Queerer StammtischLSBTQ-Community ist in Euskirchen bislang noch unsichtbar

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

Wollen queeren Menschen im Kreis einen sicheren Raum geben: Birgit Erlenbruch und Winfried Kubitza-Simons. 

Euskirchen – Jeden zweiten Samstag wird es bunt auf dem Alten Markt – wenn auch noch im Kleinen. Seit 2020 trifft sich der queere Stammtisch in einer der dortigen Gastronomien. „Wir möchten es aktuell so belassen, dass sich die Leute erst bei uns melden, bevor wir den genauen Treffpunkt nennen“, erklärt Birgit Erlenbruch.

Der Grund dafür sei, dass die LSBTQ-Szene in Euskirchen (lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer) immer noch negative Reaktionen befürchte. „Wir wollen queeren Menschen einen sicheren Raum bieten“, so Erlenbruch, selbst seit vielen Jahren offen lesbisch lebend. Deshalb wollen sie und Mitgründer Winfried Kubitza-Simons den Kneipennamen nur auf Nachfrage nennen, wenn sie Interessierte bereits ein wenig kennen.

Schnapsidee ohne Schnaps 

Vor zwei Jahren hätten sich die beiden zufällig auf dem Alten Markt getroffen. „Wir kannten uns schon aus einem beruflichen Kontext, aber haben erst da gemerkt, dass wir dieselbe Stammkneipe haben“, erinnert sich Erlenbruch. Im Zuge dessen sei die Idee für den queeren Stammtisch entstanden – auch Kubitza-Simons lebt seit Jahren offen homosexuell.

„Das war ein bisschen wie eine Schnapsidee ohne Schnaps“, erzählt Erlenbruch und lacht: „Aber wir sind noch nicht sehr sichtbar in Euskirchen. Das wollten wir ändern.“ Kubitza-Simons bestätigt: „Als ich jünger war, musste ich immer nach Köln fahren, um Gleichgesinnte zu treffen, weil es hier keine Anlaufstelle gab.“

Queer im Alter

Eine Besonderheit der Gruppe sei, dass auch viele ältere Menschen teilnehmen. „Hier ist natürlich jeder willkommen, wir haben auch jüngere Mitglieder, der Jüngste ist 25“, erzählt Kubitza-Simons. „Aber ja, ein großer Teil ist Ü50“, ergänzt Erlenbruch. Der Stammtisch ist nicht ihr erstes Projekt für die LSBTQ-Gemeinschaft. Unter anderem habe sie sechs Jahre im Rubicon in Köln gearbeitet, ein Beratungszentrum für – unter anderem ältere – Schwule und Lesben.

Darum wisse Erlenbruch auch: Vor allem ältere queere Menschen stehen vor besonderen Problemen, die der jüngeren Generation nicht immer bewusst sind. „Ich kenne Frauen, die hatten ihr Outing mit 50. Es macht mich so traurig zu wissen, dass da ein ganzes Leben gelebt wurde und diese Menschen nicht sie selbst sein konnten“, sagt sie.

Tag gegen Homophobie

Seit 2005 setzen sich Vertreter der LSBTQ-Bewegung und ihre Unterstützer am internationalen Tag gegen Homophobie ein. Er findet jährlich am 17. Mai statt, der Tag, an dem 1990 die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus dem Diagnoseschlüssel für Krankheiten strich.

Auch der queere Stammtisch Euskirchen will sich an dem Tag öffentlich gegen Homo-, Bi- und Transfeindlichkeit einsetzen. Die Beteiligten planen ab 13 Uhr einen Stand in der Neustraße, Mitgründer Winfried Kubitza-Simons will mit einer Drehorgel auftreten.

„Wir wollen an dem Tag einfach Präsenz zeigen und mit den Leuten ins Gespräch kommen“, erklärt Stammtisch-Mitgründerin Birgit Erlenbruch. (enp) 

Ein weiteres Thema, mit dem sie sich intensiv beschäftige, sei der Umgang mit Homosexualität in Pflege- und Altersheimen. „Ich besuche auch Seniorenheime, um die für unsere Zielgruppe zu sensibilisieren. Da ist auch noch viel Handlungsbedarf, damit wir auch dort weiter offen leben können. Wenn man – wie ich jetzt – immer offen gelebt hat und irgendwann auf Hilfe angewiesen ist“, sagt Erlenbruch.

Outing nach wie vor angstbesetzt

Sich zu outen, das bedeutet, der Familie oder Freunden zu eröffnen, dass man sich nicht vom anderen Geschlecht angezogen fühlt – oder zumindest nicht nur – oder auch, dass man sich nicht dem Geschlecht zugehörig fühlt, das man biologisch besitzt. Besonderes letzteres sei immer noch häufig mit Diskriminierung verbunden, sagt Erlenbruch. „Schwarze Transmenschen werden besonders stark diskriminiert“, so die Stammtisch-Gründerin. Aber auch homo- oder bisexuelle Menschen hätten nach wie vor Angst davor, sich zu outen, vor allem vor den Reaktionen der Eltern, so Erlenbruch.

Dass sowohl Erlenbruch als auch Kubitza-Simons eher ländlich leben, sei dagegen selten ein Problem für sie gewesen. „Wir wurden auch schon in Köln beleidigt“, sagt Erlenbruch. Für sie mache es nicht zwingend einen Unterschied, ob sie auf dem Land oder in der Stadt lebe.

Kubitza-Simons sieht das ähnlich: In seinem Heimatdorf kenne ihn jeder und es wisse auch jeder, dass er schwul ist: „Ich hatte mein Coming-out mit 18, das war dann ziemlich schnell normal für alle. Aber man muss auch sagen, mein Mann und ich haben uns auch immer sehr in die Dorfgemeinschaft eingebracht.“ Und ihm sei aufgefallen, dass es in jedem Dorf in der Eifel ein queeres Pärchen gibt.

Handlungsbedarf im Kreis

Auch deshalb sehen beide im Kreis Euskirchen noch Handlungsbedarf, um Menschen der LSBTQ-Gemeinschaft ein Leben ohne Diskriminierung zu ermöglichen. „Vor allem in Euskirchen sehe ich nie mal zwei Frauen oder Männer Hand in Hand laufen“, sagt Erlenbruch: „Es sollte einfach noch präsenter sein, normaler. So, dass es nicht immer etwas Besonderes ist.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Zwar habe es immer mal wieder Bemühungen gegeben, eine Anlaufstelle für die queere Gemeinschaft im Kreis zu schaffen, doch so recht funktioniert habe das nicht. „Es gab mal einen lesbischen Stammtisch, ich glaube auch mal einen schwulen. Aber das ist dann wieder im Sande verlaufen“, berichtet Birgit Erlenbruch.

Kontakt

Wer an dem Stammtisch teilnehmen möchte, kann sich über Facebook oder per E-Mail bei den Organisatoren melden.

Derzeit aber tue sich etwas im Kreis Euskirchen, da sind sich beide einig. „Letztes Jahr zum Pride wurde zum ersten Mal eine Regenbogenfahne gehisst und das Rathaus wurde in Regenbogenfarben angestrahlt“, sagt Birgit Erlenbruch. „Da sind die Verwaltung und der aktuelle Bürgermeister sehr offen, das war vorher nicht so“, ergänzt Winfried Kubitza-Simons.

Was sie sich noch wünschen würden? „Eine offizielle Beratungsstelle, damit die Menschen auch einen Ansprechpartner vor Ort haben“, antwortet Erlenbruch.

Rundschau abonnieren