Seit knapp einem Jahr leitet Dirk Kilburg die Direktion Verkehr im Kreis Euskirchen. Er wünscht sich mehr Personal. Social Media erschwert die Arbeit.
2024 war „Horrorjahr“Euskirchener Polizist über illegale Autorennen und Todesnachrichten

Vor allem schwerste Unfälle, wie hier in Vussem vor einigen Jahren, belasten auch die Polizeibeamten.
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Die Polizei im Kreis Euskirchen registrierte im vergangenen Jahr 6046 Verkehrsunfälle – davon 5460 mit Sachschaden. Bei 586 Unfällen wurden laut Polizei Menschen verletzt – insgesamt 753 Personen. 23 Menschen starben.
20-köpfiges Team kümmert sich im Kreis Euskirchen um Unfälle
Für sämtliche Verkehrsdelikte ist im Kreis Euskirchen das Verkehrskommissariat 1 zuständig. Das Verkehrskommissariat 2 ist das Verkehrsunfallaufnahmeteam. Das zählt aber nicht zum Standort in Mechernich und kommt auch in anderen Kreisen zum Einsatz. Die Direktion Verkehr wird seit knapp einem Jahr von Dirk Kilburg geleitet.
„Wir kümmern uns um alle Verkehrsunfälle von Losheim bis Metternich, alle Verkehrsstraftaten und alle Verkehrsordnungswidrigkeiten“, sagt Kilburg. Das 20-köpfige Team bearbeitet Unfälle genauso wie Fahrerfluchten oder leistet andere wichtige Arbeit. „Mit eingerechnet sind dabei die vier Kolleginnen und Kollegen von der Prävention und dem Opferschutz“, so Kilburg. Das Team setze sich aus 17 Polizeibeamten und drei Regierungsbeschäftigten zusammen. „Jeder macht hier alles, aber jeder ist auch für einen Bereich Spezialist“, erklärt er.
2024 starben 23 Menschen auf den Straßen im Kreis Euskirchen
Der Leiter der Direktion Verkehr wünscht sich mehr Personal. Der Grund: die Arbeitsbelastung der Kollegen, die auch die Seele belaste. „Wir hatten im vergangenen Jahr ein Horrorjahr. 23 Menschen sind auf den Straßen im Kreis Euskirchen ums Leben gekommen“, sagt Kilburg: „Wir haben maximal drei Beamte, die sich um die tödlichen Unfälle kümmern. Bei 20 Unfällen, die tödliche Folgen haben, macht das mit einem etwas“, sagt Kilburg: „Die Leichenschau ist belastend, die Betreuung der Angehörigen natürlich auch. Wir haben aber auch traumatisierte Zeugen. Das führt dann auch zu einer Überlastung.“
Es sei aber auch die Masse an Fällen, die auf den Schreibtischen der Beamten landen, die Spuren hinterlasse, so der Leiter der Direktion Verkehr.
Wir müssen schneller sein als Facebook.
Früher habe man sich mitunter intensiv auf die Überbringung der Todesnachricht vorbereitet. Man habe beispielsweise recherchiert, welches soziale Umfeld zu erwarten sei. Dafür bleibe heute kaum noch Zeit, so Kilburg. Der Grund: Social Media. „Wir müssen schneller sein als Facebook“, sagt er: „Das schließt leider jede Vorbereitung aus.“
Kilburg und seine Kollegen beobachten immer wieder, dass ungefilterte Fotos von Unfallstellen in Sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, die sich dann wie ein Lauffeuer verbreiten. „Es kommt vor, dass die Angehörigen schon wissen, dass etwas Schlimmes passiert ist, wenn die Kollegen klingeln oder sie sogar an der Unfallstelle erscheinen“, berichtet Kilburg.
„Auch GPS-Tracker und Smartwatches sind ein Fluch der Zeit“, sagt der Polizist: „Wenn Eltern ihr Kind übers Handy tracken und auf dem Schulweg feststellen, dass es sich seit zehn Minuten nicht mehr bewegt hat, dann führt das dazu, dass die Eltern an der mutmaßlichen Unfallstelle auflaufen.“
Auch damit beschäftigt sich das Verkehrskommissariat 1: Unfallflucht
Hier registrierte die Euskirchener Polizei im vergangenen Jahr 1015 Fälle. Nach Angaben von Kilburg wurden 467 aufgeklärt. Das entspricht einer Quote von 43,9 Prozent. „Damit liegen wir deutlich über dem Landesdurchschnitt. Und das ist ein Wert, auf den wir stolz sein können“, sagt er. Zum Schatten in diesem Bereich der Statistik gehört auch dass bei den Verkehrsunfallfluchten laut Polizei 49 Menschen verletzt wurden – zehn mehr als 2023. „Diese Zahl ist erschreckend“, so Kilburg.

6046 Verkehrsunfälle ereigneten sich im vergangenen Jahr auf den Straßen im Kreis Euskirchen. Die Beamten waren täglich im Einsatz.
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Bei Unfallfluchten greife man häufig auf Aufnahmen der Videoüberwachung zurück. „Was uns schon mal Probleme macht, ist die Speicherfrist. Da müssen wir entsprechend schnell reagieren“, erklärt Kilburg: „Wenn wir nicht schnell sind, dann sind die Aufnahmen unwiderruflich weg.“ Hier kann auch die Technik der Autos helfen. „Wenn ein Tesla beschädigt wird, sind wir immer sehr dankbar. Die im Fahrzeug verbaute Kameraüberwachung ist so gut, dass wir immer den Verursacher samt Kennzeichen sehen können“, so Kilburg.
Wer Zeuge einer Unfallflucht werde, solle sofort die Polizei rufen und sich das Nummernschild merken. Wenn in einem Auto eine Dashcam verbaut ist, ziehe man die Aufnahmen als Beweismittel hinzu. Ob das Gericht die Aufnahmen der Kamera zulasse, stehe aber auf einem anderen Blatt.
Digitalisierung spielt bei der Unfall-Aufklärung eine große Rolle
Vor allem bei schwersten Verkehrsunfällen wertet die Polizei digitale Spuren aus. Dazu gehören beispielsweise das Airbag-Steuergerät, das Navi und das Infotainment-System. „Das Airbag-Steuersystem zeichnet permanent auf, überschreibt sich aber alle fünf Sekunden, wenn nichts passiert. Wenn das ABS oder auch der Airbag auslöst, werden die letzten fünf Sekunden davor aufgezeichnet“, so Kilburg: „Da ist die Geschwindigkeit drauf, die Gas- und Bremspedalstellung in Prozent, bei vielen Herstellern der Lenkwinkel des Lenkrads und der Gurtstatus. So wissen wir immer, was fünf Sekunden vor dem Unfall passiert ist.“
„Illegale Autorennen sind ein großes Thema im Kreis Euskirchen“, so Kilburg. Dazu gehöre auch, wenn jemand vor einem Streifenwagen flüchtet. „Das ist definitiv mehr geworden“, sagt der Polizist. Eine Problemstrecke sei die L165 in Richtung Schuld – gerade mit Blick auf Motorradfahrer. „Wenn ich alleine zwischen Schuld und Esch immer wieder hin und her fahre und versuche, das immer schneller zu tun, dann ist das eine Straftat“, berichtet Kilburg. Entsprechend werde man die Strecke weiter intensiv kontrollieren.
Die Aufklärungsabeit nach einem Unfall
Die Digitalisierung habe die Arbeit der Polizei deutlich erleichtert, sagt Dirk Kilburg, Leiter der Direktion Verkehr bei der Euskirchener Polizei: „Mittlerweile sind Beweisverfahren möglich, die vor fünf Jahren noch undenkbar waren.“
Als Beispiel nennt er einen Unfall, der sich im Juli 2024 auf dem Keltenring in Euskirchen ereignet hat. Zwei völlig unterschiedliche Unfallschilderungen seien bei den Beamten vor Ort zu Protokoll gegeben worden, erinnert sich Kilburg, der die Sachbearbeitung damals übernommen hatte.
Bruder und Schwester lieferten sich laut Polizei Autorennen
„Bruder und Schwester sind die beiden Autos gefahren. Die haben mehr oder weniger nichts gesagt. Außer, dass einer drehen wollte und der andere reingefahren ist“, schildert Kilburg: „Das war schon komisch. Allein wegen der großen Schäden an den Autos.“ In der Folgezeit habe man alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Mittlerweile ist die Polizei überzeugt, dass sich Bruder und Schwester ein Autorennen auf dem Ring geliefert haben, der Fahrer des Mercedes mit mehr als 200 km/h innerorts unterwegs war. Das andere Auto sei mit mehr als 100 km/h unterwegs gewesen.

Die beiden am Unfall beteiligten Autos kamen in einem Vorgarten am Keltenring zum Stehen.
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„Weit vor der eigentlichen Unfallstelle hat aus unserer Sicht der Fahrer die Kontrolle über den Mercedes verloren und stand deshalb plötzlich quer vor dem Ford. Ohne die technischen Möglichkeiten wäre das nie rausgekommen“, sagt Kilburg.
Der Fahrer war laut Kilburg im Rhein-Erft-Kreis losgefahren. Mithilfe der digitalen, technischen Daten habe man ihm auf dem Weg nach Euskirchen bereits mehrere Verkehrsverstöße nachweisen können. „Mein Ziel war es, den beiden das nicht genehmigte Kraftfahrzeugrennen vorzuwerfen“, sagt Kilburg. Mittlerweile beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft Bonn, wie Pressesprecher Dr. Sebastian Buß auf Anfrage bestätigte. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen.
Kostenlose Verwiegeaktion
Die Polizei Euskirchen veranstaltet kurz vor dem Beginn der Sommerferien eine kostenlose Verwiegeaktion für Wohnwagen und Wohnmobile. Bei der Aktion stehen nach Angaben von Christina Specht, Pressesprecherin der Polizei, Beratung und Prävention im Fokus. Mögliche Ordnungswidrigkeiten werden der Polizistin zufolge nicht geahndet. Eine Anmeldung vorab sei nicht notwendig.

Die Polizei Euskirchen veranstaltet kurz vor dem Beginn der Sommerferien eine kostenlose Verwiegeaktion für Wohnwagen und Wohnmobile.
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Die Verwiegeaktion findet am Dienstag, 1. Juli, von 14 bis 17 Uhr am Mechernicher Mühlenpark statt. Die Euskirchener Polizei bittet die Interessenten, die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) des Zugfahrzeugs und des Anhängers beziehungsweise des Wohnmobils mitzubringen.