Feuer-Tragödie in Sankt AugustinFeuerwehrmann berichtet von Einsätzen, Kameradschaft und gemeinsamer Trauer

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Dunkle Umrisse von zwei Feuerwehrleuten. Im Hintergrund sieht man ein brennendes Autowrack. (Archivbild)

Anforderungen an Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr, hier bei einem Einsatz in Kall-Keldenich, sind die gleichen wie die an hauptamtliche Kräfte. (Archivbild)

Nach der Tragödie in Sankt Augustin berichtet Redakteur und Feuerwehrmann Christoph Heup von der besonderen Verbundenheit bei der Feuerwehr.

Kommt es zu einem Unglück, verbreitet sich dies minutenschnell unter den Feuerwehrleuten. Nachrichten, Fotos und Filme füllen WhatsApp und Facebookgruppen, die sich auf den Handys von Feuerwehrleuten während ihrer Laufbahn ansammeln.

Das gilt insbesondere dann, wenn Kameradinnen und Kameraden im Einsatz verletzt werden oder – wie jetzt in Sankt Augustin – ihr Leben verlieren. Dann trauern Feuerwehrleute, die sich nicht persönlich kennen, wie um Freunde oder Familienmitglieder. Es werden digitale Kerzen entzündet, Gespräche in den Löschgruppen drehen sich um das Geschehen, Maschinisten binden Trauerflore an ihre Fahrzeuge.

„Kameradschaft“: Feuerwehrleute müssen sich blind aufeinander verlassen können

Bei aller Freude an diesem Dienst ist jedem klar, dass es selten vorkommt, aber manchmal auf der Rückfahrt vom Einsatz nicht mehr alle Plätze im Löschfahrzeug besetzt sind. Diese enge Verbundenheit der Feuerwehrfamilie über alle Grenzen hinweg fußt in einer Besonderheit, ohne die ein Dienst, der auch lebensbedrohliche Gefahren birgt, kaum möglich ist: in Kameradschaft. Der Begriff, in der Vergangenheit auch missbraucht, kennzeichnet das Verhältnis von Einsatzkräften, ob beim Militär oder in der Feuerwehr.

Wenn sie in ein brennendes Haus gehen, um Menschen zu retten, müssen sich Feuerwehrleute im undurchdringlichen Brandrauch blind aufeinander verlassen. Sie geben ihr eigenes Leben in die Hand ihres Kameraden. Müssen darauf vertrauen können, dass der oder die anderen funktionieren, wie es immer und immer wieder trainiert wird: Gefahren erkennen, schnell und richtig reagieren, einen hinausschleppen, wenn es schiefgegangen ist. Feuerwehrleute lernen, Brandrauch zu lesen und Geschehen zu beurteilen.

Niemand ist vor einem Trauma geschützt – schwierig wird es nach dem Einsatz

Und doch: Feuer ist tückisch, hinterhältig, nicht immer berechenbar. Was macht es mit einem, wenn es im Einsatz zu schrecklichen Erlebnissen kommt? Wenn man mit Verletzungen oder dem Tod eines Kameraden oder einer Kameradin konfrontiert wird? Im Einsatz selbst funktioniert man einfach, macht den Job, für den man ausgebildet ist. Schwierig wird es vielfach danach. Wenn das Erlebte verarbeitet wird. Oder auch nicht.

Früher saßen die Einheiten beisammen, redeten, tranken Alkohol, manchmal viel Alkohol, weinten zusammen. Heute ist das in der Regel die erste Stunde der speziell ausgebildeten Helfer der Psychosozialen Notfallversorgung für Einsatzkräfte. Sie hören zu. Sie unterstützen, das Erlebte zu verarbeiten, führen fürsorglich hin zu notwendiger Trauerarbeit. Sie sind geschult, Alarmzeichen zu erkennen. Nicht jeder ist durch ein Geschehen gleich traumatisiert. Aber niemand ist davor gefeit.

Flutkatastrophe belastete Einsatzkräfte mit der Erkenntnis, nicht mehr helfen zu können

Das Bild des Feuerwehrhelms auf dem Sarg eines Kameraden meiner Stammeinheit, der vor vielen Jahren bei einem Brand sein Leben verloren hat, hat sich tief ins Gedächtnis aller gebrannt, die damals dabei waren. Schon die erste Tonfolge von „Ich hatt’ einen Kameraden“ treibt die Gedanken daran hoch – und manchmal die Tränen. Es ist nicht nur der Tod von Kameradinnen und Kameraden, der Einsatzkräfte belastet.

Nahezu jeder, der in dieser schrecklichen Nacht in den Flutgebieten im Einsatz war, hat Dinge erlebt und gesehen, wie sie nur Einsatzkräfte bei großen Unglücken oder Soldaten im Krieg erfahren.
Christoph Heup, Redaktionsleiter und Feuerwehrmann

Ich habe nie zuvor so viele Feuerwehrleute weinen gesehen, wie nach der Katastrophe am 14./15. Juli 2021. Nahezu jeder, der in dieser schrecklichen Nacht in den Flutgebieten im Einsatz war, hat Dinge erlebt und gesehen, wie sie nur Einsatzkräfte bei großen Unglücken oder Soldaten im Krieg erfahren.

Hier kam noch etwas hinzu. Einsatzkräfte wurden nicht nur mit Leid, Zerstörung und Tod konfrontiert, sondern oft auch mit der Erkenntnis, nicht mehr helfen zu können. Feuerwehr hat sich auf die Fahne geschrieben, niemals, wirklich niemals jemanden aufzugeben. Doch genau das geschah in dieser Nacht. Nach dem Kommando „Rückzug an die Flutkante“ mussten in einigen Fällen ganze Straßenzüge aufgegeben werden, weil die Einsatzmöglichkeiten ausgeschöpft waren.

Ehrenamt bei der Feuerwehr: Warum engagieren sich Menschen?

Es gibt Feuerwehrleute, die nach dem Erlebten den Dienst quittiert haben. Und es gibt Menschen, die nach der Flut in die Feuerwehr eingetreten sind, um etwas von der Hilfe zurückzugeben, die sie erfahren haben. Denn in unzähligen Fällen konnten Einsatzkräfte helfen, retten. Das ist eine der Antworten auf die Frage, was Menschen dazu bringt, sich ehrenamtlich in der Feuerwehr zu engagieren: Dieses Gefühl, wenn man helfen konnte, Schaden abgewehrt hat, Menschen oder Tiere gerettet hat. Das ist unbeschreiblich.

In jungen Jahren ist es die Begeisterung an der Technik, den roten Feuerwehrautos, den Männern und Frauen in ihren Einsatzklamotten, die Faszination, Flammen zu bekämpfen, das Gruppenerlebnis, das Kinder und Jugendliche in die Kinder- oder Jugendfeuerwehr treibt. Diese Faszination erlischt nicht – bei den Hauptamtlichen nicht, bei den Ehrenamtlern nicht.

Freiwillige Feuerwehr sichert Rettungen auch in kleinen Kommunen

Um die Freiwillige Feuerwehr beneiden andere Länder Deutschland. Ohne die mehr als eine Million Freiwilligen Feuerwehrleute in mehr als 22.000 Freiwilligen Feuerwehren würde es die Feuerwehr in Deutschland so nicht geben.

Ein Mensch, der in einem Dorf in der Eifel bei einem Verkehrsunfall lebensbedrohlich verletzt in seinem Auto eingeklemmt wird, hat den Anspruch darauf, genauso schnell und professionell gerettet zu werden wie jemand in Köln-Lindenthal. Er muss nicht sterben, weil eine kleine Kommune keine Berufsfeuerwehr hat. Er hat Anspruch, dass der Bankkaufmann, der neun Minuten zuvor im Kundengespräch saß, ebenso sicher Schere und Spreizer ansetzt oder eine Blutung stillt wie ein Berufsfeuerwehrmann, der in der Wache den nächsten Einsatz erwartet.

Christoph Heup: „Freiwillige Feuerwehr ist kein Hobby“

Alle Feuerwehrleute haben das gleiche Gerät, die gleichen Anforderungen, die gleiche Ausbildung. Und gerade Freiwillige Feuerwehrleute treffen in ihren Einsätzen auf die Menschen, mit denen sie zusammenleben. Auf Nachbarn, Freunde, Angehörige. Als vor einiger Zeit in meiner Heimatgemeinde ein Brandstifter immer wieder nachts ohne Rücksicht auf Menschenleben zündelte, lag über Monate hinweg die Einsatzkleidung neben dem Bett.

Man schlief mit der bangen Frage ein, ob einen der Piepser wieder aus dem Schlaf reißt. Und man sich neun Minuten später einer Situation gegenübersieht, in der es um Leben und Tod gehen kann. Nein, Freiwillige Feuerwehr ist kein Hobby.


Info

Christoph Heup (59) ist Redaktionsleiter des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und der Kölnischen Rundschau im Kreis Euskirchen. Vor 47 Jahren ist er in die Jugendfeuerwehr seiner Heimatgemeinde Hellenthal eingetreten. Seit 42 Jahren ist er dort in der Einsatzabteilung aktiv.

Der Gemeindebrandinspektor wird derzeit als stellvertretender Zugführer im C-Dienst eingesetzt und engagiert sich im Ausbildungsbereich der Feuerwehren in den Gemeinden Hellenthal, Kall und der Stadt Schleiden.

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