„EinkaufsHilfeProjekt“ in WachtbergBrot und Blumen für Senioren daheim

Barbara von Selle und ihr Mann Karl-Otto haben Einkaufshelferin Jule Kliebisch schon freudig erwartet.
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Wachtberg – Das Brot ist aus und das Toilettenpapier auch. Damit aus solchen Problemen während der Corona-Krise kein Drama wird, haben sich Jule, Maren, Paul und ein gutes Dutzend weiterer junger Menschen in der evangelischen Gemeinde Wachtberg zusammengeschlossen. Sie machen beim „EinkaufsHilfeProjekt“ mit.
Die Jugendleiter Frank Fongern und Svenja Schnober hatten die Idee und nahmen auch gleich die weitere Organisation in die Hand. „Das Projekt will vor allem älteren Menschen in der Kirchengemeinde etwas anbieten, die nun zum Schutz vor dem Coronavirus nicht vor die Tür gehen wollen oder sollten“, sagt Fongern: „Derzeit haben wir etwa 20 feste Helfer und zehn Kunden, aber das kann noch schnell anwachsen, und dann brauchen wir auch weitere Helfer.“
Zum Start vor zwei Wochen schafften die Jugendleiter für das Projekt zuerst einmal ein Handy mit eigener Rufnummer an. „Dann ging alles ganz schnell. Über den Gemeindebrief und Mundpropaganda hatten wir schnell Helfer zusammen. Derzeit sind es genügend, aber wenn mehr Kunden hinzukommen, brauchen wir auch weitere. Zudem sind viele Ehrenamtler noch Schüler oder befinden sich im Berufspraktikum, so dass sich schwer voraussagen lässt, was nach Ostern sein wird, wenn wieder Schule ist.“
Nicht jeder hat ein Auto
Zwischen 15 und 23 Jahre sind die Helfer alt. Darum hat auch nicht jeder ein Auto. „Die Jüngeren rufen bei mir und Svenja Schnober an. Wir fahren dann einkaufen, und die Ehrenamtler tragen die Einkäufe anschließend aus.“ Üblicherweise besorgen die Wachtberger Einkaufshelfer Lebensmittel, aber auch Zeitschriften, ohne die der Alltag für die Menschen, zu denen sie gehen, trist wäre.
Für Jule Kliebisch ist es am Montag der erste Einsatz. Die 16-Jährige gehört schon lange zum Ehrenamtlerteam der evangelischen Gemeinde. Wegen der vielen Schulaufgaben hatte sie ihre Hilfe für das Einkaufen jedoch erst am Samstag zugesagt. „Ich bin am Amos-Comenius-Gymnasium. Wir waren zwar vor den Osterferien schon wegen Corona zu Hause, aber ich war mit den Schulaufgaben ausgelastet.“
Statt den schönen Sonnentag irgendwo faul zu verbringen, erledigte sie nun für Menschen, die sie gar nicht kannte, was sie zu Hause nicht muss. Denn dort geht Mutter Uta für den Vier-Personen-Haushalt einkaufen. Die Mutter hat auch den Mundschutz genäht, den Jule Kliebisch nun trägt, sogar mit mehreren Abnähern, damit er gut sitzt.
Zur Not ersetzt der Schal die Maske
„Viele Mütter haben genäht, damit die Kinder einen Mundschutz haben“, sagt Fongern: „Wer keinen hat, kann einen Winterschal verwenden. Der reicht auch. Am Anfang gab es die Frage, ob Winterhandschuhe o.k. wären, aber das geht nicht. Die Gemeinde spendiert aber ausreichend Latexhandschuhe.“
Schon entsprechend eingekleidet trifft die Schülerin vor dem Feuerwehrgerätehaus mit Frank Fongern zusammen. Der hat im Kofferraum alles, was Svenja Schnober eingekauft hat. Sogar die schwierigste Aufgabe ist gelöst: Eine Konfektion Klopapier ist dabei. „Das war wohl gar nicht schwer, ich glaube im Edeka, aber wir würden es auch in ein paar Geschäften probieren, um die Sachen zusammenzubekommen“, verspricht Fongern. Er übergibt an die 16-Jährige Helferin Ware und die Kassenbons, und die macht sich gleich auf den Weg zur Wohnung der beiden Senioren.
Einkaufen für Corona-Gefährdete
Die Bestellannahme funktioniert über das Handy des „EinkaufsHilfeProjekts“. Die Kirchengemeinde geht für die Einkäufe in Vorkasse.
Die Warenpalette reicht von Tomaten aus dem Supermarkt über Blumen aus der Gärtnerei bis hin zu Arzneimitteln aus der Apotheke.
Bis zum Mittag müssen die Bestellungen eingegangen sein. Die älteren Helfer und die Betreuer fahren daraufhin am frühen Nachmittag zu den Supermärkten. Gegen 15 Uhr treffen sie sich an zentraler Stelle und teilen die Bestellungen auf die jüngeren Helfer auf.
Ausgeliefert wird meist zwischen 15 und 18 Uhr. Die Abrechnung erfolgt dann centgenau an der Haustür. Die Helfer haben auch etwas Wechselgeld dabei, so dass nicht zwingend die Bezahlung passend erfolgen muss. (mfr)
Die Haustür geht gleich nach dem Klingeln auf: Barbara von Selle (81) und ihr Mann Karl-Otto (82), haben schon gewartet. Nun folgt der kritischste Moment: die direkte Begegnung zwischen den Gefährdeten und den Helfern. Es zuckt in den Fingern, die Hand zu reichen und den üblichen Jutebeutel gleich zu übergeben. Doch die Schülerin beherrscht sich. Der Jugendleiter hat ihr eingeschärft, strikt auf Sicherheit zu achten und zwei Meter Abstand zu halten. So stellt Jule Kliebisch das Klopapier vorsichtig gegen die Hauswand, den Einkaufsbeutel in die Nähe der Tür und zieht sich trotz des Mundschutzes etwas zurück. Auf die Kontrolle, ob auch alles da ist – Rotkohl ist dabei, Brot wird nachgeliefert –, folgt die Prüfung des Kassenzettels und der schwierigste Part: der Austausch von Münzen und Geldscheinen. Dazu müssen die Ehrenamtler sicherheitshalber eine Kunststoffschale verwenden. Meist liegt der Wert eines Einkaufs irgendwo zwischen 15 und 80 Euro. Auch hier. Es geht um etwas über 40 Euro, und beide Seiten sind ein wenig unbeholfen, den Betrag passend zu machen. Einfach großzügig aufrunden? Das lässt die engagierte Helferin nicht zu. Sie hat vielmehr noch eine Zugabe für die beiden Senioren dabei: einen Blumengruß der Kirchengemeinde zu Ostern. „Och, toll“, freut sich von Selle und ist versöhnt, denn gerade hatte sie noch beklagt: „Das ist ja alles nur notwendig, weil es hier im Ort kein Geschäft mehr gibt.“
Das EinkaufsHilfeProjekt der evangelischen Gemeinde Wachtberg ist per Handy erreichbar: Tel. 01 62/7 07 52 03