„Homöopathie ist Neoschamanismus“Euskirchener Apotheker verkauft keine Globuli mehr

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„Homöopathie ist Neoschamanismus“, sagt Apotheker Gregor Dinakis.

„Homöopathie ist Neoschamanismus“, sagt Apotheker Gregor Dinakis.

Euskirchen-Stotzheim – Ciao Kakao, ihr ’Arzneimittel’.“ Mit diesen Worten verbannt Gregor Dinakis die homöopathischen Bestände aus seiner Apotheke – laut seiner Aussage symbolisch am Karfreitag, zwei Tage nach der Übernahme. Als zweiter Apotheker in Deutschland bietet er keine homöopathischen Arzneimittel mehr an – es sei denn, ein Kunde verlangt explizit danach oder ein Arzt verschreibt es. Homöopathie findet er „einfach nicht mehr zeitgemäß“, er bezeichnet sie als „Neoschamanismus“.

„Homöopathie ist wissenschaftlich einfach nicht haltbar. Die Studienlage ist vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten immer deutlicher geworden: Natürlich kann sie sich positiv auf den Genesungsprozess auswirken, aber das ist eben der Placebo-Effekt“, so der 30-Jährige. Der könne sich durch eine positive Erwartungshaltung auch auf Haustiere und Kinder ausweiten.

Ärztekammer ist vorsichtig

Vorher sei man davon ausgegangen, dass die Studienlage noch zu dünn sei, um eindeutige Aussagen zum Placebo-Effekt bei Homöopathie zu treffen. Die Ärztekammer Nordrhein bestätigt vorsichtig: „Hinsichtlich der Wirkung bzw. Nichtwirkung der Homöopathie existieren verschiedenste Studien. Namhafte wissenschaftliche Zeitschriften, führend der ’Lancet’, konnten vor allem den Placebo-Effekt darstellen.“

Hinzu kommt laut Dinakis, dass das Gesundheitssystem durchaus Lücken aufweist, die Homöopathie momentan füllt: „Unser System honoriert leider keine sprechende Medizin, dabei ist diese immens wichtig. Das ist eine Lücke im medizinischen System, die Heilpraktiker füllen, weil sie sich mehr Zeit nehmen können, als es etwa Ärzten aufgrund hohen finanziellen und damit auch Zeitdrucks oft möglich ist.“ Als Grund dafür sieht er das profitorientierte Gesundheitssystem in Deutschland. „Und dann kommt es eben dazu, dass sich Patienten auch mal schnell abgefertigt fühlen und der zusätzliche Heileffekt durch ein positives Gespräch ausbleibt“, führt er aus.

Genesungsprozess durch positive Emotionen beschleunigt

Dass sich der Genesungsprozess durch positive Emotionen beschleunigen kann, ist laut Dinakis auch wissenschaftlich bewiesen. „Ich verstehe auch nicht, warum es kein besseres Essen in Krankenhäusern gibt. Das kann den Heilungsprozess beschleunigen“, erklärt der Apotheker. Einen möglichen Heileffekt bei homöopathischer Therapie will er also gar nicht absprechen, nur dass er eben durch die homöopathischen Mittel an sich entsteht.

Der Apotheker sieht noch einen weiteren kritischen Aspekt: „Homöopathische Arzneimittel müssen lediglich registriert werden und keinen teuren Wirksamkeitsnachweis erbringen. Es reicht, wenn Homöopathen und Homöopathinnen unter sich einig sind, dass dieses Mittel für ein bestimmtes Anwendungsgebiet geeignet ist.“ Die Ärztekammer Nordrhein bestätigt: „Die meisten homöopathischen Stoffe müssen nicht zugelassen, sondern nur registriert werden. Das geschieht durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Ein Nachweis der Wirksamkeit wird dabei nicht gefordert.“

Trennung Naturheilkunde und Homöopathie

Dinakis besteht zudem auf der trennscharfen Unterscheidung von Naturheilkunde und Homöopathie. „Ich bin kein Gegner der Pflanzen- oder Naturheilkunde. Sie werden aber leider immer wieder in einem Atemzug mit Homöopathie genannt“, so Dinakis. Viele Naturheilprodukte seien aber nachgewiesen wirksam, homöopathische lediglich „fast wirkstofffreie Zuckerkugeln oder stark verdünnte Lösungen“.

Für die Apothekerkammer Nordrhein spielt bei dem Thema allerdings auch das Kundeninteresse eine Rolle: „Homöopathische Arzneimittel gehören zum klassischen Sortiment in der Apotheke und werden vielfach von den Patientinnen und Patienten nachgefragt. Die Entscheidung für diese Therapierichtung ist verantwortlich durch den Patienten mit der Beratung in der Apotheke abzuwägen.“ Laut Pressesprecher Jens Krömer steht es trotzdem jedem Apotheker frei zu entscheiden, wie sich das Sortiment vor Ort zusammensetzt.

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Gleichzeitig betont er aber auch die Verantwortung, die Apothekerinnen und Apotheker als Heilberufler tragen: „Wenn Patientinnen und Patienten homöopathische Präparate nachfragen, und selbst, wenn es nur um den Placebo-Effekt gehen sollte, dann sollte sich ein verantwortungsvoll handelnder Apotheker mit der Einstellung, der Motivation, den Bedürfnissen und den Erwartungen der Patientinnen und Patienten auseinandersetzen.“

Dinakis’ Kundschaft habe auf die Veränderung überwiegend positiv reagiert. „Bisher zeigen die Zahlen in die Richtung, die ich erwartet habe: nach oben. Darum habe ich zum 1. Juli bereits einen weiteren Apotheker eingestellt“, so der 30-Jährige.

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