300 Pakete am TagWir begleiten Zusteller Jürgen Steffen bei seiner Tour in Euskirchen

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Viele seiner Kunden kennt Jürgen Steffen mittlerweile persönlich. Seit fünf Jahren liefert er in einem der fünf Zustellbezirke in der Euskirchener Innenstadt Pakete aus.

Viele seiner Kunden kennt Jürgen Steffen mittlerweile persönlich. Seit fünf Jahren liefert er in einem der fünf Zustellbezirke in der Euskirchener Innenstadt Pakete aus.

  • Pakete sortieren, scannen, in den Transporter einladen und ausliefern – so sieht ein Arbeitstag des Zustellers Jürgen Steffen aus.
  • Viele Stunden am Tag ist er vor allem jetzt in der Weihnachtszeit unterwegs, um die durchschnittlich 300 Pakete ausliefern zu können.
  • Zeit für Hobbys bleibt da kaum. Wir haben Jürgen Steffen einen Tag lang bei seiner Arbeit begleitet.

Euskirchen – Sein Hobby als Fußballtrainer musste Paketzusteller Jürgen Steffen aufgeben. Nicht nur dafür fehlt dem alleinstehenden 53-Jährigen nach seiner Tour durch einen der fünf Zustellbezirke in der Euskirchener Innenstadt die Kraft, wie der Euskirchener berichtet. Wenn er am frühen Nachmittag nach Hause kommt, hat der gelernte Bäcker keine Lust mehr auf Sport oder Freunde, sondern nur noch ein Ziel: Duschen und ab auf die Couch.

260 Pakete warten heute im Laderaum von Steffens gelbem Mercedes-Transporter mit der roten DHL-Aufschrift auf ihren Besteller. Unter den größten Paketen ist ein Kinderbettchen und eine Matratze, die aus den braunen Pappwänden des Kartons befreit werden wollen.

Paket-Chaos mit System

An der linken und rechten Transporter-Innenwand sind jeweils zwei Regale übereinander angebracht, die sich von den Vordersitzen bis ins Heck des Wagens erstrecken. Große, kleine, quadratische, rechteckige Pakete in Braun, Weiß, Türkis und Gelb spielen darauf Tetris. In der Mitte ist ein schmaler Gang – ein Parcours für jeden Paketboten, der vorbei an den Paketen muss, die breiter als die Regale sind. Diese Enge dürfte jeden Paketzusteller dazu animieren, möglichst schlank zu bleiben, um sich dort durchzukämpfen.

Knapp drei Stunden werden die Pakete vor der Lieferung sortiert.

Knapp drei Stunden werden die Pakete vor der Lieferung sortiert.

Für Steffen hat die Paketwüste System. „Ich sortiere die Route immer grob vor. Genau planen kann ich die Reihenfolge der Stopps bei dem Verkehr in der Innenstadt aber eh nicht“, so Steffen. Seit fünf Uhr ist der 53-Jährige auf den Beinen. Am Zustellstützpunkt in Euskirchen In den Herrenbenden hat er um 6.15 Uhr seine Schicht begonnen: Pakete sortieren, scannen und in den Transporter einladen.

Unterwegs ist der schönste Teil der Arbeit

Als sich der Euskirchener nach dem Einladen hinter das schwarze Mercedes-Lenkrad seines voll bepackten Transporters setzt, leuchten seine Augen. Es ist kurz vor neun Uhr. Steffen hat sich noch schnell ein Brötchen zwischen die Zähne geschoben und scheint jetzt voller Tatendrang zu sein. Ein kurzer Blick auf die Spur nach links, Blinker raus und schon verlässt er das Post-Gelände. „Jetzt fängt für mich der schönste Teil der Arbeit an. Unterwegs bin ich mein eigener Herr, da fahre ich, wie ich es für richtig halte, ohne dass mir jemand im Nacken sitzt“, berichtet Steffen. Auf seinem schwarz-gepolsterten Fahrersitz hat er die Straße voll im Blick.

Das Lenkrad dreht er so, wie man es von den Busfahrern aus der Schulzeit kennt. Hinter seinem Sitz ist ein Mülleimer, mehr Interieur gibt es nicht. In dem Transporter, der seit seit sechs Uhr morgens offen im Hof stand, ist es eiskalt. Es riecht nach Hundefutter. In der Beifahrertür steckt eine geöffnete Packung mit Hunde-Leckerlis.

Immer ein paar Leckerlis dabei

Bis zum nächsten Stopp dauert es nur wenige Minuten. Steffen hält vor einem silbernen Metalltor. Durch die Gitterstäbe blickt man auf einen grau-gepflasterten Innenhof. Nebenan steht ein weißes Mehrfamilienhaus. Die schwarzen Reifen des Transporters sind gerade erst auf dem Bürgersteig davor zum Stillstand gekommen, als Steffen schon die Fahrertür öffnet, aus dem Auto springt, schnellen Schrittes einmal hinten um das Auto herumgeht und die Tür zum Laderaum hinter der Beifahrertür öffnet.

Das Paket, das jetzt ausgeliefert wird, liegt schon hinter der Tür bereit. Auf dem Weg zur Eingangstür neben dem Tor trägt Steffen in der rechten Hand das Päckchen, die linke sucht hektisch etwas in der Seitentasche der schwarzen Post-Uniform-Hose. Das Summen des Türschlosses ist kaum zu hören, als es sich öffnet. Es wird von Maylas Bellen übertönt, das aus dem Flur schallt.

Bewegungen halten fit, sind aber nicht gesund

Mayla hat den Postbediensteten schon sehnlichst erwartet. Die weiße Hündin mit den kurzen Beinchen stürmt aus der Wohnungstür Richtung Treppe. Steffen bückt sich zu ihr runter, streichelt sie hastig und zückt ein Leckerli. Maylas Besitzerin, noch im Schlafanzug, lächelt: „Mayla findet alle Paketboten toll“, erzählt sie.

Hündin Mayla gehört zu den Lieblingshunden auf Steffens Tour. Sie bekommt bei jeder Lieferung ein Leckerli und Streicheleinheiten.

Hündin Mayla gehört zu den Lieblingshunden auf Steffens Tour. Sie bekommt bei jeder Lieferung ein Leckerli und Streicheleinheiten.

Zurück im Transporter berichtet Steffen, dass er für seine Lieblingshunde auf der Tour immer ein Leckerli dabei hat. Seit fünf Jahren beliefert er täglich die gleiche Kundschaft. „Lange macht man diesen Job allerdings nicht“, erzählt er auf der Weiterfahrt. Bis zu 31,5 Kilogramm ist ein Paket schwer. Katzenstreu, Kaminholz, Laminat – alles habe er gefühlt schon ausgeliefert. In zwei Jahren geht er in Altersteilzeit. „Viele fragen mich, ob ich bei meinem Job noch ein Fitnessstudio brauche. Da sage ich immer: ,Ich brauche kein Fitnessstudio, ich brauche einen Physio-Therapeuten.’ Die Bewegungen, die wir beim Ausliefern machen, sind ja nicht gesund.“

Die Zeit als ewiger Feind

1995 hat er bei der Post in Euskirchen angefangen. Bis auf eine zweijährige Pause als Aushilfe in der Stellenleitung hat er durchweg als Paketzusteller für verschiedene Bezirke gearbeitet. Er bereut den Schritt trotz der vielen Arbeit nicht: „Ich bin kein Bürokrat, ich brauche den Umgang mit Kunden“, erzählt der 53-Jährige.

Hochbetrieb

Zur Weihnachtszeit liefern die Paketzusteller in Euskirchen bis zu 30 000 Pakete pro Woche aus. Der Hochbetrieb beginnt im November. Im Normalbetrieb sind es laut Pressesprecher Achim Gahr von der Deutschen Post DHL Group 19 000 pro Woche.

Statt fünf Zusteller liefern in Euskirchen in der Weihnachtszeit sechs die Pakete aus. Ein zusätzlicher Transporter wurde dafür von der Deutschen Post angemietet. Daneben gibt es weitere so genannte Verbundzusteller, die sowohl Briefe als auch kleinere Pakete in der Kreisstadt ausliefern.

Deutschlandweit hat sich die Paketmenge, die täglich von Montag bis Samstag von DHL ausgeliefert wird, in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Waren es 2009 noch 2,5 Millionen Pakete pro Tag, sind es 2019 laut Post bis zu fünf Millionen. In der Weihnachtszeit werden auch dank der Aktionstage Black Friday und Cyber Monday bis zu 11 Millionen täglich ausgeliefert.

10 000 zusätzliche Aushilfskräfte unterstützen vor allem die Paketzusteller in Deutschland zur Weihnachtszeit, die die umsatzstärkste Zeit für die Post ist. Dafür werden 12 000 zusätzliche Fahrzeuge angemietet.

Das zuständige Paketzentrum für die Sendungen in den Kreis Euskirchen ist in Köln-West. Die Pakete werden von dort in der Nacht mit dem Lkw an den zuständigen Stützpunkt in der Nähe des Auslieferungsortes gebracht. Dort werden sie nach Bezirken sortiert und von den Zustellern ausgeliefert. (smh)

Nächster Stopp: Kaffeerösterei. Dort wird Steffen schon erwartet. „Da riecht es immer so gut, deshalb gehe ich da gerne hin“, erzählt er. Der Verkäuferin fällt auf, dass sie nach all den Jahren Steffens Namen gar nicht kennt. „Nennen Sie mich einfach Esel“, schlägt er vor, öffnet die Glastür Richtung Straße und läuft schnellen Schrittes zurück zum gelben Transporter.

Die Zeit ist Steffens ewiger Feind. „Wenn ich mit der Tour durch bin, mache ich noch die Abrechnung, danach habe ich Feierabend. Das spornt an“, erzählt er. Die Couch hat er sich nach diesem Tag wohl verdient, die Dusche auch.

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