Knatsch um NachwuchswerbungVereine rufen zum Boykott des ETSC auf

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ETSC Uhr

Die Uhr steht für den Euskirchener TSC auf fünf vor zwölf. Sollte die erste Mannschaft während der Saison zurückgezogen werden müssen, droht laut Spielordnung der Abstieg in die Kreisliga C. Und mit zwei Weilerswister Vereinen gibt’s massiven Ärger.

  • Der Euskirchener TSC war an Jugendspieler von anderen Vereinen herangetreten.
  • Nun werden die Jugendfußballer des ETSC von mindestens zwei Vereinen boykottiert.
  • Es gibt massiven Ärger.

Euskirchen – Es ist ein Tiefpunkt. Die Jugendfußballer des Euskirchener TSC werden von mindestens zwei Vereinen boykottiert. Der TuS Vernich und der SSV Weilerswist wollen mit einigen Jahrgängen in der Hinrunde nicht gegen die Kreisstädter antreten. Zudem will der SSV nicht an Turnieren teilnehmen, bei denen auch eine ETSC-Mannschaft gemeldet ist.

Der Grund: Der ETSC ist bereits eine Woche nach Saisonbeginn an die beiden Vereine herangetreten und hat je drei Spieler des TuS und des SSV zum Probetraining eingeladen. Das geht aus Schreiben hervor, die der Redaktion vorliegen.

Grobes moralisches Foulspiel

Für Jürgen Schwingeler, Jugendleiter des TuS Vernich, ist das ein grobes moralisches Foulspiel. „Wenn sich die Spieler in der Winterpause für einen Wechsel zum ETSC entscheiden würden, müssten wir unsere U11 aus dem Spielbetrieb nehmen“, heißt es in der E-Mail an alle Jugendleiter im Kreis Euskirchen. Darin fordert er sie zur Solidarität mit dem TuS auf.

Diese fand Schwingeler am Donnerstag beim SSV Weilerswist. „Der Zeitpunkt, am Anfang einer Saison, und die Quantität, mehrere Vereine und Spieler, sind für uns nicht hinnehmbar“ heißt es aus Reihen der SSV-Jugendabteilung. Es werde nicht nur versucht, Spieler abzuwerben, sondern auch billigend in Kauf genommen, dass eine Gemeinschaft von zehnjährigen Kindern zerstört werde, heißt es in dem SSV-Schreiben. Das Vorgehen des ETSC habe mit Fairplay nichts zu tun.

Ilyas Taha sieht kein Fehlverhalten

Das sieht Ilyas Taha, Sportlicher Leiter der ETSC-Nachwuchsabteilung, anders: „Ich habe mich mit der E-Mail an den Verein an die Vorgehensweise des DFB gehalten. Wir haben bei uns zwei Phasen eingerichtet, in der wir internen und externen Spielern erlauben, mit Genehmigungen Probetrainings zu absolvieren.“ Ziel sei es, eine bessere Kaderplanung für sich und andere Vereine zu ermöglichen.

Von der E-Mail Schwingelers an die Jugendleiter habe er Kenntnis. „Dass wir als Verein aufs Übelste denunziert werden, habe ich noch nie erlebt. Es zeigt, in welch sportlich und kommunikativ schlechtem Zustand sich der Kreis befindet“, sagt Taha.

Vorwürfe sind nicht neu

Neu sind solche Vorwürfe in Richtung des ETSC nicht. Schon seit Jahren haben kleinere Vereine die Sorge, dass die Kreisstädter ihnen die besten Talente streitig machen. Das ging zwischenzeitlich so weit, dass Vereine ihre begabtesten Kicker nicht mehr zum DFB-Stützpunkt montags ins Erftstadion schickten, weil der den Ruf hatte, nur eine Scouting-Abteilung für den ETSC zu sein.

Rein sportlich hat der ETSC schon bessere Zeiten gesehen. Erst vorige Woche musste die Fußballabteilung die A-Junioren vom Spielbetrieb zurückziehen (siehe „Ungünstiger Zeitpunkt“). Der vorläufige Tiefpunkt einer Abwärtsspirale, denn wenige Wochen zuvor waren schon die B-Junioren aus der Bezirksliga abgemeldet worden.

Keine Seniorenmannschaft zusammenbekommen

Im Sommer 2018 hatten die Kreisstädter nach dem Rückzug des Hauptsponsors keine Seniorenmannschaft zusammenbekommen. Das Unausweichliche: Rückzug der Mittelrheinliga-Mannschaft.

Was folgte, war ein Kraftakt. Denn zunächst, Ende Oktober 2018, war eine weitere Bombe geplatzt: In der Hauptvorstandssitzung habe man konstatiert, „dass keine Fußballsenioren-Abteilung mehr zustande kommt. Es wurde kein Vorstand gefunden“, sagte damals Hartwig Schulz-Holstege, kommissarischer Vorsitzender des Hauptvereins. Daraufhin setzte der Hauptvorstand die Fußball-Seniorenabteilung in den passiven Status.

Kein Wendepunkt

Wie vom damaligen Jugendleiter Dirk Esser angekündigt, wurde die Entscheidung in der Vorstandssitzung im November auf Antrag der Jugendabteilung rückgängig gemacht. Die Unterscheidung zwischen Senioren- und Jugendabteilung ist beim ETSC seitdem Geschichte, Esser nicht mehr Jugendleiter, sondern Chef der Fußballabteilung.

Wer dachte, dies sei der Wendepunkt, wurde eines Besseren belehrt. Zwar präsentierte Abteilungsleiter Esser mit Dario Paradiso im Dezember einen neuen Trainer, der mit viel Engagement und wenig finanziellem Spielraum – die suche nach einem potenziellen Hauptvorstand gestaltet sich weiter schwierig – eine neue Landesliga-Mannschaft geformt hat. Doch vom einstigen Glanz des ETSC ist nur noch wenig übrig.

Kein Konstanz im Jugendbereich

Dass der ETSC keine A- und keine B-Junioren mehr im Spielbetrieb hat und auch keine jüngeren Jahrgänge auf Verbandsebene kicken, ist bezeichnend. Von der Konstanz im Jugendbereich, von der Abteilungsleiter Esser gesprochen hat, ist wenig zu spüren. Sowohl bei den A- als auch bei den B-Junioren nahm Esser in der abgelaufenen Saison Trainerwechsel vor. Bei der U19 musste Hartmut Pitten, bei der U17 Artur Mezler gehen. Dass beide Teams nun vom Spielbetrieb zurückgezogen werden mussten, passt ins Bild.

„Der Niedergang war abzusehen. Es gab weder eine Struktur noch ein Konzept. Sämtlicher Erfolg im Jugendbereich war immer ein Erfolg des jeweiligen Trainers, nie der Arbeit der Jugendabteilung“, sagt ein langjähriger ETSC-Trainer, der nicht genannt werden möchte. Die Verantwortlichen hätten sich zu sehr auf dem guten Namen des ETSC ausgeruht und von den Netzwerken der Jugendtrainer profitiert.

„Ungünstiger Zeitpunkt“

Knapp eine Woche vor dem Saisonstart der A-Junioren-Fußballer hatte sich der Euskirchener TSC von Trainer Ulas Önal getrennt. Die Mannschaft zeigte sich mit ihm solidarisch und wollte nicht mehr für den ETSC auflaufen. So mussten die A-Junioren aus der Bezirksliga zurückgezogen werden.

„Die Tatsache, dass wir vor wenigen Tagen unsere U-19-Spieler samt Trainerteam zu einem ungünstigen Zeitpunkt verabschieden mussten, war nie unsere Zielsetzung“, sagt Ilyas Taha, Sportlicher Leiter der ETSC-Nachwuchsabteilung: „Auch nach langem Abwägen der möglichen Konsequenzen, die uns nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Trainers erwarten würde, war eine Trennung alternativlos.“

Da die U-19-Spieler laut Taha so schnell wie möglich eine neue Spielmöglichkeit finden sollten, wurden ihnen keine Steine in den Weg gelegt. Auch wenn, so der Sportliche Leiter, durchaus über eine Sperre nachgedacht worden sei – auch nach Rücksprache mit dem Fußball-Verband Mittelrhein. Ihre neue sportliche Heimat fanden Önal und die meisten seiner Spieler beim SV Bessenich, der seit dieser Saison mit dem TuS Zülpich bei den A-Junioren (U19) eine Spielgemeinschaft bildet.

Vor vier Jahren spielten die A-Junioren noch in der Mittelrheinliga, die B-Junioren sogar in der Bundesliga, die Senioren ebenfalls in der Mittelrheinliga. Der 2018 verstorbene Geschäftsführer der Fußballseniorenabteilung, Ibby Trimborn, bezeichnete den ETSC gerne als den „FC Bayern München des Kreises“. Von diesem Mia-san-mia-Selbstverständnis ist wenig übrig.

Finanzielle Rahmenbedingungen sind begrenzt

Die JSG Erft 01 hat dem ETSC im Jugendbereich den Rang abgelaufen, spielt mit allen Jahrgängen, bei denen es möglich ist, auf Verbandsebene. Wann der ETSC wieder an erfolgreiche Zeiten anknüpfen kann, steht in den Sternen.

Auch, weil die finanziellen Rahmenbedingungen seit dem Rückzug des Hauptsponsors begrenzt sind, sodass der Kader der ersten Mannschaft kaum Landesliga-Format hat. Noch ist es reine Spekulation, doch sollte die Saison nicht zu Ende gespielt werden, müsste der ETSC runter in die Kreisliga C. Das geht aus der Spielordnung des Westdeutschen Fußballverbands eindeutig hervor.

Dirk Esser irrte sich

Dirk Esser, der sich gegenüber der Redaktion nicht zu den Geschehnissen äußern möchte, hat sich jedenfalls geirrt. „Der eingeschlagene Weg ist der Richtige. Wir haben absolute Ruhe im Verein, jeder kann konzentriert arbeiten“, sagte er noch im Februar – und entließ wenige Wochen später Pitten als A-Jugend-Trainer. Dessen Posten übernahm Ulas Önal, von dem man sich gut sechs Monate später ebenfalls trennte.

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Seither gibt es nicht nur zwei Mannschaften weniger – auch Kassierer Ralf Zander hat vor drei Wochen das Handtuch geworfen. Zudem hat sich der Verein Anfang September vom Sportlichen Leiter der Senioren , Andreas Rummler, getrennt. Zu den Gründen schweigen die Protagonisten. Auf der Internetseite des Vereins war zuletzt zu lesen, dass die Jugendmannschaften nun die volle Aufmerksamkeit und bestmögliche Ausbildung erfahren sollen, um „in den nächsten Jahren durch einen attraktiven und erfolgreichen Offensivfußball zu begeistern“. Auf die Fußballer des TuS Vernich und des SSV Weilerswist muss der ETSC – Stand jetzt – dabei verzichten.

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