Alben-RezensionHeino singt jetzt Ballermann-Hits – So ist „Lieder meiner Heimat“

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Das Bild zeigt den Sänger Heino

Mit gecoverten Ballermann-Hits tritt Heino nun an.

Ballermann statt Wacken: Auf seinem neuen Album spielt der Teilzeit-Bad-Münstereifeler Heino Niveau-Limbo und covert Mickie Krause und Co.

Machen wir uns nichts vor. Schon vor zehn Jahren war Heino nicht ironisch. Da hat er auf „Mit freundlichen Grüßen“ eben Die Ärzte, Peter Fox, Absolute Beginner, Die Fantastischen Vier und auf der Bonus-Edition sogar Tocotronic gecovert. Die gelten immerhin als anspruchsvoll. Und natürlich Rammstein, mit denen er dann beim Wacken-Festival auftrat.

Schon damals war klar: Heino mag zwar jetzt Lederjacke und Totenkopf-Ringe tragen und wird, vor allem vom Boulevard, als Heavy-Metal-Sänger tituliert. Doch die Musik sprach eine andere Sprache. Bläser, Glockenspiele, dazu das gerrrrrrollte R. Heino hätte nicht weiter entfernt sein können von dem, was Heavy Metal ausmacht (zumal er ja doch meist Pop, Rap oder Rock coverte). Ein Totenkopf macht eben noch keinen Metalhead aus einem – noch nicht mal einen guten Piraten.

Musik für Oktoberfeste, Après-Ski-Partys und den Ballermann

Nun sind zehn Jahre vergangen, Heino wird im Dezember 85, wohnt derzeit hauptsächlich in Kitzbühel und nicht in der Stadt Bad Münstereifel, deren Ehrenbürger er ist, weil das ehemalige Kurhaus, in dem er mit Hannelore eine Wohnung besitzt, seit Jahren renoviert wird. Und er will jetzt offenbar auch den Ballermann erobern. Oder zumindest die Festzelte bei den Oktoberfesten. Oder die Après-Ski-Partys seiner Wahlheimat Österreich.

Auf seinem neuesten Album, dem vor ein paar Tagen erschienenen „Lieder meiner Heimat“, covert er erneut. Die Künstler sind aber am anderen Ende der Niveauskala angesiedelt: Mickie Krause, Lorenz Büffel, die Zipfelbuben, Almklausi und Specktakel. 

Der Blonde mit dem Toupet singt von „Zehn nackten Friseusen“

Wohin die Reise geht, zeigt das Video zu „Zehn nackte Friseusen“. Heino sitzt auf einem Frisierstuhl, Frauen tanzen, mit Fön bewaffnet, in Dessous umher – und natürlich auch ein langhaariger Mann mit freiem Oberkörper für die woke Zielgruppe. Obwohl: Die gendern ja, und folglich hat man „denen ins Gehirn geschissen“, wie Heino sich am Dienstag im Fernsehen äußerte. Und am Ende sitzt der Blonde mit dem Toupet inmitten dieser Damen, die ihn umtänzeln. Ein seltsamer Anblick.

Thomas Schmitz

Thomas Schmitz

Lokalsportkoordinator in der Redaktion Euskirchen. Außerdem kümmert er sich um die Stadt Bad Münstereifel. Er war von Herbst 2004 bis Mitte 2014 bereits in der Euskirchener Redaktion als Digitaljourna...

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Man weiß in dem Moment nicht, was irritierender ist: Dass ein fast 85-Jähriger Songzeilen wie „Es gibt 50.000 Weiber, die haben einwandfreie Leiber“ intoniert, gepaart mit den Vexierreimen, die bewusst die Schlüpfrigkeiten weglassen, damit sie nur im Kopf des Rezipienten stattfinden? Dass Damen in Bikinis um ihn herumscharwenzeln? Oder die Musik, die mit Akkordeon-Sound und dem Mid-Tempo nicht weiter weg sein könnte davon zu ballern, wie ein Eimer Sangria?

Der Ballermann-Hit: Druckvoller Beat für die Druckbetankung

Man kann Ballermann-Hits vieles vorwerfen. Dass sie textlich ein höchst zweifelhaftes Frauenbild aufzeigen. Dass sie musikalisch simpel sind. Aber sie erfüllen ihren Zweck. Druckvoller Beat für die Druckbetankung. Das fällt bei Heino weg. Das ist und bleibt Schlager und bringt musikalisch noch nicht mal den Blutdruck in Wallung.

Bestes Beispiel: „Johnny Däpp (Ich will Mallorca zurück)“. Ist das Original ein guter Song? Mitnichten. Aber es knallt. Der Beat ist allgegenwärtig. Bei Heino wird ein Schunkler daraus. „Layla“, der viel diskutierte Song aus dem Jahr 2022, wird zur Polka-Nummer. „Cordula Grün“ kommt als Slowfox daher.

„Lieder meiner Heimat“ ist zum Fremdschämen

Aber zurück zum Jugendwort des Jahres 2021: Cringe. „Lieder meiner Heimat“ ist ein musikalischer Autounfall, bei dem man nicht weghören kann. In dem Heino, vermutlich komplett unironisch, von „Olivia“ singt, die jedem ihre Brüste zeigt und mit jedem in die Kiste steigt. Das ist tatsächlich cringe, zum Fremdschämen. Aber: Ist ja nur Spaß.

Am Ende verlässt Heino den Ballermann. Singt zur Melodie von Rod Stewarts „Sailing“ „Ich bin solo“, was ihm „scheißegal“ sei (weiß Hannelore das?). Und im Titelsong, der das Album beschließt, kommt ein Textmedley mit Zeilen aus dem Album daher, intoniert zur Melodie von „An der Nordseeküste“.

Welche Heimat meint Heino? Den Ballermann oder Deutschland?

Über den Titel muss man natürlich reden. Was bedeutet „Lieder meiner Heimat“? Ist Deutschland gemeint, weil es deutsche Lieder sind? Ist die spanische Insel Mallorca gemeint, sozusagen als 17. Bundesstaat, weil es sich fast ausnahmslos um Ballermann-Hits handelt? Oder ist das viel weit gefasster? Ist das auch meine, also des Hörers Heimat? Gott bewahre! Will man so eine Heimat haben?

Nun, man kann sich über dieses Album vortrefflich aufregen, genauso, wie es wohl auch kalkuliert ist. Man kann es für vollkommen überflüssig halten, sogar für musikalischen Müll. Es wird sich aber verkaufen. Denn mit steigendem Promillegrad interessieren sich Volksfestbesucher für eines bestimmt nicht: Ironie, musikalische oder textliche Qualität. Die singen mit. Und feiern Heino, den Party-Löwen. Das musikalische Chamäleon.

Der selbst geht im Winter zuerst einmal auf Kirchentournee. „Die Himmel rühmen“ und „Die Himmel rühmen im Advent“ heißt das Programm. Da sitzt er dann auch gleich an der Quelle, um den ein oder anderen Beichtstuhl zu besuchen. Und als Buße ein paar „Ave Maria“ singen.

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