Wie soll das Wachtberger Rathaus der Zukunft aussehen? Vor allem die Befürchtung, durch eine falsche Entscheidung mehr Steuern zahlen zu müssen, prägte die Debatte.
Debatte ums RathausWachtberger wollen keine höheren Steuern

Berkum mit dem Rathaus in einer aktuellen Drohnenaufnahme
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„Welche Nachteile hat das, und welche Auswirkung auf die Grundsteuer?“, lautete die erste Frage bei der „Bürgerinfoveranstaltung Rathaus-Neubau“. 80 Minuten lang hatten Bürgermeister Jörg Schmidt (CDU) und der Sachverständige Michael Schultze-Rhonhof von der DKC Kommunalberatung zuvor Varianten und Berechnungsmodelle erläutert. Doch ihre Botschaft, dass ein Neubau auf der Grünen Wiese nach dem vom Land dafür empfohlenen Rechenmodell die Kommune am wenigsten finanziell belastet, leuchtete vielen Rednern einfach nicht ein. Einige witterten ein heimlich getätigtes Grundstücksgeschäft, andere versuchten sich mit aufgeschnappten Zahlen im Kopfrechnen.
Reges Interesse: Stühle reichten nicht aus
Das Interesse war jedenfalls riesig. Schon als es auf den Beginn der Bürgerinformation in der Aula der Hans-Dietrich-Genscher-Schule zuging, schienen die 120 Stühle im Zuhörerbereich nicht auszureichen. Der Bürgermeister ließ noch ein paar mehr aufstellen. Letztlich hatte die Veranstaltung aber etwa 100 Teilnehmer, von denen etliche ans Mikrofon gingen oder einfach Fragen in den Raum riefen. Auch Mitarbeiter der Gemeinde Wachtberg waren gekommen, um mehr über die Zukunft ihres Arbeitsplatzes zu erfahren. „Da hat sich der Sinn der Bürgerinformation schon erfüllt, wenn so viele da sind“, stellte Schmidt zufrieden fest.
Der Bürgermeister erklärte ausführlich den Stand der Dinge: 2018 sei die Machbarkeitsstudie wegen der Mängel am Rathaus in Auftrag gegeben worden. Der Rat hätte einfach über Sanierung oder Neubau entscheiden können, aber „so ein hoher Aufwand braucht einen breiten Konsens“. Darum wolle er „die Bürger ins Boot holen“.
Probleme des Rathauses aufgeführt
Als Hausherr nahm er sich auch die Zeit, ausführlich die Probleme aufzuzeigen. „Bei Sonne brennt es von Süden rein, die Aluminiumfenster geben Hitze und Kälte weiter. Wenn es im Winter warm sein soll, muss das Fenster über der aufgedrehten Heizung gekippt werden, damit die warme Luft in den Raum zieht. Es ist auch schonmal ein Fenster nach innen gefallen.“ Alle Büros seien voll besetzt: „Wir dürften so eigentlich niemanden einstellen und niemanden ausbilden.“ Außer dem Ratssaal gebe es keinen Besprechungsraum. Dort, im Keller oder am Arbeitsplatz werde gegessen, weil es auch keine Sozialräume gebe. Finde eine große Sitzung im Ratssaal statt, müssten alle Büros wegen des Brandschutzes geräumt sein.
Schmidt zählte „alte Risse“ und „Schimmel im Keller“ auf. In der Luft seien nur nach einer Dachreparatur mal Schadstoffe gemessen worden. Damals sei im Obergeschoss darum ein Schutzanstrich fällig geworden. In dem 70er-Jahre-Bau sei höchstwahrscheinlich Asbest zu finden - ein Punkt, der bei mehreren Zuhörern Nachfragen provozierte, warum das denn nicht untersucht worden sie, um die echten Kosten zu ermitteln. Der Beigeordnete Swen Christian erklärte allerdings: „Wenn wir irgendwo eine Wand öffnen und tatsächlich Asbest finden, dann erübrigen sich alle anderen Varianten: Dann sanieren wir.“
Schultze-Rhonhof versicherte, er habe bei der Variantenberechnung einen Risikoaufschlag einkalkuliert. Grundsätzlich sind alle Varianten von ihm auf einen Restwert nach 30 Jahren kalkuliert. Die „Null-Variante“, bloß reparieren und zusätzliche Büros anmieten, „geht gar nicht“, wie er sagte: „Sie könnte zu einer Nutzungsuntersagung führen.“
Fragen und Anmerkungen zum Rathaus von Wachtberg
Dann ging es an die Fragen:
Welche Nachteile hat das, und welche Auswirkung auf die Grundsteuer? Schmidt: „Es kostet auf jeden Fall Geld. Wenn wir nichts tun, treibt uns das am schnellsten zu Steuererhöhungen.“ Allein die Dachreparatur habe damals 160.000 Euro gekostet.
Was kostet das Grundstück für einen Neubau? Die Berechnung enthält keinen Kaufpreis. Laut Schmidt könne der Gegenwert des frei werden Rathauses eingesetzt werden.
Kreditzinsen sind gestiegen. Preissteigerungen und Zinsentwicklung sind zwar einkalkuliert. Jedoch nicht so, wie sie sich seit der berechnung vor mehr als einem Jahr ergaben. Schulze-Rhonhof ging von einem Zins von 2,1 Prozent aus. Schmidt: „Keiner ist so bescheuert, dann zu bauen, wenn die Zinsen am Höchsten sind.“
Warum sind keine Fördergelder berücksichtigt? Schmidt: „Weil wir sie in zwei oder drei Jahren, wenn wir bauen, vielleicht nicht mehr bekommen.“
Wieviel Raum braucht ein Mitarbeiter? Weil er mal schnell die rund zehn Quadratmeter aus der Arbeitsstättenverordnung auf die Stellen im Rathaus hochrechnete, brachte ein Mann das Podium ins Schwimmen. Es blieb Flächenzahlen und Bedarf schuldig. Allerdings sind Aufenthaltsräume, WC und Flure mitzurechnen, und Gewerbeimmobilien kosten mehr Miete als ein Wohnhaus.
Ersetzt Home-Office Arbeitsplätze? Der Gedanke, dass Digitalisierung und Arbeiten von zu Hause einem Arbeitgeber erlauben würden, keinen Arbeitsplatz mehr vorzuhalten, scheint so verbreitet, dass die Frage zu Beifall führte. Schmidt hatte früher schon erklärt, dass Personaleinsparung durch die unterschiedlichen Aufgaben kaum möglich ist. Tatsächlich sollen 37 neue Arbeitsplätze eingerichtet werden.
Ein Rathaus gehört ins Zentrum, findet ein Mann aus Züllighoven aus städtebaulicher Sicht - „und nicht am Ortsrand auf einen Acker“. Er wisse, „dass die Partei, die den Bürgermeister auf den Thron gehoben habe, ein Grundstück oberhalb von Burg Odenhausen“ anpeile. Es sei seltsam, dass die Grünen, dies mitmachten.
Aufwand und Kosten seien vermischt, findet ein Mann aus Ließem, der sich selbst als Experten bezeichnete. Er wundere sich auch, wie wenig Gewicht der Nachhaltigkeit in der Berechnung eingeräumt sei, zumal schon der Bund deutscher Architekten gefordert habe, gar nichts Neues mehr zu bauen. „Ich wäre auf die Studie mal mit aktuellen Zahlen gespannt. Warum wird keine zweite Expertise eingeholt?“
Drei Schwächen hörte ein Anwohner des Rathauses aus dem Vortrag heraus: Nur einen Tag lang habe ein Bauingenieur nach Baumängeln geforscht, also wohl nicht tiefgreifend. Das Schreckgespenst einer Schadstoffbelastung sei ohne vorherige Klärung nicht angebracht. Der nonchalante Umgang von Schmidt mit einem neuen Baugrundstück werfe die Frage nach der Größe auf, wenn da so viele oberirdische Parkplätze und vielleicht sogar eine neue Rathausbushaltestelle Platz hätten.
Die vorliegende Masterarbeit zur Sanierung des Rathauses im Bestand hätte aus Sicht von Benjamin Menke aus Oberbachem ausgereicht. Die sei aber alt (von 2009) und habe nur auf die energetische Sanierung abgezielt, allerdings eine serielle Sanierung sowie eine Lösung mit Stellplätzen unter einem Gebäude auf Stelzen enthalten. Schultze-Rhonhof gab an, die Masterarbeit eingearbeitet und zu Ende gerechnet zu haben. Laut dem Beigeordneten Christian habe die Politik den Vergleich von Varianten gewünscht.
Bei einer Sanierung gibt es viereckiges Geld zurück, fand ein Einwohner. Laut Schmidt geht es aber noch nicht um die Kosten. Er will erst eine der Varianten als Ziel festgelegt wissen und dann die Kostenfrage klären.
Redebeiträge enthielten nicht immer nur Fragen. Ein örtlicher Blogger sprach von „tabellarischer Lustorgie“ und „Flickschusterei“, die nicht weiterbringe sowie einem „verdächtigen Grundstücksdeal“, wobei Schmidt mit seiner Entgegnung, er habe „keinen Notarvertrag unterzeichnet“, nur mehr Argwohn schürte: „Natürlich habe ich Grundstücke im Blick. Aber der Besitzer weiß es nicht.“
Ein Mann aus Villiprott, warf der Gemeinde vor, das in den 70ern solide erbaute Haus heruntergewirtschaftet zu haben; er habe sein Haus von 1704 auf Vordermann gebracht. Schultze-Rhonhof hielt er vor: „Sie haben der Sache keine faire Chance gegeben.“ Dafür erntete er Beifall. Der Experte verwahrte sich umgehend gegen die Unterstellung, er habe ein Gefälligkeitsgutachten abgeliefert: Als Architekt könne er mit Entwürfen wesentlich mehr Geld verdienen. Aber er finde dieses Berechnungsmodell, mit dem NRW Vorreiter sei, sehr wichtig, damit Kommunen ihre Investitionen einschätzen könnten. 50 Mal im Jahr erstelle er solche Berechnungen und habe das Modell mitentwickelt.
Andreas Breuer, der in seinem Berufsleben mit Modellen und Statistik zu tun hatte, fand zunächst, dass bei der Berechnung zu viele Parameter offen geblieben seien und glaubte zunächst vor allem bei den Energiekosten eine methodische Schwachstelle entdeckt zu haben. Er meldete sich jedoch nochmals zu Wort, als ihm der Sinn als Entscheidungshilfe und die beschränkten Möglichkeiten der Berechnung, die aus Fachsicht bloß 50.000 Euro kostete, aufgingen. Dann kann das einfach nicht tiefer untersucht sein. Schultze-Rhonhof: „Das haben Sie sehr richtig auf den Punkt gebracht. Es geht ausschließlich um die Meinungsbildung.“
Ein Mann aus Villip riet dazu, doch mal alle Ratssitzungen ins Internet zu übertragen und Digitalisierung wahrzumachen. Dies scheitert laut Bürgermeister Schmidt aber daran, dass einige, die dann gezeigt werden müssten, nicht einverstanden seien. Schmidt musste sich außerdem Vorwürfe gefallen lassen, weil er ausschweifend antwortete. Damit wolle er mundtot machen, fand ein Zuhörer. Schmidt entschuldigte sich.
Wie geht es nun weiter? Der Haupt- und Finanzausschuss hat dem Gemeinderat Variante 3 (Neubau auf neuem Grundstück) empfohlen, wenn sich ein Grundstück finden lasse. Ansonsten sei (Variante 2) das Rathaus an alter Stelle neu zu bauen. Schmidt: „Wenn in absehbarer Zeit kein Grundstück zu finden ist, würde ich Ingenieure für die Umsetzung von Variante 2 suchen.“
Wäre eine teurere Sanierung günstiger? Den Anschein erweckte das Rechenmodell, etwa durch gleiche Betriebskosten bei Sanierung und Neubau. Laut dem Experten werden aber durch den Buch- und Restwertvergleich ausschließlich die Mehrwerte einer Investition betrachtet. So bewirkt allein der Preis einer Investition keine höhere Bewertung im Ergebnis.
Als um 21.39 Uhr keine weitere Frage gestellt wurde, sagte Schmidt: „Ich habe Ihnen heute viel zugemutet und danke für Ihr Interesse.“