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Ganz ohne künstliche IntelligenzDarum wird Euskirchen zur Stadt der Liebe

Lesezeit 4 Minuten
Eine Gruppe Frauen sitzt im Foyer eines Hotels.

Setzen sich für das Image der Liebesromane ein: Autorinnen des Delia-Verbandes.

58 Autorinnen treffen sich im Euskirchener Parkhotel zu den jährlich stattfindenden Delia-Tagen. Sie ärgern sich über Künstliche Intelligenz.

Auf der Terrasse vor dem Parkhotel Euskirchen herrscht ein großes Hallo. Frauen lachen und umarmen sich zur Begrüßung. Und kaum hat man sich hingesetzt, ist man auch gleich im Thema drin: Wie bekommt ein Charakter Tiefe, wie viel Spice (Erotik) darf sein und darf ein Happy End auch melancholische Töne haben? Fast unter dem Radar der Öffentlichkeit geht es an diesem Wochenende in der Kreisstadt um die ganz großen Emotionen: Die jährlichen Liebesromantage finden in Euskirchen statt.

Die Veranstaltung des Verbandes deutschsprachiger Liebesromanautorinnen und -autoren (Delia) wird in diesem Jahr von der Kaller Autorin Jana Engels organisiert und ist gleichzeitig Netzwerktreffen, Fortbildung und Mitgliederversammlung. An diesem Nachmittag ist erst einmal Ankommen angesagt, doch danach wartet einen prall gefülltes Programm.

Liebesromane werden in Deutschland stiefmütterlich behandelt

Los geht es mit einem Vortrag unter dem Titel „Die gesellschaftliche Bedeutung des Liebesromans – Warum unser Genre unterschätzt wird“. Liebesromane würden in Deutschland stiefmütterlich behandelt, sind sich die Autorinnen auf der Terrasse einig. Sie seien in vielen Augen keine Literatur, viele sprächen verachtend von Kitsch. Dabei sei es das meistverkaufte Genre. Liebesromane seien Spiegel der Gesellschaft, sagt Engels. „Letztendlich ist das ja der stärkste Treiber für jedes menschliche Handeln“, formuliert es Heike Abidi, Präsidentin des Verbandes. Und Liebesroman sei ja nicht gleich Liebesroman, so die Autorinnen. „Ich schreibe auch Krimis, und in meinen Krimis verlieben sich die Leute“, berichtet beispielsweise Gitta Edelmann aus Bonn.

Fantasy, Young Adult, historische Liebesromane – es gebe viele verschiedenen Genres, in denen Liebe eine tragende Rolle spiele. Vor allem in der Klassik. Jane Austen, Shakespeare, Goethe – sie alle schrieben über die Liebe. „Anna Karenina – da geht es im Grunde auch nur um die Liebe“, so Edelmann.

Wenn ich so viel Geld verdienen würde wie die, würde ich auch nur noch so etwas schreiben.
Antonia Sommer

Nicht einmal die romantische Liebe sei zwingend notwendig, um ein Buch als Liebesroman zu bezeichnen. Auch die Liebe zwischen Geschwistern, Freunden oder Eltern und Kindern könne thematisiert werden. „Im Grunde sind alle Bücher Liebesromane“, fasst es Abidi zusammen.

Und was die in Deutschland allgemein abfällige Meinung zu Rosamunde Pilcher angehe, kann Autorin Antonia Sommer nur feststellen: „Wenn ich so viel Geld verdienen würde wie die, würde ich auch nur noch so etwas schreiben.“

Bei der Künstlichen Intelligenz fehlen die Emotionen

Denn wirklich reich ist keine der Damen am Tisch mit ihrer Schreibkunst geworden. „Es ist für die wenigsten möglich, gut davon zu leben“, sagt Engels.   Im Durchschnitt erhalte man als Autorin sechs Prozent vom Laden-Netto-Preis eines Buches, berichtet Edelmann.   Lesungen bieten die meisten der Anwesenden kaum noch an, weil sehr oft erwartet werde, dass sie ohne oder nur zu einem sehr geringen Honorar auftreten. Doch woran liegt das? „Die Konkurrenz ist groß und die Leserschaft schrumpft eher, als dass sie wächst“, sagt Petra Schier. Trotzdem würde keine der Anwesenden ihren Beruf tauschen wollen.

Apropos Konkurrenz: Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz? Werden bald ganze Bücher von Chat GPT geschrieben? So weit sei man zum Glück noch lange nicht, sagen die Autorinnen. Auch die Textqualität von KI sei eher durchschnittlich, etwas Originelles sei nie dabei, weil die KI ja nur mit bereits Vorhandenem trainiert werde. Und ihr fehle etwas Entscheidendes: Emotionen. Wie soll eine Künstliche Intelligenz, die keine Gefühle hat, über die große Liebe schreiben?

KI könne aber bei der Recherche nützlich sein, so die Runde. Grundsätzlich stehe man dem Ganzen aber feindlich gegenüber, sagt Edelmann. Denn: Viele KI seien mit Texten trainiert worden, ohne das Urheberrecht zu beachten. Für die selbstständigen Autorinnen, die vom Verkauf ihrer Texte leben, ein absolutes No-Go.

Langsam wird es zugig auf der Terrasse. Die Frauen stehen auf und gehen ins Hotel. Einige müssen noch einchecken, heute steht nur noch ein gemeinsames Abendessen auf dem Programm. In den nächsten Tagen soll es dann unter anderem um digitale Sicherheit, Schreiben auf Reisen, interaktives Storytelling und gute Klappentexte gehen. Besonders ins Auge fällt ein Workshop am Samstagabend: das Schreiben einer „heißen“ Szene. Wo Liebe ist, darf Leidenschaft eben nicht fehlen.


Leseempfehlungen

Romantikmuffel vom Liebesroman überzeugen? Die Autorinnen halten das für möglich. Es gebe sehr viele Bücher, die man empfehlen könne, sagt Jana Engels. Aber die Gruppe habe sich auf drei Titel geeinigt: „Das Lavendelzimmer“ von Nina George, „Ava liebt noch“ von Vera Zischke und „Rubinrot“ von Kerstin Gier.

Nina George gehört zu den bekanntesten Mitgliedern des Delia-Verbandes. 270 Autorinnen und Autoren sind darin laut Präsidentin Heike Abidi organisiert. Wobei die Frauen deutlich in der Überzahl seien. 58 Autorinnen sind laut Engels zu den Liebesromantagen nach Euskirchen gereist.