte gestern vor dem Schwurgericht aus.
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Rheinbach – Es war sein Tag: Der Bruder von Trudel Ulmen, der als Nebenkläger den Prozess begleitet – und endlich – nach langen 16 Jahren ganz genau wissen will, was passiert ist, der aber auch seine große Schwester rehabilitieren will, die 16 Jahre lang für freiwillig untergetaucht gehalten wurde, tatsächlich aber von ihrem damaligen Ehemann nach eigener Aussage erstickt worden war.
Am Montag wurde Thomas Lenerz, Verwaltungsangestellter der Stadt Mayen, im Prozess vor dem Bonner Schwurgericht als Zeuge gehört. In den Vordergrund schob sich vor allem seine Verzweiflung, dass der Familie 16 Jahre nicht geholfen wurde. Im Gegenteil: Dem 57-jährigen Ehemann wurde geglaubt, dass seine Frau von einem Tag auf den anderen das Weite gesucht hatte, angeblich mit einem reichen Geschäftsmann.
„Ich habe an dem Tag, als die Trudel aus unserem Leben verschwand, noch mit ihr telefoniert“, erinnerte sich der Bruder, „da war nichts, gar nichts. Und dann ist sie weg, plötzlich weg! Das war nicht zu erklären, das hat nicht zu ihr gepasst!“, wiederholte der 46-Jährige immer wieder. Die einzige, die die Wahrheit geweissagt hatte, sei seine Ehefrau gewesen: „Der Ehemann hat sie umgebracht.“
Aber so weit, das zu glauben, war Thomas Lenerz damals noch lange nicht, denn zum Angeklagten hatte der zehn Jahre jüngere Bruder von Trudel Ulmen ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Viele Jahre hatte er die Eheleute in Rheinbach besucht – und dort das großzügige Leben geschätzt. „Es fällt mir heute noch schwer, ihn zu hassen, denn er war der beste Schwager, den es gab. Ich muss das immer ausblenden, um das alles zu glauben.“
„Der Mord ist das eine“, sagt Thomas Lenerz; „aber was er die 16 Jahre mit uns gemacht hat, das ist die absolute Schweinerei“. 16 Jahre verschweige er die Wahrheit, biete sich als guten Schwager an, den sie ja nicht verlieren würden. Er drohe der sehr frommen Mutter von Trudel an, nicht weiter nachzugraben, damit nicht die Affären ihrer Tochter offenbar würden. Als es um das Vermögen von Trudel ging, habe die Familie handschriftliche Briefe bekommen: „Wenn meine Ehefrau vor der Tür steht, kriegt sie das, was ihr gesetzmäßig zusteht.“
Die Familie schließlich bekommt nichts: Nicht mal die Bitte um ein Foto sei erfüllt worden, erzählt der 46-Jährige, dafür räumt eine angeblich beste Freundin Kleider säckeweise ab – und der viele Schmuck der Vermissten wird verkauft. Als dann ihr Vater starb, da habe der Angeklagte noch eine verlogene Postkarte geschrieben. „Und wir wussten alle: Wenn Trudel noch lebt, dann wäre sie zur Trauerfeier ihres geliebten Vaters gekommen.“ Aber keiner kam. Die Gewissheit nach 16 Jahren sei eine Erleichterung, aber der „grausame Tod meiner Schwester lässt mich nicht mehr schlafen“. Was für eine Qual müsse das gewesen sein, unter dem Kissen gegen den Erstickungstod anzukämpfen. In Richtung des Angeklagten sagte er: „Ich habe keinerlei Mitleid für die leeren Augen in seinen Augen.“ Der hatte gesat, die leeren Augen seiner ersten Frau verfolgten ihn. Dann brach Thomas Lenerz schluchzend am Zeugentisch zusammen. Der Angeklagte machte Anstalten aufzustehen, als wollte er den kleinen Bruder trösten und in den Arm nehmen. Sein Verteidiger Martin Kretschmer konnte es noch rechtzeitig verhindern.
Im Zeugenstand gestern auch zwei Ehefrauen des Angeklagten, mit denen er jeweils ein Kind hat. „Er hat immer versucht, alles Negative auszublenden und nur eitel Sonnenschein zuzulassen“, charakterisierte die heute 50-jährige zweite Ehefrau und Physiotherapeutin ihren Ex-Mann. „Was nicht in sein Gefüge passte, hat er verschwiegen.“ Trudel Ulmen sei in der Ehe nie richtig erwähnt worden. Die dritte Ehefrau ging mit dem Angeklagten gestern deutlich ins Gericht: Die 33-jährige Arzthelferin, seit 2005 mit dem Angeklagten verheiratet, hat von Trudel Ulmens Existenz erst viel später über die Schwiegermutter erfahren.
„Er hat mich angelogen und betrogen, Lüge reihte sich an Lüge“, fasste sie die Beziehung zusammen, „irgendwie hatte ich sofort den Verdacht, dass er sie getötet hat“. Schon bevor die Wahrheit ans Licht kam, hatte sie sich vom Angeklagten getrennt, „aber er hat das nicht respektiert“. Aus dem Gefängnis habe er zahllose Briefe geschrieben und an der Beziehung festgehalten – alleine.