Emanzipation in den 50ernGünter Hochgürtel stellt „Zweimal Orient und zurück" vor

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Buchvorstellung Hochgürtel

Sein neues Buch über eine abenteuerlustige Wienerin stellte Günter Hochgürtel   mit   Norbert Wolf  vor.  

Kreis Euskirchen/Nideggen – Es ist eine Geschichte, die Günter Hochgürtel packte und nicht mehr losließ. In seinem dritten Buch, „Zweimal Orient und zurück“, schildert der Journalist die Erlebnisse einer Wienerin, die in den 1950er-Jahren nach Ägypten auswanderte, in Gaza tätig war und nach einem Aufenthalt in Deutschland erneut für acht Jahre nach Kuwait ging, bevor sie nach Deutschland zurückkam. In Nideggen stellte Hochgürtel seinen Roman vor.

Hochgürtel ist mit Wibbelstetz  und als Solist bekannt

Bekannt ist Hochgürtel auch durch seine musikalischen Aktivitäten in der seit 37 Jahren bestehenden Eifeler Mundartgruppe „Wibbelstetz“ oder als Solist. Bei einem seiner Auftritte sei er mit einer Nideggenerin ins Gespräch gekommen, die selbst in Zusammenhang mit dem Buch nicht in Erscheinung treten will.

Als Tochter der Frau, die als Vorlage für die Protagonistin des Buches diente, erzählte sie Hochgürtel von dem unsteten Leben ihrer Mutter, die mit ihren drei Kindern immer wieder ihren Aufenthaltsort wechselte. Diese Geschichte faszinierte ihn so sehr, dass er sich entschloss, die Story weiterzuverfolgen. Mit Hilfe von Erinnerungen der Söhne, die diese für ihn aufzeichneten, verfasste er das Buch.

„Rosina Sedlacek" hat ein reales Vorbild

Die Frau, die Hochgürtel im Buch Rosina Sedlacek nennt, lebte in Wien, war dort verheiratet und hatte einen Sohn. Von einem Aufenthalt in Italien kam sie schwanger wieder zurück. Ihr Mann habe sich entschlossen, das Kind als seines anzuerkennen. „Wenn das Kind nicht schwarz ist, nehmen wir es“, habe der immer noch vom Nationalsozialismus begeisterte Mann gesagt, so der älteste Sohn, Norbert Wolf, der für die Präsentation extra aus Wien angereist war.

Doch das Fernweh dürfte die junge Frau weiter gereizt haben. So nahm sie 1954 eine Stelle als Krankenschwester in Kairo an. Mann und Kinder zogen nach einigen Monaten hinterher. In der ägyptischen Hauptstadt hatte sie Kontakt mit den höchsten Kreisen und feierte unter anderem mit Anwar el Sadat, damals noch Minister ohne Geschäftsbereich, später Staatspräsident.

Das Buch skizziert ein bewegtes Leben

Von Kairo ging Sedlacek mit ihren zwei Söhnen nach Gaza. Nach dem Tod ihres Gatten heiratete sie dort den obersten Richter von Gaza und gebar von ihm eine Tochter. Als er jedoch nach einem Jahr starb, wurde das Leben zunehmend schwierig.

Über Kairo fuhr sie praktisch mittellos 1962 wieder nach Rom, wo sie auf ein Visum nach Kanada hoffte. Als sich das zerschlug, kehrte sie nach Wien zurück. Da sie hier keine Arbeit fand, versuchte sie, in die DDR überzusiedeln und in Leipzig Fuß zu fassen. Doch auch diese Episode war nicht von Dauer. Nach wenigen Monaten ging sie nach Westdeutschland, über Berlin nach Hannover.

Sexszenen auf Wunsch der Familie entschärft

Dort habe sie wieder den Entschluss gefasst, in den Orient zurückzukehren, so Hochgürtel. Doch da sie mittellos gewesen sei, habe sie Anfang der 1960er-Jahre beschlossen, den Weg mit ihren Kindern auf zwei Fahrrädern zurückzulegen. Immerhin schaffte sie das bis Hildesheim. Ab da war sie per Autostopp bis Griechenland, von dort mit dem Zug bis nach Kuwait unterwegs. Hier lebte sie acht Jahre lang, bevor sie Anfang der 1970er-Jahre wieder nach Deutschland zurückkehrte.

Ihn habe die Geschichte fasziniert, so Hochgürtel. „Wenn man so eine Vorlage hat, dann erzählt es sich gut.“ Ihn habe die Geschichte dieser selbstständigen Frau in den steifen 1950ern fasziniert: „Sie war emanzipiert und hat keinen gefragt.“ Schwierig sei es gewesen, Infos über die Atmosphäre in Kairo zu dieser Zeit zu kriegen. „Damals fuhr die Müllabfuhr dort noch mit Eselskarren“, warf Wolf ein.

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Der Roman sei kein Tatsachenbericht, so der Sohn. Doch an manchen Stellen habe er das Gefühl gehabt, dass Hochgürtel im Busch gesessen und zugehört habe. Kritischer äußerte sich die Tochter. „Das ist nur ein Bruchteil von dem, was wir erleben mussten. Das ist interessant für Außenstehende, aber wenn man drin ist, ist es die größte Scheiße“, betonte sie. So etwas sei der Horror für jedes Kind. Auch sei sie nicht mit der Darstellung einverstanden, dass ihre Mutter viele Liebschaften gehabt habe und eine Frau sich nur durchsetzen könne, wenn sie mit möglichst vielen Männern schlafe. „Ich musste die Sexszenen auf Wunsch der Familie entschärfen“, bestätigte Hochgürtel.

„Zweimal Orient und zurück“ hat 370 Seiten und ist im Eigenverlag, ISBN 978-3-00-070668-4, erschienen. Der Preis beträgt 12 Euro.

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