Gut für Körper und GeistYoga-Lehrerin aus Euskirchen zeigt, auch für Ungelenkige ist der Sport gut

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Tom Steinicke und Stella Wolters sitzen auf Yoga-Matten und machen eine Übung.

Redakteur Tom Steinicke versucht sich im Yoga. Trainerin Stella Wolters zeigt ihm verschiedene Übungen.

Yoga-Expertin Stella Wolters bringt den Menschen aus dem Kreis Euskirchen die indische Philosophie Yoga näher. Unser Redakteur kommt dabei an seine Grenzen.

YOGA. Vier Buchstaben, die mich allein schon wegen des Ypsilons an YMCA und vor allem an YNWA denken lässt. YNWA = You’ll never walk alone. Die Hymne, das Credo des FC Liverpool. Nicht allein sein. Niemals. Es gibt da jemanden, der bei dir ist. Bei mir ist es Stella. Stella Wolters, Yoga-Lehrerin. Ein Spiel dauert 90 Minuten, eine Yoga-Stunde bei der 27-jährigen Wahl-Schmidtheimerin auch.

Doch ist Yoga überhaupt etwas für ehemalige Fußballer im Speziellen, Männer im Allgemeinen? Bin ich dafür nicht viel zu ungelenkig? Die im Kopf zurecht gelegte Liste möglicher Ausreden ist lang und ließe sich beliebig fortsetzen. Doch die 27-Jährige zerlegt meinen Matchplan der Ausreden mit einer simplen Aussage, die für jeden Yoga-Anfänger-Zweifler ein Credo sein könnte.

Yoga-Lehrerin Stella Wolters praktiziert im Kreis Euskirchen

„Zu ungelenkig für Yoga gibt es nicht. Du gehst ja auch nicht nicht duschen, weil du zu schmutzig bist“, sagt die Schmidtheimerin und besiegelt damit mein Schicksal. Also ab in die Jogginghose und auf die Yoga-Matte – beziehungsweise erstmal auf eine Art Yoga-Kissen, das es mir erleichtert, den Schneidersitz halbwegs einzunehmen.

Ich bin von einem klassischen Schneidersitz trotz Kissen dennoch weit entfernt. Und ich fühle mich wie bei einem Festival während der Umbaupausen. Meine Clique saß dabei immer entspannt im Schneidersitz und hatte die Hände frei – beispielsweise um ein Bier zu trinken. Ich musste mich immer auf meine Arme stützen – was nicht heißt, dass ich bei „Rock am Ring“ die ganze Zeit nüchtern geblieben bin.

Beim Aufwärmen, beim Dehnen merke ich schnell, dass ich in den vergangenen Jahren nicht beweglicher geworden bin. Während Wolters im Stehen sich mit ihren Füßen auf die eigenen Handinnenflächen stellen kann, feiere ich den ersten kleinen Erfolg des Abends. Ich komme für den Bruchteil einer Sekunde im Stehen an meine Zehen. „Als ich mit dem Yoga angefangen habe, war das mein Ziel“, erzählt die Yoga-Expertin, die mit 16 Jahren erstmals mit der aus Indien stammenden philosophischen Lehre in Kontakt gekommen ist.

Mit viel Gefühl und ohne mir auch nur eine Sekunde ein schlechtes Gewissen zu machen, weil ich eben alles andere als gelenkig bin, bekomme ich einen Hatha-Yoga-Crashkurs. Nicht selten muss ich mit meinen Zeigefingern über dem Kopf eine Pistole bilden. Doch James Bond bin ich deshalb nicht, auch weil ich mich eher geschüttelt als gerührt fühle. Aber jede Figur macht Spaß, bringt mich an die Grenzen. Ein unglaublich gutes Gefühl.

Der herabschauende Hund als klassische Yoga-Übung

Zum Schluss der eigentlichen Yoga-Stunde darf natürlich auch der Klassiker nicht fehlen. Die Übung des herabschauenden Hundes kenne ich. Wenn auch nur in der Theorie. Der herabschauende Hund ist eine der gängigsten Yoga-Figuren, der sogenannten Asanas. Der Körper bildet ein Dreieck – die Hüfte ist der höchste Punkt, Hände und Füße sind die anderen beiden Ecken. Wie ein V, das auf dem Kopf steht.

Ich stehe auch Kopf. Gedanklich. Nach etwa einer Stunde Yoga merke ich den kommenden Muskelkater bereits. Doch ich kämpfe mich durch die Figur. Wohl wissend, dass der letzte Part der Yoga-Stunde auch mir Spaß machen wird. Ausruhen, zur Ruhe kommen, Gedanken verlieren. „Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich im Boden versinke“, sagt Wolters. So weit ist es bei mir nicht. Ich freue mich einfach, auf dem Boden zu liegen, die wärmende Decke auf mir zu spüren.

Ich habe die erste Yoga-Stunde überstanden. Ich fühle mich gut. Es ist wie nach jedem Sport. Wenn der Schweinehund einmal besiegt ist, stellt sich nach der Trainingseinheit ein schönes Zufriedenheitsgefühl ein. Und für mich steht ziemlich schnell fest, dass ich wiederkommen werde. Ich habe nämlich Lust auf eine Yoga-Stunde, ohne mir alles merken zu müssen, was meine Lehrerin mir sagt, weil ich es für meine Geschichte gebrauche. Und ohne den Artikel schon im Kopf zu schreiben, sondern einfach nur den Moment zu genießen.

Stella Wolters hat mir zwar nicht beigebracht, wie ich einen Schneidersitz aus dem Nichts erlerne, aber sie hat Lust auf Yoga gemacht – und vor allem viele Vorurteile eines ehemaligen Fußballers abgebaut.


Stella Wolters unterrichtet in der Alten Tuchfabrik zwischen Euskirchen und Euenheim Yoga. „Ich wollte im Stehen wieder meine Zehen berühren“, sagt die 27-Jährige, die seit ihrem 16. Lebensjahr Yoga macht – seit sie 18 ist, regelmäßig. Wenn die Yoga-Expertin keinen Unterricht gibt, dann arbeitet sie als Ergotherapeutin in Mechernich mit Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden.

Yoga sei generationenübergreifend machbar. „Wer atmen kann, kann auch Yoga machen“, so Wolters. Sie habe Yoga auch schon für Menschen mit neurologischen Schäden angeboten. „Beispielsweise für Menschen, die MS haben“, so Wolters, die einen großen Traum hat: einen Therapiehof. Auf dem Hof soll es ein ergotherapeutisches Angebot geben, aber auch Yoga angeboten werden. „Ich möchte auch Familiencoaching und soziales Kompetenztraining anbieten – für verhaltenskreative Kinder“, so die Wahl-Schmidtheimerin.

500 Ausbildungsstunden hat die 27-Jährige nach eigenem Bekunden absolviert. Seit fünf Monaten ist sie nun in der Alten Tuchfabrik und bietet dienstags und donnerstags jeweils zwei Kurse ab 17 Uhr an. „Ich habe glücklicherweise eine gute Quote von Menschen, die mal in eine Stunde reinschnuppern wollen und dann wiederkommen“, sagt Wolters schmunzelnd und fügt an: „Meine Empfehlung ist aber ganz klar: Wenn einem Yoga bei mir nicht gefällt, ist das völlig in Ordnung, dann einfach zu wem anders gehen. Niemals Yoga abschreiben.“

Sie habe in Yoga körperliche Stärke und Flexibilität gefunden, sagt Wolters. Das Hatha-Yoga habe auch ihren Geist flexibler gemacht und neue Perspektiven geöffnet. „Es laufen sehr viele mentale Prozesse ab. Manchmal fange ich auch beim Yoga an zu weinen“, sagt die 27-Jährige: „Das kann auch schon mal in den Kursen passieren, weil sich viele Anspannungen lösen.“ Verschiedene Techniken von Atemübungen und Meditation haben Wolters zufolge das Leben der Ergotherapeutin bereichert. (tom)

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