Hellenthal/ WaldkirchFlucht vor der Gestapo

Am Ehrenmal an der Giescheider Kapelle überreichte Roland Burkhart (l.) ein Exemplar des Buches an Karl Reger vom Arbeitskreis Judit.H.
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- Das Buch "Hier war doch nichts" erzählt von dem Schwarzwaldort Waldkirch zu Zeiten des Nationalsozialismus.
- Auch die Geschichte eines Hellenthalers fand ihren Weg in das Buch: Der Pfarrer Leo Bauer wurde 1941 von der Gestapo aus dem Rheinland ausgewiesen - und kam nach Waldkirch.
- Der Band zeigt, wie sich das Leben in einer deutschen Kleinstadt während des Nationalsozialismus abspielte.
Hellenthal/Waldkirch – Gut recherchiert und auch publiziert ist die tragische Geschichte des katholischen Geistlichen Leo Bauer, der in der Zeit der Nazi-Diktatur in Hellenthal Repressionen der Machthaber ausgesetzt war und schließlich von seiner Pfarrstelle in Hellenthal versetzt wurde. Im Gedenken an sein Schicksal und als öffentliche Mahnung wurde für Bauer vor dem Pfarrhaus in Hellenthal ein Stolperstein verlegt.
Detailreich dokumentiert ist die Geschichte im Jahrbuch 2020 des Schleidener Geschichtsforums in einem Aufsatz des Waldkircher Historikers Wolfram Wette. Diese Ausarbeitung der historischen Ereignisse ist nun ebenfalls in einem Buch zu finden, dass die Nazi-Zeit in dem südbadischen Ort aufarbeitet.
„Hier war doch nichts“ ist der Titel des Werkes, das von der „Ideenwerkstatt Waldkirch in der NS-Zeit“ realisiert wurde. Ein Exemplar des Werkes überreichte in Anerkennung der guten Zusammenarbeit Roland Burkhart, Mitglied der Ideenwerkstatt, an Karl Reger vom Arbeitskreis Judit.H. „Der Beitrag beruht auf unseren Recherchen“, machte Reger deutlich.
Ins Rollen kam die Aufarbeitung der Nazi-Zeit in dem Schwarzwaldort, als Wette die Beteiligung des Waldkirchers Karl Jäger an Massenmorden an Juden in Litauen in einer 2011 erschienenen Biographie dokumentierte.
Mit anfangs 20 Leuten ging die Ideenwerkstatt daran, auch andere Aspekte der Nazi-Diktatur in Waldkirch aufzuarbeiten, sagte Burkhard. In dem Band werde untersucht, wie sich das Leben in einer deutschen Kleinstadt während des Nationalsozialismus abspielte. 27 Autoren beleuchten die verschiedensten Aspekte des Zusammenlebens.
Zermürbt von Repressionen
Im November 1941 tauchte Bauer in Waldkirch auf. Nachdem er 1936 seine Pfarrstelle in Hellenthal angetreten hatte, musste er ständige Auseinandersetzungen mit dem damaligen Bürgermeister Wilhelm Fischer sowie Repressionen und Bespitzelungen erleben. Dies zermürbte ihn so, dass er 1941 in der Psychiatrie Hilfe suchen musste. Nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus wurde er am 22. September 1941 von der Gestapo wegen „Verbreitung verbotener Schriften“ inhaftiert. Nach seiner Entlassung wurde er am 13. Oktober aus dem Rheinland ausgewiesen.
Bauer sei auf Vermittlung des Limburger Bischofs nach Waldkirch gekommen, erläuterte Reger. „Er wurde aus der Schusslinie genommen, damit ihm die Gestapo nichts nachweisen konnte“, sagte er.
Bekannt als stiller Mensch
Persönliche Notizen und Briefe des damaligen Waldkircher Stadtpfarrers Richard Hund wurden ausgewertet. Bauer durfte in Waldkirch keinen Schulunterricht geben, nicht predigen oder Vereinstätigkeit übernehmen, so die Vereinbarung. In Waldkirch sei er als stiller Mensch bekannt gewesen, der bei Begegnungen mit anderen meist zu Boden gesehen habe, so Burkhard.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reiste Bauer nach Aachen und Hellenthal. Von dieser Reise sei er nach Feststellung von Hund „ganz deprimiert zurückgekommen“. Ein Nervenarzt, den Bauer konsultierte, diagnostizierte eine starke Depression mit Suizid-Risiko. Am 26. August 1945 erhängte sich Bauer in Waldkirch. Pfarrer Hund beerdigte ihn in aller Stille. Bauers Grab auf dem Friedhof von Waldkirch ist unbekannt.
„Hier war doch nichts“ – Waldkirch im Nationalsozialismus, herausgegeben von Wolfram Wette, erschienen im Donat-Verlag, 528 Seiten, 29,80 Euro.