Haus immer noch BaustelleStotzheimer streiten sich nach der Flut mit Versicherung

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Neue Fenster sind verbaut. Doch bei der Elektrik geht es in dem Fluthaus nicht weiter. Deshalb stockt die ganze Baustelle. 

  • Bei der Staatsanwaltschaft sind 40 Anzeigen nach der Flut eingegangen.
  • Verfahren sind eingebettet in die Aufarbeitung der Flut, bei dem auch die Meldewege aufgearbeitet werden.

Euskirchen-Stotzheim – Es ist eine offene Wunde. Eine, die schmerzt. Eine, die mehr als 15 Monate nach der Flut noch die Wucht der Katastrophe sichtbar macht. Das Haus von Jamil F. und Elena Schindler in Stotzheim, nur einen Steinwurf von der Erft entfernt, gleicht nach wie vor einer Großbaustelle. „Mittlerweile wünsche ich mir, dass wir nicht versichert gewesen wären“, sagt Schindler: „Diejenigen, die Wiederaufbauhilfe beantragt haben, sind viel weiter als wir.“

Der Frust sitzt tief bei der Krankenschwester. Sie verstehe schlichtweg die Versicherung nicht. „Warum hat man einen Nachteil, wenn man seit Jahren seinen Beitrag zahlt und jetzt nur Ärger an der Backe hat“, sagt Schindler.

Schäden waren eigentlich abgedeckt

Seine Elementarversicherung hatte das Paar bei der Debeka abgeschlossen. Nach Angaben von F. sei im Versicherungsbrief verankert, dass er den Neuwert aller von der Flut zerstörten Dinge erhält, die die Gebäudeversicherung abdecke – bis zu einer Summe von 425.000 Euro.

Anzeigen gegen Landrat

Drei Wochen nach der Flut Anzeige erstattet

Etwa drei Wochen nach der Flutkatastrophe erstattet Jamil F. Strafanzeige gegen Landrat Markus Ramers. Er fühlte sich nicht rechtzeitig und vor allem nicht ausreichend vor der Flut gewarnt. „Es gab Erkenntnisse vom Deutschen Wetterdienst, dass da viel Wasser vom Himmel kommt. Und am Tag selbst hätten zumindest Sirenen ertönen können. Ich habe keine wahrgenommen“, sagt F., der bis zum heutigen Tag die Anzeige nicht zurückgezogen hat.

Verfahren läuft noch

Jamil F. war nicht der einzige, der Anzeige erstattet hat. Etwa 40 Verfahren sind bei der Staatsanwaltschaft Bonn anhängig, die sich auf die Flutkatastrophe beziehen. Diese Zahl nannte Alexander Klingberg, Pressesprecher der Bonner Staatsanwaltschaft, auf Anfrage. Gegen Ramers sei – ebenso wie die Verfahren gegen andere Verantwortliche aus der Verwaltung – gleich mehrfach Anzeige erstattet worden.

Laut Klingberg liegt auch eine Anzeige gegen die e-regio als Betreiber der Steinbachtalsperre vor. Sämtliche Verfahren seien eingebettet in die Aufarbeitung der Flut, bei dem auch die Meldewege aufgearbeitet werden sollen. „Die Ermittlungen hierzu dauern noch an“, so Klingberg. (tom)

Doch die Debeka stelle sich bei den Kostenvoranschlägen für den Elektriker quer. Drei Kostenvoranschläge hat F. nach eigenem Bekunden eingereicht – in einer Preisspanne von 70.000 bis 105.000 Euro. „Ich hatte ein voll ausgestattetes Smarthome. Hier war elektrisch und digital alles miteinander verbunden. Das kostet eben Geld“, so F.

Geld, das die Versicherung so nicht bezahlen will. Sie hat einen eigenen Gutachter zum Haus von Jamil F. und Elena Schindler geschickt. Und laut Schindler einen Elektro-Schaden in Höhe von 57.000 Euro festgestellt.

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Mehr als ein paar Rohre für die Heizung liegen nicht im Keller. Auch, weil die Versicherung die Elektro-Kostenvoranschläge nicht akzeptiert. 

In dieser Summe sei der Batteriewechsler der Photovoltaikanlage in Höhe von 18.000 Euro inklusive. Bleiben also 39.000 Euro für die komplette Elektrik. „Dafür bekommt man heute kein Haus mehr mit Strom ausgestattet – schon mal gar nicht ein Smarthome mit Photovoltaik und allem, was dazu gehört“, so Bauleiter Christoph Roitzheim: „Alles krankt daran, dass der Elektriker nicht anfangen kann.“

Debeka beruft sich auf neutralen Sachverständigen

Sobald dieser anfangen könne, gehe alles recht schnell. „Wir wären – wenn wir heute anfangen könnten – im Mai fertig“, so Roitzheim. Doch die Arbeiten ruhen. Und werden das wohl auch weiterhin. Der Grund: Die Fronten zwischen Debeka und Versicherungsnehmer sind verhärtet.

„Nach den Feststellungen des Sachverständigen sind nicht alle vom Fachbetrieb angebotenen Kosten zur Schadensbeseitigung erforderlich“, sagt Lena Jacoby, Pressereferentin der Debeka, auf Anfrage dieser Zeitung. Die Versicherung habe zur Feststellung des Schadens einen „neutralen, öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen“ eingeschaltet, der spezialisiert auf Elektroinstallationen sei.

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Auch 15 Monate nach der Flut ist das Haus von Elena Schindler und ihrem Mann eine Großbaustelle. 

„Wir haben keine Zweifel an der Richtigkeit seiner Feststellungen“, so Jacoby: „Die von dem Gutachter festgestellten Kosten erstatten wir zum Neuwert.“

Damit wollen sich Jamil F. und seine Frau aber nicht zufriedengeben. Schließlich beträgt die Differenz zwischen dem höchsten Kostenvoranschlag und der angebotenen Versicherungsleistung gut 50.000 Euro. „Wir haben ein Premiumversicherungspaket. Was ist an diesem Angebot denn Premium?“, sagt der Berufssoldat, der mit seiner Frau nun in der Mechernicher Kaserne untergekommen ist und bis vor kurzem bei Bekannten gelebt hat.

Schiedsverfahren angeboten

Die Versicherung bietet dem Ehepaar eine Art Schiedsverfahren an. „Entgegenkommenderweise schlagen wir für die Elektroarbeiten die Durchführung des bedingungsgemäßen Sachverständigenverfahrens nach A 17 der dem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen (Debeka VGB 2017) vor“, heißt es in einem Schreiben der Versicherung, das der Redaktion vorliegt.

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In den Keller kommt man aktuell nur über eine Nottreppe. 

Danach ernenne jede Partei ihren Sachverständigen. Jeder Sachverständige übermittele seine Feststellungen beiden Parteien gleichzeitig. „Weichen die Feststellungen der Sachverständigen voneinander ab, übergeben wir sie unverzüglich dem Obmann. Dieser entscheidet über die streitig gebliebenen Punkte“, erklärt Debeka-Pressereferentin Jacoby.

Urteil des Obmanns ist bindend

Die Feststellungen der Sachverständigen bilden dabei die Grenzen für den Entscheidungsspielraum des Obmanns. „Die Feststellungen des Obmanns sind für die Vertragsparteien verbindlich“, so Jacoby. Die Debeka trage die vollständigen Kosten des Verfahrens.

Ob sich F. darauf einlassen wird, steht nach eigenem Bekunden noch nicht fest. Auch, weil er sich aus seiner Sicht deutlich schlechter stehen könnte, als mit dem vorliegenden günstigsten Kostenvoranschlag.

Mehr als 100 Stunden in die Programmierung investiert

Er habe nicht nur in die Hardware der Technik investiert, sondern als gelernter IT-Ingenieur mehr als 100 Stunden in die Programmierung seines Smarthomes gesteckt. „Ich habe das Gefühl, dass der Gutachter der Versicherung und die Versicherung selbst keine große Ahnung von moderner Technik haben“, so Jamil F.

Der Gutachter habe sich eher an der Frage aufgehalten, ob da eine Dreifach- oder eine Zweifachsteckdose verbaut gewesen wäre. Und den Stand des Hausbaus 2005 zugrunde gelegt und nicht den vom 14. Juli 2021.

Und noch etwas stört Jamil F. an den Berechnungen des Gutachters: „Die Schalter und Steckdosen, die oberhalb der Wasserlinie sind, müssen dem Gutachter zufolge nicht ausgetauscht werden. Meine Experten sagen, dass die komplette Leitung erneut werden muss.“

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Der Frust und der Ärger über seine Versicherung sei kaum noch in Worte zu fassen, sagt der Berufssoldat. Von seinem Arbeitgeber ist der Stotzheimer mehr oder weniger freigestellt, um sich um die Renovierung seines Hauses kümmern zu können.

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