EhrenamtEhemaliger Mechernicher Chefarzt engagiert sich weiterhin für Kinder

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Der pensionierte Arzt Dr. Jörg Schriever sitzt an seinem Schreibtisch.

Findet es wunderbar, nicht mehr arbeiten zu müssen, aber immer noch zu können: Dr. Jörg Schriever (82), hier in seinem Arbeitszimmer in seinem Haus in Kommern.

2005 ist Dr. Jörg Schriever als Chefarzt der Kinderklinik am Kreiskrankenhaus Mechernich in den Ruhestand gegangen, seitdem engagiert er sich ehrenamtlich.

Für ihn sei es etwas ganz Normales, bürgerschaftliches Engagement zu zeigen: „Ich bin auf dem Land groß geworden. Da hat man in den Vereinen immer mit angepackt“, so Dr. Jörg Schriever. Ehrenamt, so der Mediziner, sei zudem eine Möglichkeit, der Gesellschaft, die allen viel gebe, etwas zurückzuzahlen. Dass er in diesem Jahr 83 Jahre alt wird, hindert ihn nicht daran, nach wie vor seinen Beitrag zu leisten.

31 Jahre lang – von 1974 bis 2005 – war Jörg Schriever Chefarzt der Kinderklinik am Kreiskrankenhaus Mechernich. Die Klinik hat er in diesen Zeiten mit aufgebaut. Nach dem ersten Jahr waren es 1000 kleine Patientinnen und Patienten, die dort versorgt wurden, am Ende seiner Dienstzeit 2600 pro Jahr.

Der Tod war immer der Erzfeind des engagierten Mediziners

Dabei ist Jörg Schriever eher in den Arztberuf hineingeschliddert: „Eigentlich hatte ich Mikrobiologe werden wollen“, erzählt der 82-Jährige. Doch das erwies sich zu jenen Zeiten als sehr schwierig. Den Rat eines Professors, sich im Bereich Medizin der Mikrobiologie zu widmen, nahm er beherzt an. Dass er schlussendlich Kinderarzt werden sollte, war dabei nicht vorherzusehen. Einschneidend sei für ihn als Studenten während einer Famulatur auf der Gynäkologie gewesen, dass Frühgeborene unter 1000 Gramm als tot galten, obwohl sie es faktisch oft auch Stunden nach der Geburt nicht waren. Behandlungsmöglichkeiten, wie sie heute in der Neonatologie möglich sind, gab es seinerzeit nicht.

„Ich habe über die Jahre eine unfassbare Entwicklung in der Medizin mitgemacht“, sagt Schriever in der Rückschau. Während anfangs ein Säugling nicht einmal beatmet werden konnte, können Mediziner heute auf eine Fülle moderner neonatologischer Behandlungsmöglichkeiten zurückgreifen, um Leben zu retten und Leiden zu mildern. Frühchen unter 1000 Gramm haben mittlerweile eine über 80-prozentige Chance zu überleben.

„Was mich an der Pädiatrie immer fasziniert hat, war, dass die Kinder oftmals trotz schwerer Erkrankungen die Chance hatten, komplett gesund zu werden.“ Der Tod, so Schriever, sei immer sein Erzfeind gewesen.

Im Alter von 33 Jahren wurde Jörg Schriever Chefarzt in Mechernich

33 Jahre jung war er, als er 1974 nur ein Jahr nach seinem Facharzt zum Chefarzt der Mechernicher Kinderklinik ernannt wurde. Neben einer Neonatologie, die sich weiter über die Grenzen des Kreisgebiets einen Namen machen konnte, wurden unter Schrievers Führung auch die Mütterberatung wiederbelebt sowie Fortbildungen für Kinderkrankenschwestern und Hebammen eingeführt.

„Als ich 50 wurde, wollte man kleine Kliniken im Land, die an der Peripherie lagen, schließen“, erzählt Schriever. Er trat dem Berufsverband BVKJ, der beruflichen Interessenvertretung der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland bei. Gemeinsam setzte man dort gewisse Parameter zur flächendeckenden kinderärztlichen Versorgung durch, die von der Politik anerkannt wurden. Mechernich wurde gerettet. Im BVKJ fand sich Schriever irgendwann im Vorstand wieder und wurde Leiter der Fortbildungen für die Kinderärzte: „Das habe ich zehn Jahre lang gemacht, es war ein Höhepunkt meiner Karriere.“

Mechernicher Arzt hat mit einfachsten Mitteln auf den Philippinen geholfen

2005 dann ging Jörg Schriever in den Ruhestand. Tennis spielen, Segeln, Reiten, Golf spielen: „Ich hatte immer Hobbys, Langeweile kam nicht auf.“ Aber die Sehnsucht vieler Menschen im Arztberuf, die die Medizin mit Leidenschaft betreiben, ist es, außerhalb des Hamsterrades tätig zu werden.

Schon während der aktiven Zeit hatte er sich bei der Organisation „Ärzte für die Dritte Welt“ verdingt, die heutigen German Doctors. 1991 ging er nach Kalkutta, 2007 auf die Philippinen. „Wir machten Slum-Medizin mit einfachsten Mitteln“, so Schriever.

Als 2015 die große Flüchtlingswelle ins Land rollte, taten sich rüstige Mediziner im Ruhestand zusammen, um die Menschen in den Flüchtlingsunterkünften im Kreisgebiet zu versorgen. „Dabei geht es um Anfangsuntersuchungen, um den Ausschluss akuter oder ansteckender Krankheiten wie Krätze, Tropenkrankheiten oder Tuberkulose“, so Schriever.

Der Arzt führt Untersuchungen in Geflüchtetenunterkünften durch

Auch heute noch ist der 82-Jährige für die Malteser im Einsatz in den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen, zurzeit in Euskirchen und in Marmagen. „Ich behandle dort überwiegend Kinder mit Akuterkrankungen, kümmere mich um den Impfstatus. Manchmal stellen Eltern auch ihre chronisch erkrankten Kinder vor oder solche mit posttraumatischen Belastungsstörungen.“ Da die Familien oft nur kurz blieben, könne man keine langfristigen Behandlungen anbieten. „Wir können beraten und unsere Befunde festhalten, damit die Eltern diese an die Fachkollegen weitergeben, die am zugewiesenen Wohnort weiterbehandeln.“

Jörg Schriever, der mittlerweile überwiegend in seiner alten Heimat im Sauerland lebt, sagt, es sei wunderbar, nicht mehr arbeiten zu müssen, aber eben zu können. Und so steht er auch niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen gerne zur Seite, die wegen Krankheit plötzlich ausfallen. „Als ich mich als Impfarzt im Sauerland zur Verfügung gestellt habe, hat die Kassenärztliche Vereinigung gleich gefragt, ob ich eine Kinderärztin vertreten könnte, die sich die Schulter gebrochen hat. Also bin ich vor Weihnachten 14 Tage dort eingesprungen.“

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