Wegen ADHSStreit mit dem Kreis über Fahrtauglichkeit geht für Mann aus Kall-Dottel weiter

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann steht an einem alten Traktor, im Hintergrund sind einige Motorräder zu sehen.

Einen alten Traktor und einige Motorräder hat Ralf Meier in seiner Garage. Er hofft, dass er damit auch künftig fahren kann.

Seit zwei Jahren streitet Ralf Meier aus Kall-Dottel mit dem Kreis Euskirchen. Weil er ADHS hat, soll er seine Fahrtauglichkeit mit einem Gutachten nachweisen.

Rund vier Monate hatte Ralf Meier aus Kall-Dottel Ruhe. Doch nun geht der seit zwei Jahren laufende Streit über seinen Führerschein weiter. Der Kreis Euskirchen hat den Familienvater, der eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) hat, jetzt aufgefordert, sich innerhalb eines Monats einer verkehrsmedizinisch-neuropsychologischen Begutachtung zu unterziehen.

Kommt er dem nicht nach, dann werde der Führerschein eingezogen. Meier und seine Anwältin Steffi Hübner aus Kall prüfen rechtliche Schritte.

Bei dem 57-Jährigen war vor einigen Jahren ADHS diagnostiziert worden. Nach einem Verkehrsunfall im August 2019 war der Dotteler   vom Amtsgericht in Daun in erster Instanz zu einer Strafe von 1600 Euro und drei Monaten Fahrverbot verurteilt worden. Das Trierer Landgericht hatte das Verfahren dann aber Anfang Januar 2021 gegen Zahlung von 1200 Euro eingestellt.

Erste Aufforderung des Kreises Euskirchen kam im April 2022

Mitte April 2022 forderte dann die Kreisverwaltung Euskirchen Meier in einer Anordnung auf, sich einer psychiatrischen verkehrsmedizinischen Begutachtung zu unterziehen. Begründet wurde dies mit Aussagen eines Zeugen und des Notarztes, der Meier nach dem Unfall versorgt hatte, sowie einem Attest, das der 57-Jährige selbst dem Landgericht vorgelegt habe. Daraus würden sich Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergeben.

Meier sprach von Diskriminierung und betonte, dass er seit seinem 18. Lebensjahr den Führerschein habe und ein defensiver Fahrer sei. Er habe auch keinen Punkt in Flensburg. Dabei sei er neben seinem Auto auch mit seinem Motorrad, einer Royal Enfield, unterwegs.

Ralf Meier klagte erfolgreich beim Verwaltungsgericht Aachen

Als der Kreis Meier dann aufforderte, seinen Führerschein abzugeben, reichte seine Anwältin Klage beim Verwaltungsgericht in Aachen ein. Nach einer ersten Einschätzung und rechtlichen Hinweisen des Gerichts zog der Kreis dann Mitte September 2022 seine Verfügung zurück und übernahm die Kosten des Verfahrens. „Das Verwaltungsgericht Aachen hatte die Ordnungsverfügungen lediglich aus formalen Gründen beanstandet. Das Gericht hatte in seiner Begründung aber ausdrücklich mitgeteilt, dass eine ,präventive Maßnahme der Gefahrenabwehr’ ergriffen werden kann, insbesondere mit Blick auf die Medikamente, die Herr Meier erhalten habe“, teilt Kreispressesprecher Wolfgang Andres auf Nachfrage mit.

Steffi Hübner spricht dagegen von einem eindeutig „rechtswidrigen Bescheid“:   „Kritisiert wurde von dem Gericht zum Beispiel, dass der Kreis sich auf die Zeugenaussagen nach dem Unfall beziehe, obwohl das Verfahren eingestellt worden war.“ Auch habe es der Kreis versäumt, selbst Zeugen anzuhören oder Meiers Medikamentenliste zu prüfen. Der Dotteler sei bislang im Straßenverkehr nicht negativ in Erscheinung getreten. Das Gericht habe   zudem den sehr allgemeinen Umgang mit der Krankheit ADHS bemängelt.   Hübner verwies zudem darauf, dass mehrere Gesprächsangebote von Meier vom Kreis stets abgelehnt worden waren.

Kreis Euskirchen äußert erneut Bedenken an Fahrtauglichkeit

Nun flatterte Meier eine erneute Anordnung des Kreises ins Haus. In der Begründung bezieht sich die Behörde wieder auf Zeugenaussagen vom Unfall 2019, auf das von Meier im Prozess vorgelegte fachärztliche Attest sowie auf einem Medikamentenplan und kommt zu dem Ergebnis: „Durch ein Mischbild neurologischer-psychiatrischer Erkrankungen bestehen bei Ihnen Symptome, die sich nachteilig auf Affektivität, Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen und die Impulskontrolle auswirken können.“ Dadurch könnten Wahrnehmungen beeinträchtigt werden. Die aktuell eingesetzten Arzneimittel könnten ebenfalls die Fähigkeit zum Fahren beeinträchtigen. „Aufgrund der Gesamtumstände haben sich Bedenken an Ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergeben“, erklärt die Kreisverwaltung.

Weiter heißt es: „Gegen diese Anordnung können Sie nach geltender Rechtssprechung keinen förmlichen Rechtsbehelf einlegen.“ Nur die Maßnahmen, die aufgrund des Gutachtens oder der Nichtbeachtung der Anordnung getroffen würden, seien anfechtbar.

Kaller Anwältin kann das Vorgehen nicht nachvollziehen

„Es ist so gekommen, wie ich es befürchtet hatte“, erklärte ein resignierter Meier. Die Begründungen des Kreises seien zum Teil haarsträubend: „Die Medikamente, die ich nehme, haben keinen Einfluss auf meine Fahrtüchtigkeit.“ Meier hat das   Schreiben an seine Anwältin weitergeleitet und geht davon aus, „dass wir wieder beim Verwaltungsgericht klagen müssen“. Das ist, so Hübner, aber erst möglich, wenn der Kreis den Führerschein einziehen will: „Gegen die jetzige Anordnung einer Begutachtung sind keine Rechtsmittel möglich.“

„Man merkt an dem Schreiben, dass sich der Kreis intensiver mit dem Fall auseinandergesetzt hat“, erklärt Hübner. Sie geht davon aus, dass die Angelegenheit wieder vor dem Verwaltungsgericht landen wird. Die Anwältin hatte schon im Rahmen des Verfahrens mehrfach kritisiert, dass es in Verwaltungen oft Defizite im Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen gebe. Meier sei ein Beispiel dafür.

Das jetzige Vorgehen des Kreises kann die Anwältin nicht nachvollziehen: „Ich weiß nicht, ob so etwas sein muss.“

Rundschau abonnieren