„Kurve kriegen“Projekt soll im Kreis Euskirchen junge Täter auf die richtige Bahn lenken

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Koordinator Wolfgangt Wendelmann zeigt bei der Präsentation des NRW-Projekts „Kurve kriegen“ in der Euskirchener Polizeiwache mit einem meterlangen Ausdruck den Lebenslauf eines anonymisierten Intensivtäters.

Wolfgang Wendelmann, der Koordinator des NRW-Projekts „Kurve kriegen“, stellte den Lebenslauf eines anonymisierten Intensivtäters anhand einer ausgedruckten, mehrere Meter langen Chronik vor.

Sie sollen frühzeitig vor einer Laufbahn als Intensivtäter bewahrt werden und so rechtzeitig die „Kurve kriegen“: die Kinder und Jugendlichen, an die sich das gleichnamige Projekt des NRW-Innenministeriums richtet.

Neu ist „Kurve kriegen“ nicht, doch zum ersten Mal soll die Initiative des Landes NRW auch im Kreis Euskirchen stattfinden. Bereits seit elf Jahren fahre das Angebot mit dem Motto „Frühe Hilfe statt späte Härte“ nachweisbare Erfolge in diversen Städten und Gemeinden ein, sagte der Projektkoordinator auf Landesebene, Wolfgang Wendelmann.

Er und die Beteiligten der Kreispolizei, Landrat Markus Ramers sowie die pädagogischen Fachkräfte des Projekts stellten „Kurve kriegen“ in einer Pressekonferenz in der Euskirchener Polizeiwache vor. Im Zuge dessen wurde auch der Kooperationsvertrag unterschrieben.

Im Blick haben die Partner im Kreis Euskirchen Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren

„Das ist kein Intensivtäterprogramm, das ist noch mal ganz wichtig festzustellen. Wir setzen vorher an, die jungen Leute sollen eben keine Intensivtäter werden“, erklärte Ulrich Linden, Leiter der Direktion Kriminalität der Kreispolizei Euskirchen. Deshalb richte sich „Kurve kriegen“ auch vornehmlich an Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren. In Einzelfällen könne das Programm aber bis zum 18. Lebensjahr fortgesetzt werden.

Bei dem Projekt handelt es sich den Beteiligten zufolge um eine Kooperation pädagogischer Fachkräfte – im Euskirchener Fall der Diakonie Michaelshoven – und der örtlichen Polizeibehörde. Finanziert werde das Ganze aus Mitteln des NRW-Innenministeriums, wie Wendelmann erklärte.

In der Euskirchener Polizeiwache unterschreiben die Projektpartner den Kooperationsvertrag für "Kurve kriegen".

Setzten ihre Unterschriften unter den Kooperationsvertrag: die Projektpartner im Kreis Euskirchen.

Zuständig auf polizeilicher Seite ist Yvonne Dederichs, die erläuterte, wie das Programm bei den Jugendlichen ansetzt: „Man spricht hier vom sogenannten Screening. Meine Aufgabe als polizeiliche Ansprechpartnerin ist so ein bisschen wie in die Glaskugel gucken. Aber ich hab noch ein bisschen mehr Möglichkeiten als die Glaskugel.“ So ergeben sich ihr zufolge Profile potenzieller Programmteilnehmer aus der Rücksprache mit Jugendsachbearbeitern sowie durch die Betrachtung der Lebensläufe der Jugendlichen.

Als Risikoindikatoren würden etwa die Familiensituation, vorige Straffälligkeiten oder auch das Vorkommen als Zeuge in Strafverfahren sowie das schulische und freundschaftliche Umfeld herangezogen. Dabei strebten die Beteiligten auch eine Einbindung und Beratung der Eltern an, so Dederichs. „Das kann in alle möglichen Richtungen gehen, das kann auch eine Vermittlung an eine Schuldenberatung sein“, ergänzte Wendelmann.

Im „Coolness-Training“ lernen die Teilnehmer, mit Wut, Gewalt und Konflikten umzugehen

Eine Teilnahme an dem Projekt bleibe aber freiwillig, ebenso müsse dabei der Datenschutz gewährleistet bleiben. Neben der Elternberatung besitze das Programm weitere elementare Bausteine: Zum einen das „Coolness-Training“, in dem die Jugendlichen lernen sollen, mit Konflikten, Wut oder Gewalt umzugehen.

Ein zentraler Aspekt sei zudem die Verknüpfung im Netzwerk mit Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen, dem Jugendamt und der Jugendgerichtshilfe, sodass für jeden Betroffenen eine passende Lösung gefunden werde. Weiter gebe es ein Sport- sowie ein erlebnispädagogisches Angebot.

Eine Intensivtäter-Karriere kostet die Gesellschaft bis zum 25. Lebensjahr etwa 1,7 Millionen Euro
Wolfgang Wendelmann, Projektkoordinator

Dass das Programm effektiv ist, davon sind die Beteiligten überzeugt. Nur zwei Prozent der Absolventen des Programms würden nach Abschluss so straffällig, dass sie als Intensivtäter eingestuft werden müssten, sagte Wendelmann – zumindest nach dem aktuellen Stand der Erfolgsmessungen der Maßnahme. „40 Prozent der Absolventen begehen nach der Teilnahme keine Straftaten mehr, 60 Prozent begehen 50 Prozent weniger Straftaten“, so Wendelmann weiter.

Die Kosten des Programms belaufen sich ihm zufolge auf 11 000 Euro jährlich pro Teilnehmer. Im Schnitt nehmen die Jugendlichen das Angebot etwa 2,5 Jahre wahr. „Eine Intensivtäter-Karriere kostet die Gesellschaft bis zum 25. Lebensjahr etwa 1,7 Millionen Euro“, so Wendelmann. Bereits bei fünf bis sechs erfolgreichen Absolventen pro Jahr in NRW rentiert sich das Projekt seinen Einschätzungen zufolge.

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