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Nach GerichtsurteilWohngrundstücke in Kall werden jetzt doch deutlich mehr belastet

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Die Drohnenaufnahme zeigt das Gewerbegebiet Kall.

Die Gewerbebetriebe in der Gemeinde Kall müssen künftig deutlich weniger Grundsteuer zahlen.

Grundsteuer: Kaller Rat beschließt Wechsel vom differenzierten zum einheitlichen Hebesatz. Das bringt Verschiebungen in Höhe von 400.000 Euro.

Der Kaller Gemeinderat hatte am Donnerstagabend die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder am differenzierten Hebesatz bei der Grundsteuer B festhalten und das Risiko eingehen, dass die Regelung, wie jüngst schon in Gelsenkirchen geschehen, von Richtern gekippt wird, oder einen einheitlichen Hebesatz beschließen und damit Eigentümer von Wohngrundstücken mit zusätzlich 400.000 Euro zu belasten.

Obwohl die Ratsmitglieder die differenzierte Regelung nach wie vor befürworten, entschieden sie sich am Ende aus „Gründen der Rechtssicherheit“ für einen einheitlichen Hebesatz. Wenn eine Differenzierung aber rechtssicher möglich ist, will die Gemeinde wieder wechseln.

Rund 2,5 Millionen Euro nimmt die Gemeinde nach Aussagen von Kämmerer Markus Stoff pro Jahr mit der Grundsteuer B ein. Bei der Reform habe sich schon früh eine deutliche Schieflage zwischen Wohngrundstücken und Nichtwohngrundstücken abgezeichnet. „In der Gemeinde Kall ergibt sich eine Lastenverschiebung zuungunsten der Wohngrundstücke in Höhe von 400.000 Euro“, erklärte Stoff. Die Umverteilung sei aber weder Sinn noch Motivation der Grundsteuerreform gewesen, betont Stoff.

Rat der Gemeinde Kall hatte 2024 differenzierten Hebesatz beschlossen

„Deshalb hatten die Städte und Gemeinden vehement für die Anpassung der Steuermesszahlen auf Landesebene plädiert, um auf diese Weise rechtssicher den gewünschten Ausgleich zur Belastungsverschiebung herbeizuführen“, so der Kämmerer. Der Landtag hatte trotz aller Bedenken aber nicht die Anpassung der Steuermesszahlen, sondern die optionale Einführung differenzierter Hebesätze beschlossen. Die Gemeinde habe also nur die Wahl gehabt, Belastungsverschiebung zulasten der Wohngrundstücke zu akzeptieren oder trotz der rechtlichen Bedenken einen differenzierten Hebesatz zu beschließen.

Wir können keinen Haushalt aufstellen, wenn die Einnahmen aus der Grundsteuer nicht sicher sind.
Dr. Manfred Wolter, FDP-Fraktion im Kaller Rat

Nicht zuletzt in Anbetracht eines Rechtsgutachtens des Landes, das zu dem Schluss gekommen war, dass eine Orientierung an der vor der Grundsteuerreform geltenden Belastungsverteilung zulässig sei, habe der Rat im Oktober 2024 die Einführung eines differenzierten Hebesatzes beschlossen.

Doch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat nun am 4. Dezember die Grundsteuer-Differenzierung zulasten der Nichtwohngrundstücke in vier kreisfreien NRW-Städten für unzulässig erklärt, weil die höheren Hebesätze für die Besteuerung der Nichtwohngrundstücke gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Steuergerechtigkeit verstoßen würden.

„Aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes lassen diese Ausführungen insbesondere die Frage offen, ob danach eine Hebesatzdifferenzierung überhaupt noch sinnvoll möglich wäre“, so Stoff in der Vorlage. Er geht davon aus, dass in der Sache weitere Verfahren und Urteile folgen werden. Neben einer Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen sei auch die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen worden. Damit habe sich die Chance auf eine zügige bundesgerichtliche Klärung erhöht.

Auch die Stadt Euskirchen und die Gemeinde Hellenthal sind betroffen

Doch bis es so weit ist, muss eine Regelung gefunden werden. „Die Kommunen, die viel Gewerbesteuer einnehmen, haben auf einen differenzierten Hebesatz umgestellt. Im Kreis sind das neben Kall auch Hellenthal und Euskirchen“, so Stoff. Vom Land fühle man sich im Stich gelassen. Die Grundbesitzabgabenbescheide für 2025 seien zum jetzigen Stand fast vollständig bestandskräftig geworden. „Wir befinden uns in einer sehr schwierigen Situation, für die wir nichts können“, betonte Bürgermeister Emmanuel Kunz.

Man halte die Differenzierung weiter für die bessere Lösung. Sie sei aber nicht rechtssicher: „Was bringt es, wenn die Bürger dann nachzahlen müssen, wenn die Differenzierung endgültig gekippt wird.“ Kunz und Stoff betonten, dass die Gemeinde nach der Neuregelung keinen Cent mehr einnehme.

„Das Urteil aus Gelsenkirchen werden auch Gewerbetreibende lesen und dann als guter Kaufmann Widerspruch einlegen“, meinte Bert Spilles (CDU). Das Risiko könne man nicht eingehen. „Es wird Jahre dauern, bis ein abschließendes Urteil vorliegt. Das würde eine große Unsicherheit für die Bürger bedeuten“, meinte seine Parteifreundin Birgit Drewes.

„Wir können keinen Haushalt aufstellen, wenn die Einnahmen aus der Grundsteuer nicht sicher sind“, betonte Dr. Manfred Wolter (FDP). Durch die Einführung der einheitlichen Regelung steigt der Hebesatz in Kall für Wohngrundstücke von 659 auf 793 Prozentpunkte. Bei Nichtwohngrundstücken sinkt er dagegen von 1298 auf 793.