Im Kreis Euskirchen gaben 53 Prozent der Betriebe rückläufige Gesamtumsätze zu Protokoll, der Kammerschnitt lag bei 44 Prozent.
KonjunkturumfrageDem Handwerk im Kreis Euskirchen geht es schlecht

Aus dem Bäckerhandwerk kommen gute Nachrichten, ansonsten sieht es nicht so gut aus.
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Dem Handwerk in der Region geht es nicht gut. Und im Kreis Euskirchen sieht es noch schlechter aus. So lässt sich die aktuelle Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Aachen zusammenfassen.
„Große Sorgenfalten im Kreis Euskirchen“ ist denn auch in der Umfragestudie der Kammer zu lesen, die die Einschätzung der Firmenleitungen für die nahe Zukunft aufzeigt. Im Kreis Euskirchen gaben 53 Prozent der Betriebe rückläufige Gesamtumsätze zu Protokoll, der Kammerschnitt lag bei 44 Prozent. In keiner anderen Gebietskörperschaft der Handwerkskammer Aachen war diese Zahl so hoch wie im Kreis Euskirchen: In Kreis Heinsberg lag sie 48, im Kreis Düren bei 46 und in der Städteregion Aachen bei 37 Prozent.
Flutschäden sind beseitigt – Baugewerbe befürchtet Einbruch
„Entsprechend gab es auch überdurchschnittlich viele Unternehmen, die Personal abbauen mussten (24 Prozent)“, heißt es über den Kreis Euskirchen weiter. Für das Sommerhalbjahr rechneten viele Betriebe dort mit einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. „43 Prozent befürchten Auftrags- und sogar 46 Prozent Umsatzrückgänge“, teilte die Handwerkskammer mit.
Ein Grund hierfür sei, dass vier Jahre nach der Hochwasserkatastrophe der Großteil der Flutschäden an Privathäusern, Bürogebäuden und öffentlichen Einrichtungen beseitigt worden sei, wovon in den vergangenen Jahren speziell die Betriebe des Ausbaugewerbes stark profitiert hätten. Das, so der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Aachen, Georg Stoffels, treffe den Kreis Euskirchen besonders hart, weil hier das Baugewerbe prägend sei. Kommunen und andere öffentliche Auftraggeber können laut Kammer die Flaute im privaten Baubereich nur eingeschränkt ausgleichen.
Lohndumping durch ausländische Anbieter
Dabei trete verstärkt ein Phänomen zutage, so Stoffels: „Wir beobachten ein wachsendes Lohndumping durch ausländische Anbieter.“ Zwar müssten auch diese Unternehmen in Deutschland Mindestlöhne zahlen. „Uns wurde aber gemeldet, dass teilweise Ein-Mann- oder Ein-Frau-Betriebe beauftragt werden als vermeintlich Selbstständige in einer Subunternehmerkette, die als Selbstständige nicht den Mindestlohnbestimmungen unterliegen“, erläuterte Stoffels.
Die Frage sei nun: Handelt es sich wirklich um Selbstständige oder um Scheinselbstständige? Die Folge sei jedenfalls, dass sich zunehmend einheimische Betriebe gar nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen beteiligten. „Wenn die künftige Bundesregierung unter Friedrich Merz das Tariftreuegesetz ernst meint, müssen von Anfang an wirksame Kontrollen mitgedacht werden“, fordert Stoffels.
Immer weniger Betriebe bewerten ihre Geschäftslage als „gut“
Auch wenn es im Kammerbezirk nicht überall ganz so trübe aussieht wie im Kreis Euskirchen, die Lage des Handwerks in der Region hat sich weiter angespannt. 630 Betriebe haben sich laut Kammerspitze an der Frühjahrsumfrage beteiligt. 43 Prozent der Unternehmen meldeten sinkende Auftragszahlen, 44 Prozent rückläufige Umsätze. Zudem haben 36 Prozent ihre Investitionen zurückgefahren – „ein alarmierendes Signal für die digitale und technologische Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks“, heißt es in der Studie. Insgesamt bewerteten nur noch 32 Prozent ihre Geschäftslage als „gut“. Im Herbst 2024 lag dieser Wert noch bei 40 Prozent.
Vor allem im Hochbau und den Ausbaugewerken wie Elektro oder Maler sehe es nicht gut aus. Das korrespondiert mit den sinkenden Zahlen an Baugenehmigungen – auch im Kreis Euskirchen (siehe „Flaute beim Bau“). Denn in Häusern, die erst gar nicht gebaut werden, müssen auch keine Wände bemalt und keine Heizungen eingebaut werden. Besser sieht Stoffels zufolge die Lage in Bereichen aus, die von der Energiewende profitieren: „So blicken etwa viele Dachdeckerbetriebe durchaus optimistisch in die Zukunft – auch, weil sie steigende Ausbildungszahlen verzeichnen.“
Straßenbauer und Tiefbauunternehmen erlebten ebenfalls eine wirtschaftliche Renaissance – Investitionen in die regionale Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur machen es möglich. Stoffels appelliert an die künftige Bundesregierung, die angekündigten Sonderabschreibungen rasch umzusetzen, das 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturpaket noch vor der Sommerpause mit Maßnahmen zu unterlegen und die Entbürokratisierung spürbar voranzutreiben: „Deutschland muss in den Start-up-Modus schalten.“
Lange Wartezeiten für Kunden im Kreis Euskirchen
Der Abwärtstrend im Hochbau führt unterdessen nicht dazu, dass die Wartezeiten für die Kunden kürzer werden. Die Betriebe haben sich dem Marktumfeld angepasst und der Fachkräftemangel schlägt zu. So betrug die durchschnittliche Wartezeit für die Realisierung eines Bauprojekts etwa 15 Wochen.
Einen Zimmerer konnten Kunden im Schnitt nach knapp elf Wochen bekommen, auf den Dachdecker müssten sie noch gut sechs Wochen länger warten. „Halten Sie sich gut mit Ihrem Handwerker“, rät Stoffels daher den Kunden. Maler und Lackierer kommen nach gut 16 Wochen, in der Kfz-Werkstatt brauchen die Kunden – abgesehen von Notfällen – etwa fünf Wochen Geduld.
48 Prozent der Betriebe im Kammerbezirk gehen unterdessen von steigenden Preisen aus – „und das nicht, weil sie so böse sind“, stellt Stoffels klar. Ein Grund seien die hohen Lohnnebenkosten.
Gute Auftragslage im Backhandwerk
Teilweise positive Kunde gibt es aus dem Nahrungsmittelgewerbe im Kammerbezirk. „In keinem anderen Gewerk bewerteten so viele Unternehmen ihre Lage als ,gut' oder ,befriedigend' (86 Prozent)“, teilt der Dachverband mit. Diese positive Stimmung speise sich vor allem aus einer sehr guten Auftragslage und damit hohen Umsätzen speziell im Backhandwerk. „Um die Nachfrage nach frischen Backwaren zu bedienen, stellten die Bäckereien und Konditoreien in den vergangenen Monaten überdurchschnittlich viel Personal ein und planen das auch in der Zukunft, da beide Gewerke mit einem starken Sommerhalbjahr rechnen.“
Davon können die Fleischer wiederum nur träumen. Bei ihnen kam es laut der Umfrage in der Region zu Umsatz- und Personalrückgängen. „Ein Grund dafür ist das veränderte Ernährungsverhalten der Bevölkerung und die zunehmende Verdrängung von kleineren Fleischereifachbetrieben durch größere Konzerne und Fleischtheken in den Supermärkten“, so die Kammer.
Flaute beim Bau
Die Zahl der Baugenehmigungen ist im Kreis Euskirchen 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 9,8 Prozent zurückgegangen. Wurden 2023 noch 215 Genehmigungen erteilt, waren es 2024 nur noch 194. Damit liegt der Kreis Euskirchen fast im Landesschnitt. NRW-weit sank die Zahl der Baugenehmigungen um 10,3 Prozent. Bei den erteilten Baugenehmigten im Kreis Euskirchen handelte es sich laut dem statistischen Landesamt „IT NRW“ um 149 Einfamilienhäuser (2023: 154), 33 Zweifamilienhäuser (25) und 12 Mehrfamilienhäuser (36). In den genehmigten Gebäude befinden sich insgesamt 367 Wohnungen, im Jahr 2023 waren es laut Meldung 621.
Durchwachsene Lage und wenig Optimismus
Nur 73 Prozent der Handwerksbetriebe im Kreis, die an der Frühjahrs-Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Aachen teilgenommen haben, bewerten ihre Geschäftslage als „gut“ oder „befriedigend“. Im gesamten Kammerbezirk sind es 76 Prozent. Der Kreis Euskirchen ist Schlusslicht hinter Aachen (78) Düren (76) und Heinsberg (75). Und die Aussichten machen auch keine Hoffnung: 65 Prozent gehen im Kreis davon aus, dass es besser oder zumindest nicht schlechter wird – auch das ist der niedrigste Wert im Kammerbezirk: Heinsberg (73), Düren (73), Aachen (78).
Bei der Zahl der Beschäftigten melden 76 Prozent der Betriebe im Kreis Euskirchen gestiegene oder gleichgebliebene Werte im vergangenen halben Jahr. Damit teilt sich der Kreis mit dem Kreis Düren das Schlusslicht. Aachen und Heinsberg kommen jeweils auf 79 Prozent, Kammerschnitt: 78 Prozent. 83 Prozent der Chefinnen und Chefs im Kreis Euskirchen gehen davon aus, dass die Zahl ihrer Beschäftigten steigen oder gleichbleiben wird. Der Kreis Heinsberg liegt mit 81 Prozent noch niedriger, die Städteregion Aachen (84) und der Kreis Düren (85) melden hingegen optimistischere Einschätzungen. Kammerschnitt: 83 Prozent.
Gleichbleibende Auftragseingänge
Die Auftragseingänge bei den Firmen im Kreis Euskirchen sind laut den teilnehmenden Leitungen bei 58 Prozent gleich geblieben oder gestiegen. Schlusslicht ist hier Heinsberg mit 52 Prozent und auch der Kreis Düren fällt mit 55 Prozent hinter den Wert des Kreises Euskirchen. Aachen meldet 61 Prozent. Kammerschnitt: 57 Prozent. 57 Prozent im Kreis Euskirchen erwarten, dass die Aufträge in den kommenden Monaten gleichbleiben oder steigen; in Heinsberg 63, in Düren 66, in Aachen 68 und im Gesamt-Kammerbezirk 65 Prozent.
Dass ihr Umsatz im vergangenen Halbjahr stieg oder gleich blieb, melden im Kreis Euskirchen 47 Prozent – Schlusslicht hinter Heinsberg (52), Düren (54) und Aachen (68). Kammerschnitt: 63 Prozent. Mit Blick auf die nahe Zukunft erwarten 54 Prozent der Betriebe im Kreis Euskirchen gleiche oder steigende Umsätze, in Heinsberg sind es 58, in Düren 65 und in Aachen 68 und im gesamten Kammerbezirk 63 Prozent. (sch)