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LeuchttürmeWeilerswister Bürgermeisterin will Anlaufstellen für Katastrophen schaffen

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Die Weilerswister Bürgermeisterin Anna Katharina Horst improvisierte bei der Flut und informierte zu festgelegten Zeiten die Weilerswister Bürger per Megafon. (Archivbild)

Weilerswist – Die Flutkatastrophe vom 14. Juli offenbarte im Kreis in vielen Bereichen Defizite. Dazu gehörten im Besonderen die Warnung und Information der Bürger in den betroffenen Kommunen. In der akuten Phase, in der die öffentliche Infrastruktur angeschlagen oder gar stillgelegt war, in der Telefonnetze nicht funktionierten und die Medien kaum arbeiten konnten, fehlten den zutiefst verunsicherten Bürgern Anlaufstellen und Information. Diese Erkenntnis treibt die Weilerswister Bürgermeisterin Anna Katharina Horst um. Und lässt sie ein Projekt vorantreiben, in den Orten für Notlagen Anlaufstellen für Bürger zu schaffen, so genannte „Kat-Leuchttürme“.

Naheliegend ist, für derartige Fälle die Feuerwehrgerätehäuser zu Anlaufpunkten zu machen. Das geschieht auch jetzt schon. Bei größeren Stromausfällen oder dem Ausfall der Notrufnummern lässt die Rettungsleitstelle des Kreises die Gerätehäuser besetzen, damit Bürger im Notfall durch die Feuerwehr über Funk Hilfe holen können.

Die Bürgermeister mit ihren Verwaltungen sowie die örtlichen Einsatzleitungen sind normalerweise umfassend über ein Geschehen informiert. Doch wie sollen die Infos zu den Bürgern kommen? Und wie können Bürger Kontakt zur Kommune aufnehmen? Wie können sie gelenkt werden?

Leuchttürme müssten fußläufig erreichbar sein

Da auch Radiodurchsagen und Infos über die Internetauftritte der Kommunen und der Medien während der Flutkatastrophe nur eingeschränkt oder gar nicht möglich waren, setzte auch die Gemeinde Weilerswist auf Sirenenalarm und Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr. Um festzustellen, dass die meisten Feuerwehrfahrzeuge im Einsatz waren, um Menschen zu retten, dafür also gar nicht zur Verfügung standen. Blieb nur das Fahrzeug des Ordnungsamtes – entschieden zu wenig. Horst griff in der Not zum Megafon und informierte zu festen Zeiten die Menschen im Kernort.

Die Schlussfolgerung: Es müssen zusätzlich mobile Lautsprecheranlagen her. „Und was ist, wenn Straßen und Brücken nicht passierbar, Ortsteile gar nicht zu erreichen sind?“, fragt sich Horst. Das Projekt der Leuchttürme in den Orten als fußläufig erreichbare Anlaufpunkte für Bürger gewann an Konturen. Da, wo Feuerwehrgerätehäuser nicht selbst gefährdet sind, sind sie ideale Anlaufpunkte. Wenn sie denn über eine Notstromeinspeisung verfügen, was längst nicht überall der Fall ist. Es könnten aber auch Räume in Dorfgemeinschafts- oder Vereinshäusern sein.

Workshops in den Orten

Angegliedert, so Horst, würden die Leuchttürme sinnvollerweise an die Feuerwehrstrukturen. Doch da die Feuerwehrleute bei solchen Lagen einsatzgebunden sind, kann sich das Personal aus inaktiven Feuerwehrleuten, Ortsbürgermeistern und Freiwilligen, die sich und anderen zu helfen wissen, rekrutieren. „Wir haben im Gemeindegebiet etwa viele inaktive Bundeswehrsoldaten“, sagt Horst.

Wichtig sei, dass die Leuchttürme mit den Rathäusern und der Einsatzzentrale in Verbindung stehen. „Notfalls auch per Melder“, sagt Horst. Und die Rathäuser Strom und Kommunikationsmittel haben. Seit den Erfahrungen der Flutnacht steht sogar ein Satellitentelefon auf der Beschaffungsliste der Kommune. Auch die Notstromversorgung ist da ein wichtiges Thema. Hier reicht es nicht, nur auf Aggregate der Feuerwehrfahrzeuge zu setzen, da die ja für Einsätze benötigt werden.

Auch Infos zum Selbstschutz und Schulungen soll es geben. Und damit das ganze Projekt nicht wegen der in der Regel schon nach Monaten einsetzenden „Katastrophen-Demenz“ einschläft, müssen die Leuchtturmteams auch hin und wieder Abläufe trainieren.

Damit die Leuchttürme nicht nur Ideen bleiben, sucht Horst professionelle Unterstützung durch Experten, etwa bei den Hilfsorganisationen und beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Sie will nun mit Workshops in die einzelnen Orte gehen. Hier können Ideen und Ressourcen gebündelt werden. Und da das Projekt Geld kosten wird, hofft Horst, hierfür Mittel der Leader-Region anzapfen zu können.

Hilfe und Beratung für das Projekt

Um ihr Projekt voranzubringen, holte sich Anne Horst professionelle Hilfe und Beratung bei Udo Crespin, dem früheren Kreisbrandmeister. Ebenso wie sein Nachfolger Peter Jonas schätzt Crespin das Potenzial derartiger Kat-Leuchttürme hoch ein und verweist auf das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt der Katastrophenschutz-Leuchttürme in Berlin.

Derartige Anlaufstellen können bei vielfältigen Szenarien das Informationsbedürfnis der Bevölkerung erfüllen. Ihre Notfallkommunikation ermöglicht es, Informationen und Verhaltenshinweise zwischen den Behörden und der Bevölkerung auszutauschen, ohne auf herkömmliche Kommunikationsmittel angewiesen zu sein. Damit können sie zu Lenkungsstellen werden. Und zu einem Instrument für eine organisierte Selbsthilfe. Denn über sie können freiwillige Helfer ins Krisenmanagement einbezogen werden.

Gerade der Bereich, den Jonas und Crespin als „Helfende Hände“ klassifizieren, spielte in der Flutkatastrophe eine enorm wichtige Rolle. Eine große Zahl Helfer, sowohl aus den betroffenen Kommunen als auch von außen, leistete in den Wochen danach unverzichtbare Arbeit. Doch gerade zu Beginn kann ein Helferansturm mit großen Mengen an Hilfsgütern selbst zum Problem werden, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Ihr Einsatz und die Verteilung müssen organisiert werden.

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Bei den Kat-Leuchttürmen könne man auf die vorhandene Infrastruktur, etwa der Feuerwehren und Hilfsorganisationen mit ihren Helfern, ihrer Ausrüstung und den Gerätehäusern aufsatteln. Doch diese mit dem Betrieb von Leuchttürmen zu beauftragen, wäre die falsche Herangehensweise. Gerade die kommunalen Feuerwehren, die die Gefahrenabwehr schultern und bei Katastrophen in der Regel einsatzgebunden sind, könnten solche Leuchttürme, die ja über Tage oder gar Wochen hinweg arbeiteten, nicht schultern. Die Erhöhung der Selbsthilfefähigkeit, so Crespin und Jonas, müsse auf breitere Füße gestellt werden. Da gelte es, das Potenzial in den Ortschaften abzugreifen, etwa durch Vereine, Ehrenamtler und Pensionäre aus verschiedensten Berufen.

Das mögliche Einsatzspektrum ist weit gefächert und reicht vom Ausfall des Notrufs über flächendeckende, langanhaltende Stromausfälle, Hochwasserfluten und Stürme bis hin zu einer Pandemie. Es gehe auch nicht darum, in Leuchttürmen Wasservorräte, Medikamente, Nahrungsmittel oder Jodtabletten vorzuhalten. Das gehe nur durch überörtliche Hilfe. Dazu gebe es vielfältige Konzepte, etwa auf Landesebene. Aber als Schnittstelle zwischen der anrollenden Hilfe und den Betroffenen könnten die Leuchttürme wertvolle Arbeit leisten. Das gelte nicht nur für materielle Hilfe, dazu gehöre auch die psychosoziale Versorgung.

Auch in anderen Kommunen, etwa in Euskirchen, so Jonas, gehen Überlegungen in diese Richtung. Da gebe es durchaus Handlungsfelder, in denen der Kreis den Kommunen koordinierend zur Seite stehen könne.  

Krisenstrukturen in den Kommunen

Für Katastrophen und Großschadensereignisse haben nicht nur der Kreis mit dem dort angesiedelten Krisenstab und dem Führungsstab, sondern auch die Kommunen Strukturen geschaffen. Da die Rettungsleitstelle des Kreises an ihre Kapazitätsgrenze kommt, wenn es in kurzer Zeit zu zahlreichen Feuerwehr- und Rettungsdiensteinsätzen kommt, haben die Stadt- und Gemeindefeuerwehren Koordinierungsstellen, die schnell besetzt werden und die gehäuft auflaufenden Feuerwehreinsätze abarbeiten. In der Regel sind das die nicht zeitkritischen Einsätze.

Doch die Flutnacht vom 14. Juli hat den Verantwortlichen drastisch vor Augen geführt, dass auch die Koordinierungsstellen mit Lagen konfrontiert werden können, bei denen es um Leben und Tod geht.

In den Koordinierungsstellen werden in der Regel auch Technische Einsatzleitungen gebildet, die den kommunalen Einsatzleiter, in der Regel der Leiter der Feuerwehr, bei operativ-taktischen Maßnahmen unterstützen.

Parallel dazu gibt es in den meisten Rathäusern jeweils einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse (SAE). Diese Stäbe, in der Regel mit Verwaltungsbediensteten besetzt, kümmern sich um administrativ-organisatorische Belange und sind während des Ereignisses alleinige Anlaufstelle der Gemeindeverwaltung für alle Maßnahmen und Informationen, die mit dem Ereignis in Zusammenhang stehen.

Der SAE trifft im Auftrag des Bürgermeisters auch unter zeitkritischen Bedingungen Entscheidungen und Maßnahmen. Wo können Menschen untergebracht werden, wenn ein Gebiet evakuiert wird? Wie können Bauhöfe eingesetzt werden? Der SAE ist auch für die Warnung und Information der Bürger sowie anderen Behörden und Einrichtungen zuständig. (ch)

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