Streit um FührerscheinKreis Euskirchen zieht Verfügung gegen Kaller mit ADHS zurück

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Darf seinen Führerschein behalten und weiter mit seiner Royal Enfield auf Tour gehen: Ralf Meier. 

Kall-Dottel – Gute Nachrichten für Ralf Meier aus Dottel: Der 57-Jährige, der an einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) leidet, darf seinen Führerschein behalten. Der Kreis Euskirchen, der Meier nach einem Verkehrsunfall aufgefordert hatte, sich einer psychiatrischen verkehrsmedizinischen Begutachtung zu unterziehen oder die Fahrerlaubnis abzugeben, hat seine Verfügung zurückgezogen.

„Es stehen aber noch weitere Fragen im Raum, die zum Schutz der Verkehrssicherheit, insbesondere der anderen Verkehrsteilnehmer zwingend zu klären sind. Die Fahrerlaubnisbehörde wird diesbezüglich auf Herrn Meier zukommen“, teilt der Kreis auf Anfrage mit. Der Kreis übernimmt die Kosten des seit mehr als einem Jahr laufenden Verfahrens.

Behörde räumt Formfehler ein

Die Entziehungsverfügung sei wegen eines formalen Fehlers zurückgezogen worden, teilt der Kreis mit. Darauf habe das Verwaltungsgericht Aachen die Verwaltung aufmerksam gemacht. „Das war kein formeller Fehler. Der Bescheid war rechtswidrig“, widerspricht Meiers Anwältin Steffi Hübner aus Kall dieser Darstellung.

Nach einem Autounfall 2019 war Meier vom Amtsgericht in Daun zu einer Strafe von 1600 Euro und drei Monaten Fahrverbot verurteilt worden. In der Berufung hatte das Trierer Landgericht das Verfahren aber Anfang Januar 2021 wegen Geringfügigkeit gegen Zahlung von 1200 Euro eingestellt.

Neuer Inhalt

Froh über den Erfolg ist Anwältin Steffi Hübner aus Kall. 

Weil die Polizisten, die nach dem Unfall im Einsatz waren, Anzeige gegen Meier erstattet hatten, wurde die Kreisverwaltung Euskirchen informiert. Die kam aufgrund der Aussagen eines Zeugen und des Notarztes sowie eines Attests, das der Familienvater aus Dottel selbst beim Landgericht vorgelegt hatte, zu dem Schluss, dass es Zweifel an Meiers Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gebe.

Der 57-Jährige habe damals nach dem Unfall unter anderem erklärt, er leide an psychischen Vorerkrankungen mit starken Angstzuständen und nehme ein Neuroleptikum ein. Deshalb, so argumentierte der Kreis, müsse sich Meier entweder einer psychiatrischen verkehrsmedizinischen Begutachtung unterziehen oder seinen Führerschein abgeben.

Kaller will Aussagen unter Schock gemacht haben

Der 57-Jährige hatte seine Aussagen unmittelbar nach dem Unfall damit erklärt, dass er unter Schock gestanden und vom Notarzt Dormicum bekommen habe. Er habe nicht mehr kontrollieren können, was er gesagt habe. „Ich habe seit dem 18. Lebensjahr den Führerschein und bin – egal, ob mit dem Auto oder dem Motorrad – ein defensiver Fahrer.“

Er habe ja auch erst vor einigen Jahren erfahren, dass er ADHS habe. Die Aufforderung des Kreises, das Gutachten beizubringen, bezeichnete er als eine „extreme Diskriminierung und Nötigung“.

Kreisverwaltung sprach irrtümlich von Verurteilung

Die Kreisverwaltung hatte in ihrem Schreiben darauf verwiesen, dass der 57-Jährige nach dem Unfall rechtskräftig verurteilt worden sei. Anwältin Hübner musste daraufhin beim Kreis klarstellen, dass es keine Verurteilung gegeben habe.

Trotzdem forderte die Verkehrsbehörde Meier in der Folge auf, den Führerschein abzugeben. In der Ordnungsverfügung vom 4. Juli wurde dem Dotteler verboten, „fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge“ im Straßenverkehr zu führen. Ferner wurde ihm mit einem Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro gedroht.

Klage eingereicht

Gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Zahlungsaufforderung des Kreises hatte der 57-Jährige Klage beim Verwaltungsgericht in Aachen eingereicht. Hübner hatte ein Eilrechtsschutzverfahren beantragt, um die sofortige Vollziehung des Zwangsgeldes zu verhindern.

Vom Gericht gab es nun eine erste Einschätzung und rechtliche Hinweise. „Die Richterin folgt dabei im Wesentlichen meiner Argumentation“, sagt die Anwältin. Kritisiert werde zum Beispiel, dass der Kreis sich auf die Zeugenaussagen nach dem Unfall beziehe, obwohl das Verfahren eingestellt worden war.

Gericht kritisiert Kreisverwaltung in vielerlei Hinsicht

Auch habe es der Kreis versäumt, Zeugen selbst anzuhören oder Meiers Medikamentenliste zu prüfen. Der Dotteler sei zudem bislang im Straßenverkehr nicht negativ in Erscheinung getreten. Ferner bemängelt das Gericht auch den sehr allgemeinen Umgang mit der Krankheit ADHS.

Der Kreis zog daraufhin seine Verfügung zurück. „Es ist schön, dass der Kreis einlenkt und die Kosten übernimmt“, so die Anwältin. Schade sei, dass es deshalb in dem Fall kein Urteil gebe: „Dadurch ist es leider kein Präzedenzfall für künftige Verfahren.“

Kaller vermisst Entschuldigung des Kreises Euskirchen

„Offenbar hat man in der Kreisverwaltung eingesehen, dass man keine Chance hat, meinen Führerschein einzufordern“, sagt Meier. „Traurig finde ich jedoch, dass der Kreis Euskirchen zwar sehr schnell im Schreiben von gelben Briefen mit hässlichem Inhalt und unhaltbaren Vorwürfen ist, aber nicht einmal den Anstand hat, sich bei mir zu entschuldigen.“

Von einer Wiedergutmachung für den erlittenen gesundheitlichen Schaden und das zwei Monate anhaltende Fahrverbot könne er ebenfalls nur träumen. „Die Rechnung für diesen Unsinn müssen jetzt die Bürger des Kreises Euskirchen bezahlen, also wir alle.“

Ein vernünftiges Gespräch, das er mehrfach angeboten habe, sei immer wieder abgelehnt worden. „So eine Auseinandersetzung nimmt einen schon mit. Insofern ist für mich schon ein Riesenschaden entstanden“, sagt der 57-Jährige.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Für Herrn Meier wäre ein persönliches Gespräch sehr wichtig gewesen. Das gehört aber leider nicht zum normalen Ablauf bei Behörden“, berichtet Hübner, die auch einige Betreuungsfälle bearbeitet.

Dabei habe sie immer wieder festgestellt, dass es in Verwaltungen Defizite im Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen gebe. Sie plädiert dafür, dass Verwaltungsmitarbeiter für diese Fälle mehr geschult werden.  

Rundschau abonnieren