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Verteidiger will Urteil anfechtenSechs Jahre Haft wegen Totschlags für Walid S.

Lesezeit 3 Minuten

Walid S. und sein Anwalt Martin Kretschmer (Archivfoto).

Bonn – „Ein ganz normaler Feld-, Wald- und Wiesenfall“ sei es. Mehr nicht. Weder Tat noch Täter seien etwas Ungewöhnliches. „Die Bedeutung haben dem Angeklagten Walid S. andere zugemessen.“ Josef Janßen, Vorsitzender des Bonner Schwurgerichts, machte gestern unmissverständlich klar, dass er nicht gewillt ist, diesen Prozess mit dem um den Tod von Niklas P. zu vermischen.

Denn Walid S. war vor zwei Jahren Hauptangeklagter im Fall des 17-jährigen Schülers, der durch einen Faustschlag ins Koma gefallen und sechs Tage später gestorben war. Walid S. wurde freigesprochen. Wer der Täter war, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden.

Letztes Urteil für Richter Janßen

Der Name Niklas P. fiel in der Urteilsbegründung kein einziges Mal. Dennoch blieb das Spektakuläre des Falls – und besetzte den Raum. Und Janßen, der gestern das letzte Urteil in seiner Richterkarriere sprach, setzte der Geschichte sogar noch eins drauf.

Denn das Schwurgericht verurteilte Walid S. – obwohl „ein ganz normaler Feld-, Wald- und Wiesenfall“ – wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung sowie Widerstands und Angriffs gegen Polizeibeamte zu sechs Jahren Haft, so wie der Staatsanwalt es beantragt hatte. „Ein viel zu hohes Urteil“, kommentierte später Verteidiger Martin Kretschmer, für einen alltäglichen Fall, wie die Gerichte sie eben „am Fließband abarbeiten“.

Tritte wie ein Aufprall auf die Windschutzscheibe

Walid S. hatte am 10. Februar zweifach gegen den Kopf eines 26-Jährigen getreten, der bereits von anderen zu Boden geschlagen worden war, und der, schwer betrunken, versucht hatte, sich wieder aufzurichten. Die Tritte seien von äußerster Brutalität gewesen.

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Die Wucht, so erklärte es der Gerichtsmediziner im Prozess, entspreche dem Aufprall des Kopfes gegen die Windschutzscheibe eines fahrenden Autos, das mit 36 Stundenkilometern unterwegs sei. Das Opfer hatte noch Glück: keine Lebensgefahr, aber schwerste Verletzungen am Kopf, unter anderem einen doppelten Unterkieferbruch.

„Wollte einfach Gewalt ausüben“

Walid S. jedoch sei es „völlig egal gewesen, was er damit anrichten konnte“, so Janßen weiter. Dabei glaubten die Richter dem geständigen Angeklagten durchaus, dass er den 26-Jährigen nicht hatte töten wollen. „Wie bei allen, die um sich treten, wollte er einfach Gewalt ausüben“, sagte Janßen.

„Aber dass Tritte gegen den Kopf lebensgefährlich sind“, wisse jedes Kind und der Angeklagte allemal: Denn dreimal bereits sei der gebürtige Italiener mit marokkanischen Wurzeln wegen ungebremster Gewaltdelikte verurteilt worden.

Walid S. nimmt Schuldspruch laut Verteidiger „gelassen“

Jedes Mal habe er gegen den Kopf gezielt, aus nichtigem Anlass. Und schließlich habe der 23-Jährige in einem Verfahren gesessen, in dem es darum ging, dass einer durch einen einzigen Faustschlag zu Tode kam: „Er wusste, was passieren kann, wenn er so agiert.“ Walid S. sei jetzt „erstmals richtig gegen die Wand gefahren“, betonte Janßen am Ende.

Der Angeklagte, der sehr aufmerksam zugehört hatte, nehme den Schuldspruch „gelassen“, sagte sein Verteidiger anschließend. Sein Mandant sei auf eine längere Haftstrafe vorbereitet gewesen. Gegen das Urteil will Kretschmer in Revision gehen. In seinem Plädoyer hatte er drei Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung beantragt.

Erleichtert zeigte sich anschließend die Mutter von Niklas P.: „Ich bin überrascht, dass es sechs Jahre geworden sind.“ Sie habe mit einem milderen Urteil gerechnet.