Lonka-ProjektStadtmuseum Euskirchen zeigt Porträts von Holocaust-Überlebenden

Lesezeit 4 Minuten
Dr. Heike  Lützenkirchen (l.) und Petra Goerge (r.) stellen im  Stadtmuseum Euskirchen mit Kuratorin Gisela Kayser die Sonderausstellung „Lonka Projekt“ vor. Sie stehen vor einer Reihe von Porträts von Holocaust-Überlebenden.

Dr. Heike Lützenkirchen (l.) und Petra Goerge (r.) stellten im Stadtmuseum Euskirchen mit Kuratorin Gisela Kayser die Sonderausstellung „Lonka Projekt“ vor.

Die neue Ausstellung im Stadtmuseum Euskirchen ist eine fotografische Hommage an Frauen und Männer, die den Holocaust überlebt haben. Sie umfasst 29 eindrucksvolle Porträts. 

Shaul Paul Ladany, geboren 1936, ist ein zweifach Überlebender. Als Achtjähriger wurde er aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen gerettet. 1972 nahm der Leichtathlet an den Olympischen Spielen in München teil. Als palästinensische Terroristen die israelische Mannschaft überfielen und elf Sportler ermordeten, gehörte er zu den fünf Team-Mitgliedern, die dem Tod entkamen.  

Ein Bild, das Ladany beim Training in der Wüste Negev zeigt, ist jetzt im Stadtmuseum Euskirchen zu sehen. Es ist Teil der Sonderausstellung „Das Lonka Projekt. Eine fotografische Hommage an die Holocaust-Überlebenden“, die am Freitagabend eröffnet wurde. Die Ausstellung erinnert an den millionenfachen Mord an der jüdischen Bevölkerung, zugleich ehrt sie die Überlebenden und zeigt ihren ungeheuren Lebenswillen. Sie umfasst 29 eindrucksvolle Aufnahmen mit Porträts von Jüdinnen und Juden, die die Nazizeit als Kinder und Jugendliche erlebten.

Eleonora Nass überlebte fünf Konzentrationslager

Die Bilder, zum Teil in Schwarz-Weiß, zum Teil in Farbe, haben Fotografie-Profis aufgenommen. Sie beteiligten sich damit am Lonka-Projekt, das 2019 die israelische Fotografin Rina Castelnuovo und ihr Mann Jim Hollander, ein Fotojournalist, ins Leben riefen, um Castelnuovos Mutter Dr. Eleonora Nass zu würdigen. Die Frau, die Lonka genannt wurde, überlebte fünf Konzentrationslager der Nationalsozialisten.

Eines der Bilder, eine Schwarz-Weiß-Aufnahme, zeigt Eleonora Nass und ihren Mann Jerzy. Die glücklich lächelnde Frau, die Lonka genannt wurde, ist die Namensgeberin der Ausstellung im Stadtmuseum.

Eines der Bilder zeigt Eleonora Nass und ihren Mann Jerzy. Die Frau, die Lonka genannt wurde, ist die Namensgeberin der Ausstellung im Stadtmuseum.

Ihren traumatischen Erfahrungen zum Trotz führte sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2018 ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben. „Ihr Weg steht symbolhaft für die Lebenskraft vieler Überlebender, von denen viele ihre gesamte Familie verloren haben“, sagte Petra Goerge vom Stadtmuseum, als sie die Ausstellung mit Museumsleiterin Dr. Heike Lützenkirchen und Gisela Kayser dieser Zeitung vorstellte. 

Euskirchen ist die zweite Station der Ausstellung in Europa

Kayser war bis 2021 Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin des Freundeskreises Willy-Brandt-Haus. Dort kuratierte sie 2021 die zweite Auflage der Lonka-Ausstellung – ein Jahr nach der Premiere in der Zentrale der Vereinten Nationen in New York. Euskirchen ist nun die zweite Station in Europa, wie Lützenkirchen sagte. „Wir fühlen uns geehrt, dass die Ausstellung im Stadtmuseum zu sehen ist“, ergänzte Goerge. 

Die Lonka-Sammlung, ein internationales Projekt, umfasst insgesamt gut 400 Arbeiten von mehr als 300 Fotografen und Fotografinnen. Viele von ihnen genießen weltweit einen exzellenten Ruf, etwa Steve McCurry von der Agentur Magnum Photos oder Maurice Weiss von der Agentur Ostkreuz. „Die Holocaust-Überlebenden wurden allein oder mit ihren Familien fotografiert, in ihrem Zuhause oder im Fotostudio, in der Freizeit oder bei offiziellen Anlässen“, wie das Museum die Bandbreite beschreibt. 

Hinter den Bildern im Euskirchener Museum stehen unglaubliche Geschichten 

Während der Fototermine erzählten die Porträtierten aus ihrem Leben. Die Texte, die daraus entstanden, „dokumentieren die unterschiedlichen Erfahrungen“, sagte Goerge. Hinter jedem Bild, ergänzte Kayser, stehe eine unglaubliche Geschichte.

Die großformatigen Porträts hat das Museum bewusst nicht mit Informationen versehen. Lützenkirchen, Goerge und Kayser empfehlen den Besucherinnen und Besuchern, die eindrucksvollen Bilder zunächst auf sich wirken zu lassen und erst danach die in einem Booklet zusammengefassten Texte zu lesen.

Der jüdische Junge Shlomo arbeitete für die Nazis als Dolmetscher

Eine der unglaublichen Geschichten ist die von Shlomo Perel aus Peine, der als Junge in Polen von den Nazis gefangengenommen wurde, ihnen aber weismachte, „Volksdeutscher“ zu sein, und fortan für sie als Dolmetscher arbeitete. Später wurde er unter dem Namen Josef in einem Internat der Hitlerjugend untergebracht, wo er sich in Leni verliebte, die der Nazi-Organisation Bund Deutscher Mädel angehörte.

Eine einzige Frau wird auf zwei Fotos porträtiert: die Turnolympiasiegerin Agnes Keleti. Auf einem Bild geht sie, voller Energie und Lebensfreude, als 100-Jährige in den Beinahe-Spagat. Direkt daneben hängt eine Schwarz-Weiß-Aufnahme, „auf der ihr Blick nach innen gerichtet ist“, so Kayser. „Ihr Gesicht mit den vielen Falten lässt erahnen, wie viel passiert ist im Leben dieser Frau, wie es auf und ab ging.“

Aus keinem der Bilder spricht Verbitterung – im Gegenteil. Das Projekt „feiert den Triumph von Lebenskraft und Freiheit über die Barbarei“, wie Petra Goerge es formuliert. Typisch ist das Porträt von Eddie Jaku. Er feierte 2020 seinen 100. Geburtstag als selbst ernannter „glücklichster Mann der Welt, der sich geschworen hat, jeden Tag zu lächeln“. Aus dem Trauma der Vergangenheit sei für ihn Hoffnung erwachsen. Er sagte: „Ich lehre Kinder und Erwachsene, nicht zu hassen.“ 

Von den Bildern, sagte Kayser, gehe die Botschaft aus, die die Überlebenden den nachfolgenden Generationen mit auf den Weg geben wollen: „Sie sollen sich gegen Rassismus und Hass einsetzen – und für Toleranz und Menschlichkeit.“ Petra Goerge fügte mit Blick auf die aktuelle Situation hinzu, das Lonka-Projekt sei „ein Statement gegen Antisemitismus und antisemitische Verschwörungstheorien“.


Öffnungszeiten

Die Ausstellung im Stadtmuseum Euskirchen (Wilhelmstraße 32-34) ist bis zum 3. März 2024 zu sehen, dienstags bis freitags von 15 bis  18 Uhr, samstags von 11 bis 15 Uhr, sonntags und feiertags von 11 bis 18 Uhr. Führungen durch die Ausstellung sind nach vorheriger Vereinbarung (Tel. 02251/6507438) möglich, auch außerhalb der Öffnungszeiten.

Anlässlich des Jahrestages der Novemberpogrome lädt das Museum für Donnerstag, 9. November, 18 Uhr, zu einer öffentlichen Gedenkveranstaltung auf den Platz der ehemaligen Synagoge in der Annaturmstraße ein. Die Feier umfasst Wortbeiträge, Lieder, Gebete und Bilder.

Rundschau abonnieren