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Seit 30 JahrenSo hilft die Verbraucherzentrale Euskirchen den Opfern von Abzocke

Lesezeit 5 Minuten
Die Vertreterinnen der Verbraucherzentrale und Markus Ramers stehen nebeneinander. Ramers hält eine Geschenkkiste in den Händen.

Feierten 30 Jahre Verbraucherzentrale Euskirchen: Dr. Iris van Eik (Bereichsleiterin Beratung und Bildung der Verbraucherzentrale NRW, v.l.), Monika Schiffer (Leiterin Verbraucherzentrale Euskirchen), Landrat Markus Ramers und Beate Fackeldey (Regionalleiterin der Verbraucherzentrale NRW)

1995 war ihre Gründung umstritten, heute ist die Verbraucherzentrale Euskirchen nicht mehr wegzudenken. Allein 2024 wurde sie 4500 Mal angefragt.

Wenn statt des online bestellten Handys ein Glas Gurken geliefert wird, ist das zumindest mal ärgerlich. Vor allem, wenn die Rechnung schon bezahlt worden ist.

Wenn der Wechsel des Stromanbieters an einem Zahlendreher scheitert und plötzlich zwei Anbieter Rechnungen schicken, kann das schon mal Verbraucher in arge wirtschaftliche Nöte bringen – und Zukunftsangst verbreiten. Und wer auf einen Laden in Fernost hereinfällt, den es lediglich als Fake im Netz gibt, schämt sich womöglich.

Beraterinnen müssen die Hilfesuchenden oftmals beruhigen

Ärger, Angst, Wut und Scham - bevor die Leiterin der Verbraucherzentrale in Euskirchen, Monika Schiffer, und ihre drei Mitarbeiterinnen die rechtlichen Schritte für die Hilfesuchenden erörtern und in Angriff nehmen, ist erstmals Einfühlungsvermögen und beruhigendes Einwirken gefragt. „Auch darauf sind vorbereitet“, erklärt Schiffer, die seit 18 Jahren die Geschäftsstelle leitet.

Allein im vergangenen Jahr suchten Verbraucherinnen und Verbraucher 4500 Mal Rat bei der Verbraucherzentrale, die vor 30 Jahren – damals noch als Ein-Frau-Betrieb – ihre Arbeit aufnahm. Gerne hätte Schiffer den ersten Jahresbericht herangezogen, um zu zeigen, welche Themen Dauerbrenner sind und welche Sorgen von damals aktuell keine Rolle mehr spielten. Doch der erste Jahresbericht fiel der Flutkatastrophe im Juli 2021 zum Opfer.

Eine Jahresrechnung für Strom wird vor einen Stromzähler in einem Privathaushalt gehalten.

Der Energiesektor bereitete dem Team der Verbraucherzentrale Euskirchen auch 2024 wieder viel Arbeit.

„Ob ungewollte Vertragsabschlüsse, Probleme im Onlinehandel oder mit dem Pfändungsschutzkonto: Anfragen erreichten uns aus allen Bevölkerungsgruppen und zur ganzen Themenpalette des Verbraucheralltags“, berichtet Monika Schiffer über ihr Hauptbetätigungsfeld im Jahr 2024.

Die Energiekrise, die der russischen Vollinvasion in der Ukraine 2022 folgte, hatte auch auf 2024 noch Auswirkungen, berichtet Schiffer und nennt die häufigsten Fragen und Problem der Ratsuchenden: Sind die Energierechnungen für das Lieferjahr 2023 korrekt? Sind die „Energiepreisbremsen“ für Strom, Gas und Fernwärme richtig berücksichtigt worden? Ist die Erhöhung der Abschlagszahlung meines Energieversorgers rechtmäßig? Habe ich wirklich einen neuen Liefervertrag geschlossen oder ist mir während eines Telefonats oder an der Haustür etwas untergeschoben worden?

Opfer der Abzocker sind oft Geflüchtete und Senioren

„Viele Ratsuchende“, so Schiffer, „suchten Hilfe bei Rechnungsfragen, Rückforderungen oder Abwehr untergeschobener Verträge.“ Denn die weniger seriösen Firmen suchten sich ihre Opfer gerne in den Gruppen, die sich am wenigsten wehren könnten: Geflüchtete mit Sprachproblemen etwa, denen absurd kostenträchtige Handyverträge untergejubelt würden. Oder ältere Menschen, denen schnelle Entscheidungen abgerungen würden, die sich hinterher als sehr teuer erwiesen.

Manchmal seien es teure Ärgernisse wie kostenpflichtige Retouren nach Übersee oder ungewollt abgeschlossene Abonnements, berichtet Monika Schiffer. Zuweilen werde es auch existenziell, etwa bei drohendem Verlust des Krankenversicherungsschutzes, verweigerten Zugriffen auf Pfändungsschutzkonten oder Energiesperren.

Vorbeugender Rat und Aufklärung werden immer wichtiger.
Monika Schiffer, Leiterin der Verbraucherzentrale Euskirchen

„Wir unterstützen individuell, um Verbraucherrechte durchzusetzen oder unberechtigte Forderungen abzuwenden. Falls nötig legen wir Widersprüche ein oder vereinbaren Ratenzahlungen. Damit tragen wir auch zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Betroffenen bei und entlasten sie von oftmals großem psychischen Druck“, erläutert Schiffer.

Ein Dauerbrenner sei auch der Ärger rund um Verträge und Tarife bei Mobiltelefonen. Nicht selten seien hier unseriöse Praktiken im Spiel, erläutert Schiffer und nennt ein Beispiel: 2024 hätten Schreiben eines Telekommunikationsanbieters für Irritation gesorgt.

Wichtiges Thema in Schulen: Kostenfallen beim Onlineshopping

Dieser habe Verbraucherinnen und Verbraucher unter einem vermeintlichen Anbieterwechselauftrag zur Rufnummer-Mitnahme aufgefordert. „Damit suggerierte der Anbieter, dass bereits Verträge abgeschlossen wurden, obwohl die Betroffenen erklärten, zuvor keinen Vertrag abgeschlossen zu haben“, erklärt die Beratungsstellenleiterin.

Manche Ratsuchende wurden auch mit Schadensersatzforderungen konfrontiert. „Wir haben Betroffenen mit Informationen über Widerrufsmöglichkeiten und Musterbriefen geholfen“, so Schiffer.

In den drei Jahrzehnten habe die Euskirchener Verbraucherzentrale zudem viele Umweltthemen aufgegriffen, etwa Bio- und regionale Lebensmittel oder Ökostrom. In diesem Zusammenhang erinnerte Schiffer an die Wanderausstellung „Konsum im Wandel“, die im vergangenen Jahr im Kreishaus Anregungen rund um die Themen Ernährung, Mode, Wohnen und Mobilität aufgriff.

Mit dieser Öffentlichkeitsarbeit könnten Abzocke oder unnötig teures Verhalten verhindert werden. „Vorbeugender Rat und Aufklärung werden immer wichtiger“, so Schiffer über ihre Arbeit.

Daher seien sie und ihr Team auch viel in den Schulen und Berufskollegs unterwegs, um jungen Menschen nahezubringen, was beim Versichern und Vorsorgen wichtig ist, wie man beim Datenschutz in sozialen Netzwerken sichergeht oder welche Kostenfallen beim Onlineshopping oder in Apps lauern können.


Trotz Zerstörung durch die Flut arbeitete Verbraucherzentrale weiter

In der Regel ist es ja so: Monika Schiffer, die Leiterin der Verbraucherzentrale Euskirchen, bringt einmal im Jahr den Jahresbericht der Beratungsstelle ins Kreishaus zu Landrat Markus Ramers. Schließlich ist er der Repräsentant des Kreises, der wiederum Auftraggeber und Finanzier der Beratungsstelle ist.

In diesem Jahr jedoch war das mal anders: Ramers kam mit einer Geschenkkiste unter dem Arm in die Geschäftsstelle an der Wilhelmstraße. Auch Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt, Bundestagsmitglied Detlef Seif und CDU-Kreistagsfraktionschefin Ute Stolz waren dabei, ebenso Dr. Iris van Eik (Bereichsleiterin Beratung und Bildung der Verbraucherzentrale NRW) und Beate Fackeldey (Regionalleiterin der Verbraucherzentrale NRW).

Denn die Verbraucherzentrale wird 30 Jahre alt. Nach einigem politischen Hickhack wurde sie 1995 von der Stadt Euskirchen ins Leben gerufen, das Land NRW beteiligte sich an der Finanzierung. Zehn Jahre später stieg dann der Kreis nach und nach ein. „Das ergibt auch Sinn, weil ja Menschen aus dem gesamten Kreisgebiet hier eine Anlaufstelle haben“, so Ramers.

Vor allem, weil immer mehr Kontakte telefonisch und online liefen, spielten die Entfernungen eine immer geringere Rolle. Im Laufe der Jahre, sagte der Landrat, hätten so das Mitarbeiterinnen-Team und die Hilfsangebote erweitert werden können. Erst kürzlich wurde der Vertrag zwischen der Verbraucherzentrale und dem Kreis verlängert. Vorerst bis 2029 ist damit deren Bestand gesichert. 

Nicht zuletzt lobte Ramers den Einsatz nach der Flut 2021, die auch die Geschäftsstelle der Verbraucherzentrale in Euskirchen völlig zerstörte. „15 Monate stand sie ohne Räumlichkeiten da“, so Ramers: „Dennoch wurde die Arbeit fast nahtlos fortgesetzt. Bis auf wenige Tage war die Verbraucherzentrale weiter für die Menschen im Kreis da.“ Gerade in dieser schwierigen Zeit sei das besonders wichtig gewesen.