Wiederaufbau Bad MünstereifelWie es 15 Monate nach der Flut in Iversheim vorangeht

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Ist nach kurzer Bedenkzeit nach dem Hochwasser wieder nach Iversheim zurückgekehrt: Nicole Rader.

Bad Münstereifel-Iversheim – „Der Ort hat sich verändert“, sagt Nicole Rader. Nachbarn seien wegzogen, Häuser abgerissen worden. Viele ältere Iversheimer haben nach der Flut nicht den Mut gehabt, zurückzukommen. Mehr als zehn Häuser sind bereits abgerissen oder werden es noch. Auch Nicole Rader hatte überlegt, nicht an die Euskirchener Straße zurückzukehren, nicht das Haus aufwendig zu sanieren.

Nach neun Monaten zurück im eigenen Haus

„Es ist aber das Zuhause, das man gemeinsam aufgebaut hat. Es ist Heimat“, sagt sie. Ihr Mann habe sich für den Wiederaufbau ausgesprochen und sie letztlich überzeugt. Gut neun Monate nach dem Hochwasser war die Familie zurück im Eigenheim. Zwischenzeitlichen Ärger mit der Versicherung, die nicht zahlen wollte, inklusive.

Abgeschlossen sind die Arbeiten noch nicht. Sie sind aber angenehmer geworden – weil sich nun Wünsche erfüllen. Dort, wo sich am Morgen des 15. Juli 2021 fünf Autos – angespült von der Erft – stapelten, entsteht ein Regenrückhaltebecken, wie die Raders es nennen. Der Humor der Familie ist nicht von der Flut weggerissen worden. In Wahrheit entsteht nämlich, aktuell verdeckt von einer großen grünen Plane, ein Pool. Daran arbeiten die Raders derzeit täglich.

Kaputte Brücken und fehlende Erftmauer

Das schlimmste seien die kaputten Brücken und die fehlende Erftmauer. „Natürlich ist es ein komisches Gefühl, sobald es regnet. Der Schutz fehlt einfach“, sagt Nicole Rader und ist mit ihrer Meinung nicht allein.

Auch aus Sicht von Ralf Kolvenbach ist an der öffentlichen Infrastruktur zu wenig passiert. Er blickt täglich auf die Stelle, an der vor dem Hochwasser eine Fußgängerbrücke über die Erft führte. Die Brücke für Autos über die Erft gibt es noch, ist aber stark beschädigt worden. Das Geländer ist nicht mehr da. Auch ein Teil der Friedhofsmauer ist noch nicht aufgebaut worden, Gottesdienste finden im Pfarrhaus statt, weil die Kirche noch geschlossen ist – es gibt an vielen Stellen in Iversheim sichtbare Flut-Wunden. Und das wird auch so bleiben.

„Kommunikation ist verbesserungsbedürftig"

„Die Brücke muss abgerissen werden. Wann das aber passiert, wissen wir nicht“, sagt Martin Finder. Der Ortsvorsteher spricht damit unterschwellig an, was einige Iversheimer denken: Die Kommunikation seitens der Stadt sei verbesserungsbedürftig. „Wir haben alle Verständnis dafür, dass Ressourcen knapp sind, aber genau das kann man ja kundtun. Dazu einen groben Fahrplan und schon nimmt man alle mit“, so Finder.

Zurück zum Haus von Tischlermeister Kolvenbach: Wie hoch das Wasser am 14. Juli 2021 durch die Straße Am Bloch geflossen ist, verdeutlicht die Hochwassermarke, die Kolvenbach an seinem Haus in etwa drei Metern Höhe angebracht hat. „Der Zusammenhalt untereinander war immer schon gut. Seit der Flut ist er noch besser geworden“, sagt Kolvenbach. Es gibt eben unterschiedliche Aspekte, wie sich der Ort verändert hat. Der zwischenmenschliche ist nicht so sichtbar wie ein abgerissenes Haus.

Seit zwei Wochen ist Stephanie Waasem zurück in ihrem Fachwerkhaus an der Obergasse. „Die vergangenen 15 Monate sind nicht spurlos an mir vorbeigegangen“, sagt sie und wirft schon den Blick in die nahe Zukunft. Sie freue sich auf das erste richtige Weihnachten nach der Flut. Endlich wieder in ihrem Fachwerkhaus und nicht in der Übergangswohnung in Eschweiler.

Die beiden Orte trennen nur drei Kilometer Luftlinie. In Waasems Herzen sind es Welten: „Nach Eschweiler fahren, ist wie in einen fremden Ort kommen. Iversheim ist Heimat.“

Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen

Auch sie empfindet Veränderungen innerhalb des Ortes auf unterschiedlichen Ebenen. „Viele sind zusammengerückt. Noch intensiver“, sagt Waasem: „Aber man merkt den Menschen auch an, dass sie einfach durch sind.“ Das vergangene Jahr sei nicht so schlimm gewesen wie 2022. Auch, weil das Zusammenrücken an seine Grenzen kommt, wenn jeder einzelne mit dem Wiederaufbauantrag kämpft, auf Handwerker wartet oder sich über die Versicherung ärgert.

„Aus dem ’Wir schaffen das, mer stonn widder op’ ist teilweise ein Kampf gegen Windmühlen geworden. Die Nerven liegen teilweise blank“, berichtet Waasem. Während bei den Waasems ein Stück Normalität eingekehrt ist, sieht es an anderer Stelle an der Obergasse gefühlt noch so aus wie kurz nach dem 14. Juli 2021: Nur der Putz ist von den Wänden geklopft worden.

„Es gibt noch einige Häuser, die leer geräumt worden sind und wo seitdem nicht mehr viel passiert ist“, weiß Ortsvorsteher Finder zu berichten. Das wird auch beim Spaziergang durch den Arloffer Weg deutlich. Die Straße dürfte stellvertretend für viele quer durch den Kreis stehen, die stark von der Flut betroffen gewesen sind.

Das Leben ist ins Dorf zurückgekehrt

In vielen Häusern ist das Leben zurück, an manch einem erinnert nichts an der 14. Juli 2021. Bei anderen ist an der Fassade noch die Wasserlinie zu sehen, vielleicht gerade noch der Putz im Inneren des Hauses abgeschlagen. Ansonsten ist an manchen Häusern nicht viel passiert. Und dann sind da die drei Häuser, an denen nichts mehr passieren wird, weil ihr Schicksal besiegelt ist, sie abgerissen werden.

Dafür ist entlang der Euskirchener Straße in den vergangenen Wochen der Bauboom ausgebrochen. An zahlreichen Stellen wurde der Vorgarten nach der Flut auf Vordermann gebracht, neue Mauern errichtet oder ganze Häuser gebaut. Ein großes Fachwerkhaus im Bereich der Hausnummer 32, das von der Flut praktisch dem Erdboden gleichgemacht worden war, existiert hingegen nur noch auf Bildern und in der Erinnerung der Dorfbewohner.

„Ich kannte das Dorf nur mit dem Haus“, sagt Ur-Iversheimer Wilfried Schumacher. Jetzt entsteht in der langgezogenen Rechtskurve ein moderner Neubau – auch ein Zeichen, dass die Flut Orte wie Iversheim nachhaltig verändert hat, weiter verändern wird.

Gleiches gilt für den Bereich Auf dem Waasem/Am Bloch. Dort hatte das Wasser die komplette Fassade eines Fachwerkhauses weggerissen. Das Gebäude war nicht mehr zu retten, musste abgerissen werden. Die Bodenplatte für den Neubau gibt es schon.

Spielplatz ist neu aufgebaut worden

Direkt dahinter ist nach der Flut der Spielplatz komplett neu aufgebaut worden. Mit Spendengeldern in Höhe von 60.000 Euro sind die Spielgeräte finanziert worden. Schumacher, der auch ein Kümmerer ist, hat weitere Ziele: beispielsweise eine Halfpipe für die größeren, aber noch nicht ganz großen Iversheimer. „Die Spende dafür ist zweckgebunden. Aber wir haben noch weitere Spenden“, berichtet er.

Damit nicht nur einfach irgendwas gebaut wird, sondern die Jugendlichen auch Spaß daran haben, will er ihre Meinung hören. Am 18. November ab 18 Uhr hat er deshalb die Dorfjugend in den Dorfsaal zum Ideenaustausch eingeladen.

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Der Dorfsaal war schon immer so etwas wie der Treffpunkt für die Dorfbewohner. Nach der Flut war er viel mehr: Anker, Anlaufstelle, Tränenpalast, Ausgabestelle für Lebensmittel, Gummistiefel und Mahlzeiten. Direkt nebenan steht der Eifeler Hof. Eine Herzensangelegenheit von Finder, Schumacher und Peter Kolvenbach. Das Trio plant, die beim Hochwasser teilweise zerstörte Gaststätte als Genossenschaft wieder aufzubauen und zu verpachten.

Doch das Projekt ist ins Stocken geraten, weil Unterlagen nicht aufzufinden waren, Baugenehmigungen beantragt werden müssen. Die ursprünglich geplante Eröffnung im Frühjahr 2023 ist längst nicht mehr realistisch. Doch aufgeben wollen die drei Iversheimer keinesfalls. Die Dorfkneipe zum Dorfzentrum machen? Das ist nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Schließlich soll sich der Ort verändern – zum Positiven.

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