Oft steht das Telefon bei der Wildtierhilfe nicht still. Mehr als 200 Tiere sind bereits gemeldet worden. Mähroboter sind eine Gefahr für Igel.
Waschbär wird zur PlageWildtierhilfe im Kreis Euskirchen hat viel zu tun – Helfer gesucht

Igel und Hasen landen immer wieder bei der Wildtierhilfe. Aber auch ein roter Panda ist vermeintlich schon gesichtet worden.
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Seit knapp sechs Monaten gibt es im Kreis Euskirchen die Wildtierhilfe Nordeifel. Und die hat nach eigenen Angaben viel zu tun. An einem durchschnittlichen Frühlingssonntag rufen laut Kerstin Jonke, die das Nottelefon betreut, gerne schon mal 50 Menschen an, die ein verletztes Wildtier melden.
Mit dem neu gegründeten Netzwerk Wildtierhilfe Nordeifel wird die Arbeit der Ehrenamtler besser organisiert und verknüpft. Dabei arbeiten der Nabu im Kreis Euskirchen, das Kreisveterinäramt, die Eifelstiftung und die Dr. Axe-Stiftung zusammen. Die Stiftungen unterstützen die Einrichtung vor allem finanziell, damit die Kosten für das Material bei Pflegestellen und Tierärzten sowie die Fahrtkosten der Nabu-Helfer möglichst abgedeckt werden können.
Wer ein verletztes Wildtier findet, soll am besten die Hotline anrufen
Wer ein verletztes Wildtier findet, sollte den Fund melden. Dies ist telefonisch möglich über die Hotline 0 65 57/ 900 98 79, ein Formular findet sich auf der Internetseite.
Das Hotline-Team ermittelt nach Angaben der Wildtierhilfe Nordeifel die bestmögliche Hilfe für die jeweilige Tierart und die vorliegende Situation. Bereits am Telefon werde dem Finder ein Ansprechpartner vermittelt, bei dem das Tier abgegeben werden kann, um eine fachgerechte Versorgung gewährleisten zu können. Bei Bedarf wird im Hintergrund über das vorhandene Netzwerk ein Fahrdienst aktiviert. Mithilfe des Fahrdienstes wird das Tier zum Tierarzt und oder zu einer Pflegestation gebracht. Wenn das Tier nach der Versorgung genesen ist, soll es wieder in die Freiheit entlassen werden.
217 Meldungen sind bei der Tierhilfe eingegangen
Kerstin Jonke, Ehrenamtlerin beim Nabu, berichtet im Gespräch mit dieser Zeitung, dass seit der Gründung der Wildtierhilfe Nordeifel bereits 217 Meldungen eingegangen sind. „Davon sind 23 nicht im System erfasst worden – entweder ist das Tier doch noch ausgebüxt oder der Melder hatte es sich anders überlegt“, erklärt Jonke.
In 25 Fällen sei es um Beratungen gegangen. Beispielsweise, wenn ein Vogel gegen eine Scheibe geflogen und äußerlich unversehrt war. „Dann setzt man ihn in einen Karton und wartet, dass er sich erholt und ein, zwei Stunden später von selbst wegfliegt. Was in der Regel der Fall ist“, so die Expertin.
Ein „roter Panda“ sorgte für Aufregung unter den Experten
39 Tiere seien nach der Meldung bei der Wildtiernothilfe gestorben. Entweder noch auf der Fahrt zum Tierarzt, beispielsweise an Stress, in der Pflegestation oder der Tierarzt habe das Tier einschläfern müssen, weil die Verletzungen dann doch zu schwerwiegend waren.
Von den übrigen 130 Tieren seien „jede Menge“ bereits wieder ausgewildert worden. „Das ist immer ein tolles Erlebnis“, so Jonke. Einige Tiere befinden sich noch in Pflege.
„Ein roter Panda“, berichtet Marion Zöller, eine der drei Vorsitzenden des Nabu im Kreis Euskirchen. Ein roter Panda, auch Katzenbär genannt, ist eigentlich im östlichen Himalaya und im Südwesten Chinas beheimatet und nicht irgendwo zwischen Losheim und Metternich. Aber ganz ausgeschlossen sei es ja nicht, dass auch solch ein Tier in der Region ausgesetzt werde, wenn man das Interesse daran verliere.
Bei der Suche nach dem Tier waren mehrere Behörden und Ornithologen involviert.
Wo sich dieser Einsatz abgespielt hat, sagen die Helfer nicht. Jedoch gibt es Fotos von dem Tier, die mehreren Experten gezeigt wurden. „Bei der Suche nach dem Tier waren mehrere Behörden und Ornithologen involviert“, berichtet Kerstin Jonke. Letztlich seien sich die Experten einig gewesen, dass es sich nicht um einen roten Panda, sondern höchstwahrscheinlich um einen „farblich mutierten Waschbär“ gehandelt haben muss. „Rot war das Tier nämlich wirklich – ohne Frage“, bestätigt Zöller.
Möglichkeiten zu helfen gibt es nach Angaben von Bernd Hellgardt, Stiftungsvorstand der Eifelstiftung, viele. So werden weiterhin Transportboxen benötigt. Oder man könne sich als Pflegestation bewerben. Oder die Hotline betreuen. Die werde nämlich aktuell von Kerstin Jonke mehr oder weniger allein bearbeitet. „Ziel muss es sein, dass das Telefon in mehrere Hände kommt, damit nicht einer alleine die gesamte Verantwortung trägt“, sagt Jonke. Bei schönem Wetter an einem Sonntag kommen, so Jonke weiter, schnell mal 50 Anrufe zusammen. Wer sich an der Hotline engagieren möchte, sollte sich ein wenig mit Tieren auskennen, um bereits am Telefon die nötigen Schlüsse aus den Beschreibungen ziehen zu können.
Teilweise rufen die Menschen um 3.30 Uhr bei den Helfern an
Kollegin Marion Zöller, die ebenfalls das Telefon betreut, berichtet, dass auch gerne samstags nach 23 Uhr auf der Hotline angerufen wird. „All die aufmerksamen Menschen, die von Feiern nach Hause fahren und völlig selbstverständlich um 3.30 Uhr anrufen, weil in Euskirchen eine verletzte Taube in der Innenstadt sitzt“, so Zöller. Aber trotz derartiger Widrigkeiten sei es eine sehr erfüllende und sinnstiftende Aufgabe, sich bei der Wildtierhilfe zu engagieren, sind sich beide Ehrenamtlerinnen einig.
„Wir wollen das Netzwerk noch größer machen. Sechs angeschlossene Tierärzte sind schon toll, aber da geht sicherlich noch etwas“, sagt Hellgardt. Im dritten Quartal dieses Jahres werde man den Nachbarkreisen einen Erfahrungsaustausch anbieten. „Der Bedarf ist groß, weil auch bei uns Menschen aus Wesseling anrufen, weil sie ein verletztes Wildtier gesichtet haben. Und unser Modell ist sicher auf andere Kreise übertragbar“, so Hellgardt.
Ein scheinbar alleingelassenes Rehkitz oder ein Wildkatzenbaby sei oft nicht alleine, so Jonke: „Seine Mutter ist stets in der Nähe. Bitte die Jungtiere unter keinen Umständen anfassen und gar einfangen. Sie nehmen dann den Menschengeruch an und können von den Elterntieren verstoßen werden.“ Störungen durch den Menschen können, so die Expertin, „schlimmstenfalls zur Aufgabe der Nistplätze und Verstecke der Tiere und Vögel und zur Aufgabe der Versorgung der Jungtiere durch die Elterntiere führen“.
Der Waschbär wird im Kreis Euskirchen zum Problembär
Über die drei „W“ in der Natur spricht der Nabu nicht gerne, weil es immer Diskussion gebe, sagt Marion Zöller, eine der drei Vorsitzenden des Nabu im Kreis Euskirchen. In diesem Fall stehen die W für Wolf, Windrad und Waschbär. Vor allem der Waschbär habe sich im Kreis Euskirchen zu einem „Problembär“ entwickelt – auch für die Wildtierhilfe Nordeifel.
Der Grund: Der Waschbär ist kein einheimisches Tier, sondern eine sogenannte invasive Art, die ihre neue Umgebung schädigt. Eine weitere invasive Art ist im Kreis Euskirchen beispielsweise auch das Nutria. Wird ein verletzter Waschbär der Wildtierhilfe gemeldet, könnte das zum Problem für die ehrenamtlichen Helfer werden. Ist das Tier nämlich erst einmal aufgepäppelt, darf es laut Gesetz nicht wieder ausgewildert werden.
Nach Angaben von Ulrich Pohl, ebenfalls Vorsitzender des Nabu, macht der Waschbär im Kreis auch nicht mehr vor Tieren halt, die bislang nicht auf seiner Speisekarte gestanden haben. Dazu gehören beispielsweise Kröten. „Die sind eigentlich aufgrund der Haut ungenießbar“, erklärt Zöller: „Aber der Waschbär hat gelernt, mit seinen spitzen Krallen die Kröte am Bauch aufzuschlitzen und anschließend auszulutschen wie eine Auster. Die leere Krötenhülle wirft er dann weg.“

Ein Waschbär sitzt im Baum einer Grünanlage.
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Der Waschbär habe nicht nur gelernt, die Kröten in Teilen zu genießen, sondern auch die Orte ausfindig zu machen, an denen man gleich mehrere davon findet – in den Eimern entlang von Krötenauffangpunkten während der Krötenwanderzeit. „Er fischt sich die Kröten aus den Eimern. Die Stellen gleichen dann häufig einem Massaker“, so Zöller.
Und auch für den Schwarzstorch ist der Waschbär eine Bedrohung – nicht nur als Fressfeind. In einigen Regionen bereiten Waschbären zunehmend Probleme für die Schwarzstörche, weil sie deren Horste als Schlafplätze nutzen und die Vögel vertreiben. Angelockt werden die Tiere laut Zöller auch von Katzenfutter auf der Terrasse oder dem Igel im Garten. „Wenn ein Wasserhahn im Garten ist, ist das für einen Waschbären auch kein Problem. Er kann ihn aufdrehen. Waschbären sind unheimlich schlaue Tiere“, so Zöller.
Mähroboter sind ein Problem für viele Tiere
Nach Angaben der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Euskirchen sind Mähroboter, die in der Dämmerung oder Nacht fahren, eine Gefahr für Tiere wie Igel oder Kröten. Da Igel sich bei Gefahr nicht schnell in Sicherheit bringen, sondern sich auf der Stelle zusammenrollen, erkennen die Geräte sie nicht als Hindernis. Die Folge sind oft schwere Verletzungen durch die rotierenden Klingen – oder sogar der Tod.
Auch Frösche, Kröten, junge Hasen, Mäuse oder kleine Reptilien können Opfer der automatischen Mäher werden. Die Lösung ist nach Angaben des Kreises Euskirchen einfach und effektiv. „Mähroboter sollten ausschließlich tagsüber betrieben werden – idealerweise zwischen 9 und 17 Uhr. In dieser Zeit ist das Risiko für dämmerungs- und nachtaktive Tiere deutlich geringer“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung. Einige Mähroboter-Hersteller bieten bereits Modelle mit integrierten Zeitschaltfunktionen oder Tiererkennung an.