Im Bus zur KundgebungWachtberger Bauern in Berlin böse auf Lindner

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Der Auszubildende vom Wiesenhof in Wachtberg hat es mit der Delegation aus dem Rhein-Sieg-Kreis bis ans Brandenburger Tor in Berlin geschafft

Der Auszubildende Pascal Falkenberg vom Wiesenhof in Wachtberg hat es mit der Delegation aus dem Rhein-Sieg-Kreis bis ans Brandenburger Tor in Berlin geschafft

Mit zwei Doppeldeckerbussen sind Landwirte aus dem Rhein-Sieg-Kreis am Montag bei der Bauerndemonstration in Berlin gewesen. Doch das, was sie dort zu hören bekamen, hat sie nicht besänftigt.

Die Worte von Bundesfinanzminister Christian Lindner erreichten zwischen Buh-Rufen und Sprechchören „Die Ampel muss weg!“  zwar kaum das Ohr von Michael Hüllen aus Wachtberg-Werthhoven, doch der 63 Jahre alte Landwirt bekam ganz vorne am Drängelgitter mit Blick auf das Brandenburger Tor genug mit, damit seine großen Hoffnungen zunehmend zerbröselten. „Wir alle von der Kreisbauernschaft aus dem Rhein-Sieg-Kreis waren mit zwei Doppeldeckerbussen in der Hoffnung nach Berlin gefahren, dass Herr Lindner die angekündigten Maßnahmen zurücknimmt. Doch er hat klargemacht, dass er das nicht tut.“

Die Kundgebung dauerte am Mittag gut zwei Stunden. Hüllen war beeindruckt, von der Masse derer, die die Bauernforderung unterstrichen. „Bauernpräsident Joachim Rukwied hat die Zahl der Leute auf 30 000 geschätzt, und es ist schwer zu sagen, ob es 4000 oder 6000 Traktoren waren, die vorfuhren, denn sie hatten ohnehin nicht alle zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor Platz und verteilten sich in der Stadt“, berichtete Hüllen und zeigte sich beeindruckt von der Solidarität: „Der ganze Mittelstand war vertreten, auch das Gastgewerbe, viel stärker als bei den Aktionen dieser Tage bei uns zu Hause.“

Ich hoffe nun, dass es irgendwie kompensiert wird. Ich weiß nicht wie, es muss aber etwas kommen, eine Leistung für unseren Beitrag als Bauern zum Tierwohl vielleicht oder irgendwas, was auch für uns zukunftsträchtig ist
Michael Hüllen, Landwirt aus Wachtberg-Werthhoven

Doch trotz der Zustimmung wirkte das Gehörte ernüchternd: Lindner habe Kompromissmöglichkeiten angedeutet, um die Landwirtschaft bei anderen Dingen zu unterstützen, etwa bei Maßnahmen zum Klimaschutz und beim Bürokratieabbau. Doch Hüllen „weiß nicht, wie das aussehen soll“. Ein ganz klein bisschen Hoffnung hat er noch, zumal er wohl mittlerweile verinnerlichte, dass Diesel binnen drei Jahren abgeschafft sein soll. Hüllen „Ich hoffe nun, dass es irgendwie kompensiert wird. Ich weiß nicht wie, es muss aber etwas kommen, eine Leistung für unseren Beitrag als Bauern zum Tierwohl vielleicht oder irgendwas, was auch für uns zukunftsträchtig ist.“ Seiner Meinung nach gibt es aber keine Alternative zum Agrardiesel.

In der Menge vor dem Brandenburger Tor verloren sich die Bauern aus Wachtberg

In der Menge vor dem Brandenburger Tor verloren sich die Bauern aus Wachtberg

Aufmerksam hörte Hüllen dem Vorsitzenden des Speditionsgewerbes zu: „Er hat doch ganz Recht. Wer soll das denn alles bezahlen, wenn E-Lkw dreimal so teuer sein sollen wie Diesel-Lkw?“ Und so ist für ihn klar: „Wenn der Diesel wegkommt, müssen wir über andere Leistungen sprechen. Wir brauchen eine klare Ansage, keine Kompromisse.“ Und wenn sich da nichts bewegt? „Wenn es keinen Kompromiss gibt, den wir eingehen können, ja dann geht es weiter“, sagt Hüllen. Die Landwirte hätten ja schon gezeigt, dass sie demonstrieren können.

Bei den Fahrtteilnehmern in den beiden Doppeldeckerbussen der Kreisbauernschaft waren die Wachtberger in klar erkennbarer Minderheit. Pascal Falkenberg gehörte mit seinen 23 Jahren zu den jüngsten Teilnehmern. Er ist Auszubildender des Wiesenhofs in Werthhoven und trug auch bei der Kundgebung in Berlin mit Stolz eine Jacke mit der Werbung seines Arbeitgebers. Die Teilnahme war indes keine Arbeitszeit. Der junge Mann hat sich extra Urlaub genommen, um in Berlin dabei zu sein.

Delegation aus Bornheim kam mit dem Kleinbus

Zusammen mit einigen befreundeten Berufskollegen aus Bornheim und Euskirchen ist auch Landwirt Norbert Pesch (60) aus Bornheim-Brenig in der Nacht zu Montag im Kleinbus zur großen Demonstration nach Berlin gefahren. Für ihn war es die erste Berlinreise und nach den Demonstrationen im Januar 2024 in Köln und in Bonn seine inzwischen dritte Teilnahme an einer Demonstration diesem Jahr. „In meinem ganzen bisherigen Leben bin ich nicht so oft auf die Straße gegangen“, merkt er an. Nie zuvor habe er auch den Eindruck gehabt, dass der Protest so wichtig ist. „Es kann doch nicht sein, dass die Landwirte, die etwa ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, jetzt rund fünf Prozent der Einsparsumme der Bundesregierung aufbringen müssen“, kritisiert er.

In meinem ganzen bisherigen Leben bin ich nicht so oft auf die Straße gegangen
Norbert Pesch, Landwirt aus Bornheim-Brenig

Damit spielt Pesch auf die Subventionen beim Agrardiesel an, die schrittweise abgebaut werden sollen. In diesem Jahr um 40 Prozent, in 2025 und 2026 um jeweils 30 Prozent – mit dem Ziel, dass es für den Dieselverbrauch im Jahr 2026 dann keine Steuer-Rückvergütung mehr gibt. Knapp 50 Meter habe er von der Bühne entfernt gestanden, auf der Lindner zu den Demonstranten sprach. Und der habe wirklich richtig laut in das Mikrofon hineingesprochen. „Doch die meisten seiner Worte sind gar nicht bis zu uns durchgedrungen“, berichtet Pesch. Lindner habe immer weiter sein Programm heruntergesprochen, während Buhrufe und Pfiffe immer lauter wurden. „Und das waren nicht nur die Landwirte“, so Pesch. Es habe ihn verwundert, dass so viele verschiedene Berufsgruppen – etliche Handwerker, Lkw-Fahrer, Spediteure und Gastonomen – an dieser Demonstration teilgenommen haben. Es habe eine große Solidarität untereinander gegeben.

„Das Zusammengehörigkeitsgefühl war sehr groß“, erklärt er. Aus reiner Solidarität hätten sich sogar zahlreiche Berliner Bürger dem Protestzug angeschlossen. „Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dieser Regierung scheint riesengroß“, gibt Pesch zu bedenken. Wie die meisten seiner Kollegen ist Pesch entschlossen, die Proteste fortzusetzen, bis alle Kürzungen zurückgenommen sind. „Wir haben schon angekündigt, dass wir auch wiederkommen – nach Berlin“, so Pesch.

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