22 Millionen EuroWindpark in Rohr-Reetz erzeugt mehr Strom als Gemeinde verbraucht

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Windpark Rohr-Reetz

In 160 Metern Höhe: das Ansetzen eines Flügels an die Nabe des Rotorturms im neuen Windpark Rohr-Reetz.

Blankenheim-Rohr-Reetz – „Wir machen uns unabhängig!“ Der Slogan prangte unübersehbar auf dem Transparent im Festzelt bei der Vorstellung des neuen Windparks der EWP Rohr-Reetz GmbH & Co. KG. Vier jeweils 230 Meter hohe Enercon-138-Windkraftenergieanlagen werden hier 46 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr erzeugen.

Nach Dahlem und Schleiden werde die Gemeinde Blankenheim „die dritte Kommune im Kreis Euskirchen, die mehr Energie erzeugt, als sie verbrauchen kann“, freute sich Landrat Markus Ramers beim Festakt über die weiter wachsende „grüne Energiebilanz“ im Kreis. Tatsächlich kann die EWP GmbH & Co. KG – hinter der der regionale Energieversorger e-regio aus Euskirchen und die CATH Windenergie GmbH & Co. KG aus Mendig stecken – zusammen mit einer fünften Windkraftenergieanlage (WEA) in Blankenheimerdorf aus dem Jahr 2021 schon 58 Millionen kWh grünen Strom erzeugen.

Das ist ein gutes Viertel der aktuell rund 200 Millionen kWh Öko-Strom, die der Energieversorger derzeit ins Netz und zu den Kunden einspeist. Insgesamt handelt e-regio mit 400 Millionen KWh Strom.

Sechs Jahre Planung, 22 Millionen Euro investiert

Im Festzelt am Rande des neuen Windparkgeländes war die Stimmung bei den Verantwortlichen entsprechend gut – und man war auch sichtlich erleichtert – nach Abschluss der 22-Millionen-Euro-Investition. Die Planungen hatten immerhin sechs Jahre gedauert.

Baubeginn der vier Fundamente für die jeweils 230 Meter hohen Rotoranlagen, deren Nabenhöhe bei 160 Metern liegt, war im November 2020. Neben den bestehenden zwei kleineren Anlagen des Herstellers Vestas aus dem Jahr 2002 und einer von Enercon aus 2016 sollte der zweite Windpark, den e-regio neben den sechs Anlagen im Bürgerwindpark Schleiden betreibt, nun mit vier neuen WEA gebaut werden.

Windpark-Verantwortliche

Im Juli ist der Windpark ans Netz gegangen: (v.l.) Stefan Dott (e-regio), Landrat Markus Ramers, Bürgermeisterin Jennifer Meuren, Projektleiterin Nina Köth (e-regio) und Markus Böhm (e-regio).

„Mit der zunehmenden Höhe der Rotortürme steigt zwar die Effizienz, es sinkt aber auch die Zustimmung der Bevölkerung“, erinnert sich e-regio-Geschäftsführer Markus Böhm. So habe man in vielen Bürgergesprächen versucht, Vorurteile zu beseitigen.

Das sei aber nicht immer gelungen. Dennoch waren im Februar 2021 alle Fundamente gelegt, als eine Klage der Naturschutzinitiative (NI) die Arbeiten für zehn Tage stoppte.

Genehmigungsverfahren seien zu lang

Sechs Monate dauerte die Bauunterbrechung wegen beschädigter Zuwege für die Tieflader-Transporte, etwa auf der A 61, nach der Juli-Flut 2021. Ein Jahr später gingen alle vier neuen WEA ans Netz.

Naturschutz

Ausgleichsmaßnahmen

Wer öffentlichen Boden versiegelt, muss Ausgleichsflächen schaffen. Das gilt auch für den neuen Windpark zwischen Rohr und Reetz. In diesem Fall wird der Betreiber im Umfeld „Lerchenfenster“ mit begleitenden Blühstreifen anlegen. Die neuen kleinen Schutzgebiete dienen als Anflugflächen sowie Nist- und Brutplätze.

Zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen werden in Zusammenarbeit mit der Forstverwaltung der Gemeinde geschaffen. Alte Laubbäume, die für eine forstwirtschaftliche Nutzung vorgesehen waren, sollen nicht abholzt werden, sondern im Ökosystem bleiben. E-regio zahlt der Gemeinde den wirtschaftlichen Ausfall. (sli)

Artenschutz

Mehr als  ein Jahr dauerten die nötigen Artenschutzprüfungen im Vorfeld. Um den Rotmilan zu schützen, wird auf den Feldern des Windparkgeländes künftig Winterweizen angebaut: Kommen die Milane aus der Winterpause im Süden zurück, finden sie im dann hochstehenden Getreide schlechter Beute, sie suchen woanders – so der Plan. Gleich nebenan soll auf rund 26 Hektar dafür auf den Feldern das neue Jagdgebiet für Rotmilane entstehen – mit Mähgarantie. Ähnlich ausgeklügelt ist das Schutzkonzept für Fledermäuse. Temperatur- und Windsensoren ermitteln Flugzeiten der Tiere und lösen eine Abschaltung  aus. Alle Rotorenblätter stehen still, wenn es der Schattenwurf notwendig macht – das gilt zudem für  Mülheimer Mühle und Randbereiche von Rohr. Nötige Abschaltzeiten wegen des Sonnenstands wurden mit Computermodellen berechnet. Zudem werden die Höhenbefeuerungen der neuen Rotoren nachts weniger häufig blinken. Eine neue gesetzliche Regelung erlaubt eine Aktivierung über einen Transponder, wenn sich Flugzeuge nähern. (sli)

„Die Zeit bis zur Genehmigung und zum Baubeginn hat auch unseren Gemeinderatsmitgliedern und der Verwaltung viel abverlangt“, erinnerte Bürgermeisterin Jennifer Meuren an die Baugeschichte. Landrat Ramers mahnte vor diesem Hintergrund: „Die Genehmigungsverfahren sind einfach zu lang und zu kompliziert. Bund und Land müssen nachsteuern, wenn wir die ambitionierten Ziele erreichen wollen.“

e-regio hat große Ziele

Das war an diesem Tag das übergeordnete Stichwort, denn e-regio will dabei helfen, dass sich die Region „unabhängig“ macht, so das Motto des Tages auf dem Transparent im Festzelt. Die nach Einschätzung des e-regio-Geschäftsführers Stefan Dott ohnehin nötige Transformation der Energieversorgung sei durch die Klima- und vor allem die Energiekrise mit Beginn des Ukrainekrieges durch Russland beschleunigt worden.

„Wir wollen bis 2045 zwischen Eifel und Rhein mehr erneuerbare Energie produzieren, als wir verbrauchen können, und die Region so klimapositiv machen“, so sein Versprechen. Den massiven Ausbau erneuerbarer Energien auch durch große Freiflächen-Fotovoltaikanlagen, der auf ertragsschwachen landwirtschaftlichen Flächen und auf Privatgrund deutlich erleichtert werden soll, hat er dabei eingeplant.

Und schon in 13 Jahren, bis 2035, soll der Strom für die e-regio Kunden zu 100 Prozent Ökostrom sein. Bis 2040 soll mit Erdwärme, grünem Wasserstoff und Energieeffizienz zudem in der Region ausschließlich klimaneutrale Wärme angeboten werden.

Ein gewisser Restanteil an Erdgas ist allerdings erst einmal weiter zur Energieversorgung nötig. Nach Dotts Angaben hat sich der Prozentsatz von Gas aus russischen Pipelines derzeit auf „unter zehn Prozent“ reduziert.

Gemeinde Blankenheim will Anteilseigener werden

Im neuen Windpark zwischen Rohr und Reetz war angesichts dieses Fahrplans Näherliegendes eher das Thema. So will die Gemeinde Blankenheim mit zehn Prozent Anteilseigner des Windparks werden.

Die erwartete hohe Rendite soll etwa dem Bau von Kindertagesstätten zugute kommen, so Bürgermeisterin Meuren. Zudem soll eine Bürgerbeteiligung über Vorzugsscheine über die Bürgerenergiegenossenschaft Eegon Eifel möglich sein.

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5000 Euro bekommt die Gemeinde Blankenheim künftig pro Jahr noch obendrauf: 1000 Euro für jede neue WEA und die schon bestehende in Blankenheimerdorf. Das Geld soll an die Vereine im Gemeindegebiet für nachhaltige Projekte weitergeleitet werden. Man komme, so e-regio-Geschäftsführer Markus Böhm, der in Freilingen lebt, eben aus der Region und stehe dazu.

Der neue Windpark wird am Sonntag, 18. September, von 11 bis 17 Uhr der Öffentlichkeit vorgestellt. Beim „Windparkfest“ gibt es ein Unterhaltungsprogramm für Groß und Klein mit „Uwe Reetz und Kindern“ um 14 Uhr, einem Konzert der Jazzband BraZZanova um 15.30 Uhr und Windparkführungen. Alle Einnahmen aus dem Getränke- und Kuchenverkauf gehen an den Förderverein für tumor- und leukämiekranke Kinder Blankenheimerdorf.

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