1430 FestmeterWarum die alten Bäume im Blankenheimer Tiergarten-Wald gefällt werden sollen

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In einem Wald sind ein gelbes und ein blaues Band um einen Stamm gebunden. Sie markieren, dass der Baum gefällt wird.

Ein blaues und ein gelbes Band signalisieren es: Dieser Baum wird bald schon aus Verkehrssicherungsgründen gefällt werden müssen.

In dem beliebten Erholungsgebiet nahe der Burg Blankenheim werden bis 2026 umfangreiche Fällaktionen geplant.

Dem historischen, 10,25 Hektar großen Tiergarten-Wald oberhalb der Burg Blankenheim geht es an den Kragen. 1430 Festmeter Holz sollen bis zum 30. September 2026 geschlagen werden. Schon erste Markierungsmaßnahmen an Bäumen führten im November 2021 zu einem derart gewaltigen „Shitstorm“ in den Sozialen Medien, dass die Verwaltung die Pläne zunächst stoppte. Jetzt hat der Fachausschuss beschlossen: Der Stopp ist aufgehoben, die Baumentnahmen können beginnen.

Intensiv diskutierten die Mitglieder des Ausschusses für kommunale Betriebe die Maßnahme bei einem Außentermin im Tiergarten-Wald, der seit 2004 im Besitz der Gemeinde ist. Hierhin hatten sie Martin Ritterbach, Betriebsleiter des gemeindlichen Forstbetriebs, und Revierförster Tobias Peulen geführt.

Maria Sigel-Wings will das historische Erbe schützen

Das ist unser historisches Erbe. Das müssen wir schützen“, machte Maria Sigel-Wings (Grüne) klar. Schon die Vorstellung der vorgesehenen Menge führte unter dem grünen Laubdach der bis zu etwa 150 Jahre alten Rotbuchen und bis zu rund 140 Jahre alten Fichten zu ungläubigem Staunen einiger Politiker. Sie hatten beim Gang durch das schöne Grün vereinzelt gelbe und blaue Bänder um Baumstämme entdeckt: Es sollen derzeit 13 Doppelmarkierungen sein. Diese Bäume sollten umgehend gefällt werden, da Astbruchgefahr besteht.

In einem großen Holzrahmen sind verschiedene Kacheln mit Wald-Motiven. Damit können Kinder ein Wald-Memory spielen.

Ein Waldmemory für Kinder gehört zur Spieleausstattung im Tiergarten.

Warum noch viel mehr Fällungen nötig sind? Der Tiergarten ist als Wirtschaftswald klassifiziert. Doch zugleich ist er dank der von der Gemeinde und durch Bürgermeisterin Jennifer Meuren ausgestellten Genehmigungen auch als Spielplatz, etwa für in der Jugendherberge auf der Burg gastierende Schulkassen, zugelassen: Durchs Grün tollen, „Waldmemory“ spielen oder Holznester bauen ist genauso möglich wie   einen kleinen Lehrpfad zu entdecken und anderes mehr. Zudem führen ein halbes Dutzend Wanderwege durch den Tiergarten. Kurz: Der Wirtschaftswald ist zugleich ein beliebtes Erholungs- und Freizeitgebiet. Das kann nur zu Konflikten führen.

Förster Tobias Peulen erklärt die Hintergründe der geplanten Fällungen

Mitten in diesem Nutzungskonflikt steht Revierförster Tobias Peulen. Er muss den nötigen Generationswechsel im Wald vorantreiben, die Entnahme alter, kranker oder eben aus Ertragsgründen zu fällender Bäume organisieren, Neuanpflanzungen vornehmen lassen und den Waldumbau in Richtung Klimawandel resistente Arten sowie die Herausnahme von vom Borkenkäfer befallenen Exemplaren überwachen.

Passiert da etwas, dann hafte ich persönlich und nicht die Gemeinde Blankenheim.
Tobias Peulen, Revierförster

Vor allem aber muss er immer ein besonderes Augenmerk auf die Verkehrssicherheit haben. „Passiert da etwas, dann hafte ich persönlich und nicht die Gemeinde Blankenheim“, so Peulen. Tatsächlich kommt es auch im Tiergarten immer mal wieder zu Astbrüchen, im Kronenbild zeichnen sich für den Experten erkennbar mittelfristige Problemfälle ab.

Das Bild zeigt den Förster Tobias Peulen, der einer Gruppe Menschen im Wald etwas erklärt.

Die geplanten Fällungen erläuterte Revierförster Tobias Peulen den Politikern.

Peulen fasst zusammen, was den Konflikt der Interessen auslösen dürfte: In zwei Hiebmaßnahmen sollen allein 1305 Festmeter – das sind 54 Prozent des gesamten Bestandes – der alten Rotbuchen gefällt werden. Ziel ist die Weiterführung der begonnenen Naturverjüngung mit Überschirmung der nachwachsenden Baumgeneration. Komplett gefällt werden sollen zudem die   alten Fichten, was 25 Festmeter ausmacht.

Fichten im Blankenheimer Tiergarten sind von Rotfäule befallen

Die Fichten, so Peulen, seien von der Rotfäule befallen: „Dadurch geht von ihnen ein erhöhtes Gefährdungspotential aus.“ Zum Dritten werden alle Eschen gefällt. Sie leiden unter dem Eschen-Triebsterben und sind   schon im Absterben begriffen. Viertens sollen bei den 99-jährigen Rotbuchen in zwei Durchgängen 35 Festmeter eingeschlagen werden, bei jüngeren Rotbuchen und Bergahornen weitere 25 und 20. Die Erträge   werden auf rund 9000 Euro pro Jahr berechnet.

Es macht keinen Sinn, wenn wir am Ende einen wirtschaftlich aufgestellten Wald haben, der unseren Gästen aber nicht gefällt.
Günter Schäfer, SPD

Das alles verfehlte bei den Politikern seine Wirkung nicht. Zwei Fraktionen kündigten sofort an, dem so nicht zustimmen zu wollen: neben Bündnis 90/Grüne die SPD. Sozialdemokrat Günter Schäfer gehen die Pläne schlicht zu weit: „Es macht keinen Sinn, wenn wir am Ende einen wirtschaftlich aufgestellten Wald haben, der unseren Gästen aber nicht gefällt.“

Könnte eine Umwidmung als Park die Lösung sein?

Martin Ritterbach warb um Verständnis: „Natürlich ist das für uns ein Spagat. Das ist uns doch bewusst. Die Verkehrssicherheit im Bestand und die neue Waldgeneration, an die Wirtschaftlichkeit denken, auch an die Belange des Tourismus – das ist schwierig.“ Jedenfalls könne man den Tiergarten nicht sich selbst überlassen, die Verkehrssicherheit sei so nicht gegeben, so Förster Peulen. Dafür sei schlicht die Nähe zum Ort zu groß, die touristische Nutzung zu intensiv. Da helfe im Notfall wohl nur eine Zonierung oder Absperrung von Teilbereichen.

Bezogen auf die Wirtschaftlichkeit machte Ritterbach eine Bemerkung, die vielleicht noch eine Rolle spielen könnte: „Wenn es um die Erträge geht, sind andere Standorte im Gemeindegebiet wesentlich attraktiver und wichtiger.“ Was also, wenn man den Tiergarten zum öffentlichen Park umdeklarieren würde?

Der Fachausschuss fand gegen die Stimmen von Grünen und SPD einen Beschluss, der die Sachlage für Ritterbach und Peulen nicht einfacher machen und das Problem kaum lösen wird. Das Holzeinschlagprogramm kann beginnen. Bei der Umsetzung aber sollen auf jeden Fall touristische Belange den wirtschaftlichen Interessen gegenüber vorgezogen werden. Ein Antrag von Maria Sigel-Wings, eine Entscheidung zu vertagen, wurde mehrheitlich abgelehnt.


Pädagogisch wertvoll

„Das Spielen im Wald ist pädagogisch absolut sinnvoll“, findet Nicole Reischel von „Eifelzeit“ aus Dollendorf, einem Anbieter erlebnispädagogischer Programme für Kinder und Kooperationspartner der Gemeinde Blankenheim. Mit 60 Kindern einer Grundschule aus dem Rheinland ist sie an diesem Tag im Tiergarten unterwegs, es werden unter anderem Holznester gebaut.

Das Bild zeigt die Pädagogin Nicole Reischel.

Für Nicole Reischel ist das Spielen im Wald für Kinder pädagogisch sehr sinnvoll.

Dass sie die Gruppe inklusive Lehrerinnen in den Tiergarten führen darf, erlaubt ihr eine Genehmigung der Gemeinde. „Gerade für Kinder aus den Ballungsgebieten ist das ein besonders Erlebnis, im Wald zu sein“, so die Pädagogin: „Es ist für sie oft das erste Mal überhaupt. Zudem ist das auch für das soziale Miteinander der Kinder wichtig. Sie lernen, in ihren Spielgruppen zusammen zu sein und Verantwortung zu übernehmen.“ (sli)

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