„Es ist einfach nichts mehr da“Grundstücke im Kreis Euskirchen begehrt – Kaufpreise über Richtwerten

Lesezeit 4 Minuten
An diesen beiden Baustellen in Mechernich entstehen Mehrfamilienhäuser.

Am Georges-Girard-Ring in Mechernich entstehen in drei Mehrfamilienhäusern insgesamt 43 Wohneinheiten, ein Großteil davon als Mietwohnungen. Das tut Not, denn die Nachfrage im Kreis ist groß, das Angebot gering.

Der Verkauf von Bauland im Kreis Euskirchen ist eingebrochen. Trotzdem steigen die Preise leicht.

Diese Entwicklung ist außergewöhnlich: Der Kauf von Baugrundstücken für Häuslebauer im Kreis Euskirchen ging 2022 um rund die Hälfte zurück. 2021 wurden noch 592 Kaufverträge abgeschlossen, 2022 waren es lediglich 293. Das geht aus dem aktuellen Grundstücksmarktbericht des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Euskirchen hervor.

Der Hauptgrund für diesen Einbruch liege aber nicht in einer Zurückhaltung Bauwilliger wegen Inflation, Zinssteigerungen oder steigenden Baupreisen. „Die Nachfrage nach Baugrund im Kreis Euskirchen ist weiterhin hoch“, stellt Bernd Pützer, Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte, fest: „Das Angebot bleibt aber insgesamt gering.“

Im Kreis Euskirchen gibt es zwei Interessenten pro Bauplatz

Die Nachfrage ist sogar so groß, dass es etwa zwei Interessenten pro Bauplatz gebe, so die Geschäftsstellenleiterin des Gutachterausschusses, Bianca Zavelberg. Im Kreis gebe es aber kaum noch Baulandreserven.

So wurden laut Gutachtern etwa in der Gemeinde Weilerswist im Vorjahr lediglich neun Grundstücke für den Bau von Ein- oder Zweifamilienhäusern verkauft. „Es ist einfach nichts mehr da“, so Zavelberg. Daher sei es auch bedauerlich, dass die geplante Erschließung eines Neubaugebietes in Hausweiler nicht so richtig in Gang komme.

Die Kommunen mit Nähe zu Köln erfreuten sich immer noch großer Beliebtheit bei Bauwilligen. Im Stadtgebiet Euskirchen wurden aber auch lediglich 32 Grundstücke verkauft, in Mechernich 31 und in Zülpich 30.     Dabei handele es sich in Euskirchen vorrangig um „Restbestände“, denn die meisten unbebauten Grundstücke stünden noch nicht zum Verkauf, erläutert Zavelberg.

Viele sind auch bereit, tiefer in die Tasche zu greifen

Der ein oder andere, der das nötige Kleingeld hat, ist dann nach langer Suche offenkundig auch bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Die Preise der Baugrundstücke für Ein- und Zweifamilienwohnhäuser sind dem Bericht zufolge in den Städten und Gemeinden gegenüber dem Vorjahr im Schnitt zwar nur leicht gestiegen, doch es greifen die Mechanismen von Angebot, Nachfrage und Preis. „In Einzelfällen wurden in guten und sehr guten Wohnlagen dieser Gemeinde- und Stadtgebiete Kaufpreise gezahlt, die deutlich über den Bodenrichtwerten lagen“, stellen die Gutachter fest.

Wenn das rare Gut Bauland etwa in Euskirchen den Besitzer wechselt, gehen laut Bianca Zavelberg auch schon mal 400 oder 500 Euro pro Quadratmeter über den Tisch – also für Beträge teils weit über dem Bodenrichtwert. Diesen hat der Gutachterausschuss zum Stichtag 1. Januar 2023 für die Stadt Euskirchen bei 400 Euro je Quadratmeter festgelegt, für Weilerswist bei 360 und für Zülpich bei 370 Euro.

Auch im Südkreis haben die Preise leicht angezogen

Auch im Süden des Kreises haben die Preise für erschlossenes Bauland leicht angezogen. So führt die Gemeinde Hellenthal die kreisweite Tabelle der Baugrundstücksverkäufe 2022 mit 50 Kaufverträgen an, Schleiden kam auf 35. Die Preise im Südkreis liegen nun im Schnitt bei 30 bis 100 Euro je Quadratmeter. „Teilweise“, so die Gutachter, „haben sich die Preise dort stabilisiert.“

Während der Pandemie habe sich verstärkt herumgesprochen, dass der Arbeit nicht immer in den Bürohäusern der Ballungsgebiete nachgegangen werden muss, sondern auch in den heimischen vier Wänden in schöner Naturlandschaft, wo der Traum von den eigenen vier Wänden noch erschwinglicher ist beziehungsweise mehr Grundstück fürs Geld gibt. Und wer nur noch ein- oder zweimal in der Woche nach Köln oder Bonn pendele, spart zudem Fahrtkosten.

Die Verkäufe im Kreis Euskirchen

  • Häuser: 1180 neue oder gebrauchte Ein- und Zweifamilienhäuser wurden 2022 verkauft, rund 4,3 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Die Preise sind leicht gestiegen.
  • Wohneigentum: Hier wurde von den Gutachtern ein Rückgang von 33 Prozent festgestellt: 292 neue oder gebrauchte Eigentumswohnungen haben demnach 2022 im Kreis den Besitzer gewechselt. Insbesondere die geringe Anzahl an Erstverkäufen (76) sorge für den Sinkflug. Ähnlich wie bei den Baugrundstücken kann auch bei den Wohnungsverkäufen das Angebot die Nachfrage nicht befriedigen. So sei vermehrt von einer Vorsicht der Bauträger zu hören, berichtet Zavelberg. Angesichts gestiegener Baukosten würden Zweifel laut, dass sich die Projekte trotz hoher Verkaufspreise noch rechneten. Längere Bauzeiten und Lieferschwierigkeiten täten ihr Übriges. Aber auch hier greift die Marktwirtschaft: Die Preise für Erstverkäufe stiegen 2022 im Schnitt um elf Prozent. „Für neue Eigentumswohnungen in der Kernstadt Euskirchen wurden durchschnittlich rund 3800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche je nach Lage und Ausstattungsstandard gezahlt“, stellen die Gutachter fest. Bei Bestandswohnungen gab es einen leichten Preisanstieg.
  • Landwirtschaft: Im Jahr 2022 sind laut dem Gutachterausschuss im Kreis Euskirchen rund 227 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen in 136 Kauffällen veräußert worden – rund vier Prozent weniger als im Jahr zuvor. „Die Preise sind in weiten Teilen des Kreisgebietes leicht gesunken“, heißt es im Bericht. Bei einer Bodengüte von rund 70 (der beste Boden in Deutschland hat die Bodengüte 100) wurden demnach im Bereich Euskirchen, Weilerswist, Zülpich für Ackerflächen durchschnittlich 4,30 Euro bis 10 Euro pro Quadratmeter gezahlt, im südlichen Kreisgebietes bei Zahlen von 30 bis 35 Bodenpunkten überwiegend Grünlandflächen zu Durchschnittspreisen von 1,10 Euro bis 2,90 Euro pro Quadratmeter.
  • Forstwirtschaft: Bei den forstwirtschaftlichen Nutzflächen betrug der Flächenumsatz bei 94 Kauffällen insgesamt rund 147 Hektar. Der durchschnittliche Kaufwert lag bei 1,64 Euro je Quadratmeter inklusive vorhandenem Aufwuchs. „Das Preisniveau ist gegenüber 2021 in etwa gleichbleibend“, haben die Gutachter bei der Auswertung der Kaufverträge ermittelt.

Der Grundstücksmarktbericht

2700 Mal wechselten im Jahr 2022 im Kreis Grundstücke den Besitzer. Dabei handelt es sich um land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, baulich nutzbare Flächen, bebaute Grundstücke sowie weitere Teilmärkte. Das waren 15 Prozent weniger Verkäufe als im Jahr zuvor, ist dem Grundstücksmarktbericht 2023 zu entnehmen. Bei diesen Verkäufen wurden insgesamt 676,5 Millionen Euro umgesetzt. Das wiederum sind rund fünf Prozent mehr als im Jahr 2021.

Der Bericht stützt sich auf Auswertungen der im Jahr 2022 registrierten Kaufverträge des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs sowie auf die Beschlüsse des Gutachterausschusses. Bei der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses im Kreishaus Euskirchen können Grundstücksmarktberichte gegen eine Gebühr von 50 Euro erworben werden. Auf Antrag durch die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses schriftlich aufbereitete oder bereitgestellte Daten sind ebenfalls kostenpflichtig. Telefonische Auskünfte können unter 0 22 51/15-346 und 15-347 erfragt werden.

Der Grundstücksmarktbericht, die Bodenrichtwerte sowie die Immobilienrichtwerte für gebrauchte Eigentumswohnungen und für Ein- und Zweifamilienhäuser im Kreis Euskirchen können über das Internetportal des Landes Nordrhein-Westfalen kostenlos eingesehen und heruntergeladen werden. Die aktuellen Daten sind dort bereits verfügbar. Boris-NRW ist das zentrale Informationssystem der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen und stellt die amtlichen Informationen zum Grundstücksmarkt kostenfrei bereit. (sch)  

Rundschau abonnieren