Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Open-Air-BoxenBotan Göcmen gewinnt seinen schwersten Kampf in Großbüllesheim

4 min
Zwei Jugendliche kämpfen in einem Boxring, der draußen liegt. Einer der beiden schlägt in Richtung des Kopfes des anderen.

Musste sich geschlagen geben: Der Euskirchener Mohammed Ansari (r.) verlor gegen Jussuf Azizi aus Osnabrück nach Punkten.

Bei dem Event der Sportfreunde Wüschheim-Büllesheim traten auch geflüchtete Jugendliche aus der Ukraine an, die Botan Göcmen trainiert.

Die sportliche Laufbahn, die Botan Göcmen seit seiner Jugend verfolgt und im vergangenen Monat beendet hat, hätten selbst Drehbuchautoren aus Hollywood kaum spannender schreiben können. Bereits im Alter von 13 Jahren stieg der Euskirchener zum ersten Mal in einen Boxring, damals noch, um seine angestauten Aggressionen loszuwerden. „Ich war jung und wild und habe im Sport ein Ventil gefunden, mit dem ich mich richtig auspowern konnte.“ Er fand Anschluss in einem Boxverein und schaffte es so, sein Temperament durch den Wettbewerb zu kontrollieren.

In seinem eigenen Klub namens „Fit and Fight“ gibt der heute 41-Jährige diese Lektion mittlerweile an die Euskirchener Jugend weiter. Die durfte nun zum wiederholten Male zeigen, was sie gelernt hat, und sich bei einer Open-Air-Boxveranstaltung in Großbüllesheim mit Gegnern aus ganz Deutschland messen. „Wir haben teilweise Kinder im Verein, die ganz allein mit elf Jahren vor dem Krieg in der Ukraine hierher geflüchtet sind. Es macht mich stolz, diese Kids auf die richtige Bahn zu führen und sie mit dem Sport von der Straße wegzubekommen.“

Sportfreunde Wüschheim-Büllesheim unterstützten Open-Air-Boxen

Unterstützung bei der Organisation des Turniers erhielt der Weltmeister im Kickboxen sowie mehrfache deutsche und Europameister im Boxen erstmalig auch durch die Sportfreunde Wüschheim-Büllesheim. „Unter dem Motto ‚Sport verbindet‘ haben wir das Box-Event in unsere Sportwoche integriert, um die Fußball- und die Boxwelt näher zusammenzubringen“, erklärte Vereinsvorsitzender Patrick Juffing-Greuel. „Viele der Besucher kommen zwar regelmäßig zu unseren Spielen, haben aber noch nie einen Boxkampf live erlebt. Heute vermischt sich das Publikum, und die Stimmung ist einfach großartig.“

Der Boxer Botan Göcmen steht im Ring und hat seine Töchter Medya (l.) und Awesta im Arm-

Staffelstab weitergegeben: Botan Göcmen mit seinen Töchtern Medya (l.) und Awesta, die selbst boxt.

Zwei Trainer stehen an einem Boxring und rufen.

Die Trainer spornten die Athleten zu Höchstleistungen an.

Rund 650 Zuschauer bejubelten die insgesamt 26 Kämpfe, bei denen sich Amateure und Profis aus den Jugend- und Eliteklassen im Ring gegenüberstanden. Zwar hatten sich die meisten Gäste bei hochsommerlichen Temperaturen auf die vom Ring etwas weiter entfernten Plätze im Schatten zurückgezogen, dennoch ließen sie sich immer wieder von den spannenden Duellen mitreißen.

Insgesamt 18 der am Wettkampf beteiligten Athleten stammten aus Botan Göcmens „Fit and Fight“-Club und sorgten mit teils überragenden Leistungen für lautstarken Jubel. So gelang es Oguzhan Isitmen, sich bereits in der ersten Runde gegen seinen Konkurrenten Christoph Hut durchzusetzen, während sich Mohammed Ansari und Natalie Bongartz ihren Gegnerinnen und Gegnern nur knapp nach Punkten geschlagen geben mussten.

Botan Göcmen kämpfte sich zu „selbstgewählten Abschluss“

Den Höhepunkt des Abends bildete jedoch das Duell von Botan Göcmen selbst, der sich zum letzten Mal in seiner Karriere einem Kontrahenten im Wettkampf stellte und damit ein bewegendes Kapitel, das eigentlich bereits seit April 2023 beendet war, zu einem Abschluss brachte. Damals hatte er seine Karriere beenden wollen. Doch nur wenige Wochen später lernte er, was Kämpfen tatsächlich bedeutet.

„Eigentlich war ich vor zwei Jahren am Ende, als Ärzte in meinem Kopf sieben Aneurysmen fanden.“ Nicht nur das Boxen, sondern selbst alltägliche Dinge wie gehen oder sprechen habe er von Grund auf neu lernen müssen. „Ich wollte meine Karriere aber auf jeden Fall selbst beenden. Darum habe ich mich in den Ring zurückgekämpft und feiere heute meinen selbstgewählten Abschluss.“

Botan Göcmen schickte seinen Gegner mit technischem K.o zu Boden

In einem spannenden Zweikampf konnte Botan Göcmen in der sechsten Runde den entscheidenden Nierenhaken setzen und seinen Gegner mit einem technischen K.o. zu Boden schicken. „Es war ein Abschluss zur richtigen Zeit, da wir beide gemerkt haben, dass wir langsam in die Jahre kommen und der Körper nicht mehr so mitspielt, wie wir das von früher gewohnt sind. Die Jahre der Vorbereitung haben sich für mich aber auf jeden Fall voll ausgezahlt.“

Seine eigene Laufbahn im Ring hat Botan Göcmen beendet. Als Trainer hat er talentierten Nachwuchs auf den Weg gebracht. Mit zwölf Siegen aus zwölf Kämpfen bei den Amateuren stieg Tochter Awesta Göcmen im Alter von 14 Jahren mit einem weiteren Sieg und dem damit verbundenen deutschen Meistertitel in die Profiklasse auf. Zwar trug sie bereits in der zweiten Runde einen Cut am Auge davon, der im Anschluss mit sieben Stichen im Krankenhaus genäht werden musste.

Dennoch setzte sie sich nach Punkten auch in ihrem letzten Amateurkampf durch. „Nach 28 Jahren ist die Zeit im Ring für mich vorbei, aber ich sehe, dass meine Nachfolgerin schon bereit ist“, berichtete der 41-Jährige lachend.

Auch Gastgeber Patrick Juffing-Greuel und die übrigen Sportfreunde zeigten sich von Verlauf des Events begeistert. „Es gab spannende sportliche Wettkämpfe bei großartigem Wetter, und die Zuschauer haben bei jedem Kampf mitgefiebert.“ Zudem habe man mit dem Vorurteil aufräumen können, dass Boxen nur von aggressiven Menschen betrieben werde, und stattdessen aufzeigen können, dass es sich um engagierte Sportler handelt, die wie die Kicker auch ihrer Leidenschaft nachgehen. „Von meiner Seite aus darf es so auch in den nächsten Jahren mit einem gemeinsamen Sportfest beider Vereine weitergehen.“