Start ohne JurastudiumMechernicher Rechtsbeistand rettete in 50 Jahren Hunderte Jobs

Mit einem Ein-Mann-Büro startete Kanzleigründer Siegfried Müller 1972 als Rechtsbeistand in Mechernich.
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Mechernich – „Es war schon ein Wagnis, damals hier in Mechernich anzufangen“, blickt Siegfried Müller auf das Jahr der Gründung seiner Anwaltskanzlei zurück. Damals – das war 1972. „Und Mechernich war ein Dorf, in dem es noch keinen Anwalt gab.“ Diese Marktlücke wollte Müller schließen, als er sich mit einem Ein-Mann-Büro in der Bahnstraße als Rechtsbeistand selbstständig machte. „Das war zu dieser Zeit noch ohne Jurastudium möglich“, erklärt Müller, warum er kein Rechtsanwalt ist.
Zuvor machte er eine Ausbildung und war zunächst als Bürovorsteher in verschiedenen Kölner Kanzleien tätig. Seit 1980 gibt es diese Möglichkeit nicht mehr, seitdem ist Müller dann auch Mitglied der Rechtsanwaltskammer.
Jagdsport und Golf zum Ausgleich in der Freizeit
Das sei auch eine der Grundlagen für den heutigen Erfolg der Kanzlei gewesen. „Denn ab diesem Zeitpunkt konnte ich Rechtsanwälte anstellen und mit ihnen kooperieren“, sagt der passionierte Jäger, der zudem gerne Golf spielt und am liebsten Urlaube macht, bei denen er agil sein kann.
Team mit 40 Experten an drei Standorten
30 Frauen angestellt
Außer Siegfried Müller sind in den beiden Gesellschaften, die die Kanzlei ausmachen, insgesamt elf Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie eine Steuerberaterin tätig. Zudem arbeiten rund 30 überwiegend weibliche Rechtsanwaltsfachangestellte und Sachbearbeiterinnen in der Kanzlei mit Standorten in Mechernich, Frechen und Weilerswist. „Viele haben bei uns die Ausbildung gemacht, sind nach Elternzeiten wieder zu uns zurückgekommen und halten uns teilweise über Jahrzehnte die Treue“, berichtet Siegfried Müller.
Sohn unterstützt seit 16 Jahren
Auch Sohn Jochen Müller arbeitet seit 16 Jahren mit in der Kanzlei und hat zwischenzeitlich die Leitung des Unternehmens übernommen. Er ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht.
„Es ist einfach faszinierend, welche Bandbreite an unterschiedlichen Lebenssituationen wir hier erleben“, sagt er über die Arbeit in der Kanzlei.
Als besonders agil zeigte sich Müller dann auch im Geschäftsleben, denn ständiges Wachstum und Spezialisierung sind seiner Meinung nach die entscheidenden Faktoren für seinen beruflichen Erfolg gewesen. „Ich hätte allerdings nicht daran gedacht, 50 Jahre später Inhaber der größten Kanzlei zu sein, die im Kreis Euskirchen ihren Hauptsitz hat“, sagt der heute 75-Jährige, der mit seinem Team entschieden hat, keine große Jubiläumsfeier auszurichten, dafür lieber eine soziale Einrichtung zu unterstützen.
40 Experten an drei Standorten in der Region
Neben dem Stammsitz in Mechernich hat die heutige Kanzlei Müller, Eicks & Winand auch noch weitere Standorte in Weilerswist und Frechen. „Wir sind in der Region verwurzelt“, so Müller, der in Witscheiderhof das Licht der Welt erblickte: „Und es hat besonders in den Anfangsjahren auch nicht geschadet, sich auf Eifeler Platt mit den Mandanten unterhalten zu können.“
Zu einem Schwerpunkt seiner Tätigkeit entwickelte sich für Siegfried Müller schnell das Insolvenzrecht. Zahlreiche Insolvenzverfahren größerer und kleinerer Betriebe hat er im Laufe der Jahre zum Abschluss gebracht. „Zu meinem 70. Geburtstag vor fünf Jahren habe ich dann entschieden, keine neuen Insolvenzverfahren mehr zu übernehmen“, sagt Müller, der allerdings die laufenden Fälle noch zum Abschluss bringen wollte.
Oberstes Ziel sei es, die Betriebe zu erhalten
„Dabei ist es immer das Ziel, den Betrieb zu erhalten, wenn das wirtschaftlich möglich und sinnvoll ist“, beschreibt Müller, worauf es ankommt, wenn er von einem Gericht als Insolvenzverwalter bestellt wird. „Erste Aufgabe muss es dann sein, möglichst schnell zu analysieren, woran es liegt, dass der Betrieb in Schieflage geraten ist“, so Müller weiter.
Dem Tätigkeitsschwerpunkt Insolvenzrecht hat sich auch Sohn Jochen Müller verschrieben, der nun die Aufgabe hat, die Kanzlei in die nächsten 50 Jahre zu führen. Von Gerichten in Aachen, Köln, Bonn, Mönchengladbach und Siegen wird die Kanzlei regelmäßig als Insolvenzverwalter bestellt. Dann geht es immer wieder darum, Firmen zu sanieren und im besten Fall die Arbeitsplätze zu sichern.
„Ich kann keine Top-Drei-Liste der bedeutendsten Insolvenzfälle meiner Laufbahn aufstellen“, sagt Müller: „Da sind mitunter ja auch Firmen dabei, die heute wieder florieren und nicht unbedingt an die Zeit ihres Insolvenzverfahrens erinnert werden möchten.“ Hunderte Arbeitsplätze werden es aber sicher sein, die Kanzleigründer Müller in seinen 50 Berufsjahren hat retten können – und an jedem einzelnen hingen und hängen immer auch Schicksale.