Debatte im Kreis EuskirchenMechernicher haben Angst vor giftigem Blei im Blut

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Die Bleibelastung im Boden der Stadt Mechernich führt zu Auseinandersetzungen.

Die Bleibelastung im Boden der Stadt Mechernich führt zu Auseinandersetzungen.

  • Die Kleinstadt Mechernich im Kreis Euskirchen wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Noch Mitte der 1950er Jahre war dort eine der größten Bleiminen weltweit in Betrieb.
  • Erst Jahrzehnte später kommen die Bleibelastungen im Boden ans Licht. Die Angst geht um.
  • Die Anwohner erheben Vertuschungsvorwürfe gegen die Stadt. Ein Ortsbesuch.

Mechernich – Noch Mitte der 1950er Jahre beherbergte Mechernich eine der größten Bleiminen weltweit, in der täglich rund 6000 Tonnen Roherz gefördert wurden – nun wird die Eifeler Kleinstadt, die im Zentrum des Kreis Euskirchen liegt, von ihrer Vergangenheit eingeholt.

Seit Monaten schon tobt in Mechernich ein heftiger Streit über die möglichen Auswirkungen der nachgewiesenen Bleibelastungen im Boden einiger Teile des Stadtgebietes.

Vorwurf der Vertuschung

Anwohner, die Grundstücke und Häuser dort gekauft haben, beklagen sich darüber, weder von den Behörden noch von Immobilienentwicklern über mögliche gesundheitliche Folgen informiert worden zu sein. Manche gehen gar so weit zu sagen, diese Informationen seien bewusst vertuscht worden. Sie bangen um ihre Gesundheit – und die ihrer Kinder.

Die Stadt Mechernich weist diese Vorwürfe von sich, „nimmt die Sorgen unserer Bürger aber ernst“, so Bürgermeister Hans-Peter Schick (CDU). Daher hatte die Stadt in den vergangenen Wochen gemeinsam mit dem Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen unter anderem zwei freiwillige Blutuntersuchungen anberaumt. Daran teilnehmen konnten Menschen aus drei Regionen der Stadt, die sehr stark (5000 bis 10 000 Milligramm pro Kilogramm Erde) beziehungsweise mittelstark (1000 bis 5000 Milligramm) belastet sind sowie aus einem Bereich in einem 150-Meter-Radius um ein Neubaugebiet. „Wir möchten Menschen testen, die durch ihren Wohnort oder persönliche Voraussetzungen ein erhöhtes Risiko der Bleiaufnahme haben“, erklärte Christian Ramolla, stellvertretender Leiter des Kreisgesundheitsamtes, während einer Informationsveranstaltung zu den Screenings. „2667 Menschen hätten zur Blutuntersuchung kommen können, 506 sind tatsächlich gekommen, also 19 Prozent“, teilte Kreissprecher Wolfgang Andres jetzt auf Anfrage dieser Zeitung mit. Dabei wurde den Bürgern nur eine geringe Menge Blut abgenommen. Von diesem werde ausschließlich der Bleigehalt untersucht. Eigentlich gebe es keinen Unterschied zu den Blutuntersuchungen, die bereits vor 40 Jahren durchgeführt wurden und die keine alarmierenden Werte ergeben hatten, so Ramolla.

Um Klarheit über möglichen Gefährdungen durch Bleibelastung zu schaffen, wurden Blutscreenings durchgeführt.

Um Klarheit über möglichen Gefährdungen durch Bleibelastung zu schaffen, wurden Blutscreenings durchgeführt.

Das sieht Dr. Jörg Schriever anders. Der ehemalige Chefarzt am Mechernicher Krankenhaus berichtete, dass es in früheren Jahren sehr wohl Bleierkrankungen gegeben habe. Er warf den Verantwortlichen „Vortäuschung falscher Tatsachen“ vor, was Ramolla zurückwies: Diese Fälle seien in den 60er-, 70er- und 80er-Jahre ermittelt worden – in so geringfügiger Zahl, dass sie keine statistische Aussagekraft über die Gesundheit der Bevölkerung hätten.

Ergebnisse im August

Ausgewertet werden die aktuellen Ergebnisse nun vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der RWTH Aachen. Laut dessen Leiter Professor Thomas Kraus kann Blei je nach Menge im Körper zu erheblichen Beeinträchtigungen führen: von Müdigkeit über die Beeinflussung der Intelligenzentwicklung bis hin zu einer beeinträchtigten körperlichen und sexuellen Entwicklung. Vor allem Kinder und Schwangere seien betroffen.

Sollten die Bleiwerte im Blut der Getesteten auffällige Abweichungen zu den Referenzwerten der deutschen Gesamtbevölkerung ergeben, seien weitere Maßnahmen notwendig, sagte Kraus bei einer Info-Veranstaltung. Das Ergebnis der Untersuchungen werde anschließend, vermutlich im August, der Öffentlichkeit vorgestellt.

Professor Schriever und vielen Anwohnern wird das nicht genügen. Das sei nur eine „riesige Beruhigungspille“.

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