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Wenn er erzählt, wird die Vergangenheit in der Eifel lebendig

6 min
Ein Proträt von Alois Scory vor grünem Hintergrund.

Seinen 100. Geburtstag feiert Alois Scory an diesem Freitag.

Alois Scory feiert seinen runden Geburtstag im Evangelischen Altenheim in Gemünd, doch Kreuzberg ist er eng verbunden.

Wer seinen 100. Geburtstag feiert, kann in der Regel auf ein bewegtes Leben mit vielen Erinnerungen zurückblicken. Alois Scory aus Kreuzberg bildet da keine Ausnahme. Wenn er erzählt, dann wird die Vergangenheit der Eifel wach. Nicht immer war sie romantisch und schön, sondern hielt oftmals viel Arbeit, aber auch besondere Momente bereit. Am Freitag feiert Scory sein rundes Jubiläum im Evangelischen Altenheim in Gemünd, in dem er seit zwei Jahren lebt.

Geboren wurde er am 28. November 1925 in Unterschömbach als jüngstes von insgesamt 14 Geschwistern: neun Jungen und fünf Mädchen. Als er fünf Jahre alt war, siedelte die Familie um nach Kreuzberg. Sein Vater, so erinnert sich Scory, habe in der Grube Wohlfahrt gearbeitet, während er als Jüngster immer das Vieh habe hüten müssen. Dort sei auf der Wand auch noch eine Zeichnung von ihm erhalten, die nun den Besuchern gezeigt werde. Doch leider starb sein Vater bereits 1936.

Der Vater verbot den Kindern, Mitglied in der Hitlerjugend zu werden

Seine Jugend war geprägt vom Aufwachsen in der Zeit des Nationalsozialismus, dessen Schattenseiten er bald kennenlernte. Denn sein Vater, so berichtet er, habe ihm und seinen Brüdern verboten, Mitglied in der Hitlerjugend zu werden. Was der kleine Alois dann in der Schule büßen musste, wo der Lehrer ihn dafür getriezt habe. „Der war ein Ekel, der war braun“, erinnert sich Scory. Nach dem Tod des Vaters habe seine Mutter das Verbot aber wieder aufgehoben, um die Kinder vor den Demütigungen zu schützen.

Mit 17 Jahren sei er dann zum Arbeitsdienst gekommen, berichtet der Jubilar. „Der Drill war schlimmer als beim Kommis“, sagt er deutlich. Einer der Leiter dort sei ein übler Typ gewesen, der alles getan habe, um die jungen Leute zu piesacken. „Er sagte, das mache er, damit wir Lust bekommen zu sterben“, so Scory.

Die haben mich nicht vergessen, die kommen mich immer noch besuchen.
Alois Scory über die Verbundenheit mit der Dorfgemeinschaft Kreuzberg

Eines Tages habe er dort ein Dokument unterzeichnen sollen. Doch sein Bruder habe ihn gewarnt, er solle nachsehen, was denn für Papiere darunter liegen würden. Als er das getan habe, sei er geschlagen und aus dem Büro gejagt worden. „Zum Fenster raus, damit ich die anderen nicht warnen konnte.“ Unter dem Dokument habe tatsächlich ein Kohlepapier zwischen den Papieren gelegen, sodass die jungen Männer über den Durchschlag unwissentlich die freiwillige Meldung zur Waffen-SS unterzeichnet hätten.

Scory wurde zur Wehrmacht eingezogen, wo er an vielen Stationen eingesetzt wurde. In Geldern wurde er für die Panzerabwehr ausgebildet und kam an die russische Front in der Ukraine. In Rumänien erkrankte er schwer an Fleckfieber und musste sich vier Monate lang im Lazarett in Oberschlesien auskurieren. Danach kam er in die Schreibstube, unter anderem in Groß-Königsdorf.

In Rouen sei er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft gewesen, wo er Schiffe habe be- und entladen müssen. Manche der Bewacher hätten nach dem Essen etwas in ihrem Essgeschirr übriggelassen, sogar mit einem Löffel drin. „Andere haben gesagt, das esse ich nicht, aber ich hatte Hunger, ich war 19 Jahre alt“, erzählt er. Vielleicht sei er deshalb so alt geworden, weil ihn das abgehärtet und immun gemacht habe, scherzt er.

Von den neun Söhnen waren acht im Krieg, nur drei von ihnen überlebten

Am 13. Oktober 1946 kam er wieder nach Hause. Die Familie war durch den Krieg schrecklich getroffen worden. Acht der neun Jungen waren eingezogen worden, nur er und zwei weitere Brüder hatten den Kriegseinsatz überlebt.

Seine erste Arbeitsstelle sei die Schlosserei Haas in Blumenthal gewesen, berichtet er. Doch dann habe er keine Bereifung mehr auf dem Fahrrad gehabt, mit dem er täglich zur Arbeit gefahren war. Daher wechselte er nach Paulushof zur Firma Klein. Von 1948 bis 1956 habe er bei der Firma Schoeller in Hellenthal gearbeitet, bevor er in das Sägewerk in Schmidtheim wechselte. „Die haben mich dann auf die Holzfachschule in Bad Wildungen geschickt“, so Scory. Nach der Ausbildung sei er bis zu seiner Verrentung als Gatterführer tätig gewesen.

Seine Frau Gertrud lernte er kurz vor seinem 21. Geburtstag kennen. „In Wildenburger Saal war Minensucherball“, berichtet er. Doch als einzelner Mann sei es unmöglich gewesen, dort hineinzukommen, weil die Veranstalter lieber Frauen als Gäste hatten. „Da kam sie mit den Heckenern an. Ich hatte direkt ein Auge auf sie geworfen“, doch ihm habe zunächst der Mut gefehlt, sie anzusprechen, sagt er. Dann habe er es trotzdem gewagt und zu ihr gesagt: „Holst du mich mit rein?“ Sie habe ihn angesehen und gesagt: „Na klar.“

Vier Schachteln Zigaretten und eine Flasche Schnaps für seine Gertrud

Viereinhalb Jahre waren die beiden miteinander befreundet, bevor sie am 2. Juni 1951 vor den Traualter traten. Doch vorher habe er seine Gertrud noch von den Heckenern „freikaufen“ müssen – vier Schachteln Zigaretten und eine Flasche Schnaps habe er den Heckener Junggesellen geben müssen. Kein großes Opfer für ihn, denn er sei zeitlebens Nichtraucher gewesen.

Zuerst sei er mit seiner Frau nach Hecken gezogen. Denn die hatte nach dem Tod ihrer Eltern und einer Stiefmutter ihre sechs Geschwister alleine großgezogen, was nur möglich gewesen sei, weil sie bereits 21 Jahre alt gewesen sei. In Hecken wurde 1952 Sohn Bruno geboren. 1953 zogen sie in die Alte Schule nach Kreuzberg. „Wir haben 18 D-Mark Miete gezahlt und 36 D-Mark dafür bekommen, dass wir die Klassenräume geputzt haben“, erinnert sich Scory.

Das Paar feierte goldene, diamantene und eiserne Hochzeit

1957 wurde Tochter Rita geboren. Dann zogen sie zu einem Onkel, der mit seiner Frau ebenfalls in Kreuzberg wohnte. Ihn pflegten sie bis zum Tode und übernahmen danach das Haus, in dem sie noch bis vor kurzem gewohnt haben. Denn die Dorfgemeinschaft sei großartig gewesen, so Tochter Rita. „Die haben mich nicht vergessen, die kommen mich immer noch besuchen“, sagt ihr Vater.

67 Jahre währte die Ehe, sodass die beiden mit ihrer Familie goldene, diamantene und sogar eiserne Hochzeit feiern konnten. Die Tochter bewahrt viele gute Erinnerungen an die fürsorgliche Art des Vaters, dem die Familie sehr wichtig gewesen sei. „Einmal hatten sie zu Weihnachten für mich eine Puppenküche bestellt, die aber nicht rechtzeitig geliefert wurde“, erzählt sie. Da sei ihr Vater noch morgens an Heiligabend bei Schnee und Glatteis mit dem Moped nach Schleiden gefahren, um dort das Geschenk abzuholen.

Nach der Arbeit im Sägewerk ging es für Alois Scory aufs Feld, denn er betrieb eine kleine Landwirtschaft mit vier Stück Vieh. Noch bis in die 1970er-Jahre sei er mit dem Kuhgespann auf das Feld gefahren, so seine Tochter. Urlaub habe es nicht gegeben. Regelmäßig begab sich der Jubilar aber auf Wallfahrt nach Barweiler. Am Freitag wird er in Gemünd Besuch von Hellenthals Bürgermeister Martin Berners erhalten. Der Samstag ist dann der Familienfeier vorbehalten.