Die Festanstellung der Honorarkräfte führt zu höheren Kosten. Thomas Väth hat eine Petition gestartet, um seine Musikschule zu retten.
„Attacken, die mich massiv stören“Uneinigkeit bei Förderung der Weilerswister Musikschule

Die Zukunft ist ungewiss: Wird das Haus Heskamp 2027 weiter die Musikschule Erft-Swist beheimaten?
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Die Musikschule Erft-Swist hat die Gemeinde Weilerswist um eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 30.000 bis 40.000 Euro gebeten. Bliebe die Zahlung aus, müsse die Schule mit derzeit 360 Schülerinnen und Schülern schließen, warnt Musikschulleiter Thomas Väth.
Die Gemeindeverwaltung gründete daraufhin einen Arbeitskreis, der sich mit dem Thema beschäftigt. Wirklich weiter ist man aber wohl noch nicht gekommen. Kämmerer Alexander Eskes, der dem Arbeitskreis angehört, verweist auf fehlende Zahlen und Angaben seitens der Musikschulleitung. Die Kommunikation zwischen den beiden Seiten ist offenbar schwierig. Teil dieser Dynamik ist zudem die Kommunalpolitik, die sich im Wahlkampfmodus befindet. Thomas Väth fühlt sich nach eigenem Bekunden von ihr attackiert.
Musikschulen müssen Herrenberg-Urteil bis Ende 2026 nachkommen
Zum Hintergrund der Finanzierungsanfrage: Nach dem sogenannten Herrenberg-Urteil vom 28. Juni 2022 müssen Honorarkräfte an Musikschulen sozialversicherungspflichtig angestellt werden. Sie gelten sonst faktisch als Scheinselbstständige. Laut Unisono, der Deutschen Musik- und Orchestervereinigung, ist den Musikschulen Anfang 2025 eine Übergangsfrist für die Umstellungen bis Ende 2026 eingeräumt worden. Diese Umstellungen führen gemäß Thomas Väth zu deutlich höheren Betriebskosten an seiner Musikschule.
„Wir haben unsere Verträge alle juristisch prüfen lassen und entsprechend der Übergangsfristen angepasst. Die Lehrkräfte arbeiten aktuell noch als Honorarkräfte“, so Väth. Ihm zufolge sind die Verträge Mitte 2024 umgestellt worden: „Die Rechtssicherheit ist bis Ende 2026 gewährleistet.“
Musikschule und Gemeinde kritisieren Vorgehen der jeweils anderen Seite
Erst Ende 2023 habe er von dem Herrenberg-Urteil erfahren. An die Gemeindeverwaltung habe er sich im Juni 2024 gewendet. Er habe dafür das Rathaus aufgesucht, sagt Väth. Kämmerer Alexander Eskes bestätigt das. Er sagt aber auch: „Es ist die Frage, mit welcher Erwartung er gekommen ist. Ich habe ihm damals schon gesagt, wir können das als Verwaltung nicht entscheiden.“ Hier sei die Kommunalpolitik gefragt. Das Thema der Finanzierung stehe in einem Dreiecksverhältnis zur Musikschule und der Verwaltung sowie der Kommunalpolitik.
Eskes schildert weiter, Väth nach dessen Besuch im Rathaus Unterlagen an die Hand gegeben zu haben. Diese sollen Vorschläge enthalten, wie die Musikschule die Umstellungen umsetzen könnte. „Herr Eskes hat mir ein Dokument mitgegeben, in dem die Problematik Herrenberg-Urteil dargelegt wurde“, sagt der Musikschulchef. Konkrete Handlungsempfehlungen gingen hieraus nicht hervor. „Herr Eskes wollte von uns noch weitere Zahlen haben. Die liegen ihm in Form eines Jahresabschlusses von 2023 vor.“
Die von der Verwaltung benötigten Zahlen lägen noch nicht vor, entgegnet der Kämmerer: „Wir brauchen die Anzahl der Schüler, Kosten und Beitragszahlungen, um die Kosten berechnen zu können. Es sind alles unternehmerische Entscheidungen, die die Musikschule abwägen müsste, bevor sie sich an die Gemeinde für Geld wendet.“ Bei der Musikschule sei es so, dass gesagt worden sei, sie stelle die Leute ein, die vorher als Freiberuflicher beschäftigt waren, fasst Eskes zusammen. Danach sei es der einfachste Weg gewesen, zur Gemeinde zu gehen und nach dem Geld hierfür zu fragen.
Auch bei der Finanzierung gehen die Meinungen auseinander
Für Eskes gestaltet sich die Lage aber komplexer: „Es stellt sich die Frage, was man macht, wenn die Musikschule dauerhaft defizitär wäre“, gibt er zu bedenken: „Die Musikschule ist ein privater Verein, wie eine GmbH – soll das die Gemeinde bezuschussen?“ Demnach muss die Verwaltung überlegen, ob die Schule aus Steuergeldern finanziert werden solle.
Das Problem: Die Abwägung zwischen der Ausbildung an der Musikschule im Vergleich zu anderen Ausbildungen, etwa sportlicher, gesanglicher oder tänzerischer Art, gestaltet sich laut Esken schwierig. Die Angebote seien schließlich sehr unterschiedlich. „Man müsste hier einen besonderen Fall daraus machen, aber das sehe ich noch nicht.“ Stattdessen empfiehlt er der Weilerswister Musikschule, verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten zu erwägen, wie etwa eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge. Die Kosten würden zu hoch, hält Väth dagegen: „Wir sind gar nicht gewinnorientiert.“
Er wolle sich nur für den Erhalt der Musikschule einsetzen: „Wir könnten die Musikschule zur kommunalen Musikschule ummünzen. Oder dem Modell Euskirchen folgen, wo der Vorstand paritätisch besetzt wird“, schlägt Väth vor. Warum das in Weilerswist nicht gehen sollte, ist Väth schleierhaft. „Oder es bleibt alles wie es ist. Nichtsdestotrotz müsste die Gemeinde uns ab spätestens 2027 finanziell unterstützen.“ Die Kosten seien anders nicht zu stemmen. Da er zu wenig Bewegung in der Angelegenheit wahrgenommen habe, fasste Väth den Entschluss, eine Petition für den Erhalt der Musikschule zu starten. Das Online-Dokument ist über einen QR-Code auf der Webseite der Musikschule abrufbar.
Musikschulleiter fühlt sich durch Kommunalpolitiker gedrängelt
Es soll auch negative Reaktionen gegeben haben, etwa bei der Jubiläumsfeier der Musikschule am 29. Juni. „An dem Tag waren plötzlich alle Bürgermeisterkandidaten anwesend“, berichtet Väth. Diese hätten ihn „in die Mangel genommen“. „Wie, Sie wollen eine Petition starten?“, zitiert er eine Aussage ihm gegenüber. „Ich bin als Musiker einen solchen Ton nicht gewohnt“, sagt er weiter: „Ich bin gewohnt, dass man gemeinsam ein Ziel verfolgt und es auf die Bühne bringt.“ Er kritisiert auch die aus seiner Sicht „drängelnden Reaktionen“ seitens einer Partei, was die Beantwortung eines Fragenkatalogs betrifft. Diesen soll der Musikschulleiter fürs nächste Treffen des Arbeitskreises Mitte August vorbereiten.
„Es wäre wichtig, den Fragenkatalog beantwortet zu bekommen“, sagt auch Kämmerer Eskes: „Unterm Strich entscheidet aber der Rat über die Haushaltsplanung.“
Musikschulleiter Väth erläutert zum Katalog: „Es sind 21 nicht triviale Fragen. Da sitzen unser Jurist und unser Steuerbüro dran – es kann nicht erwartet werden, dass diese Fragen innerhalb kürzester Zeit beantwortet werden.“ Dennoch moniere die Partei öffentlich, dass diese Fragen noch nicht beantwortet worden seien. Väth: „Das sind Attacken, die mich massiv stören. Es war nie die Rede davon, dass die Fragen im Vorfeld beantwortet werden können.“
Arbeitskreis behandelt die Thematik in den Sommerferien
Kämmerer Eskes sagt, er habe Verständnis dafür, dass die Antworten auf die Fragen erst beim nächsten Treffen des Arbeitskreises vorliegen werden. Er habe außerdem ein Gesprächsangebot gemacht: Man könne auch unter vier Augen sprechen. Eskes: „Ich bin kein Feind der Musikschule, aber als Kämmerer muss ich auf die Finanzen der Gemeinde achten.“
Väth will kein Gesprächsangebot bekommen haben. Für ihn liegt der Termin zum Austausch mit dem Arbeitskreis ungünstig: „Dieses Treffen liegt in den Sommerferien, so dass viele Mitarbeitende nicht teilnehmen können.“ Sollte bei dem Treffen keine Absichtserklärung herauskommen, sei eine Demonstration in Weilerswist geplant.
Musikschulen stellen sich aufs Herrenberg-Urteil ein
Das Herrenberg-Urteil bedingt deutschlandweit, dass Musikschulen ehemalige Honorarkräfte festanstellen. Laut der Pressesprecherin des Verbands deutscher Musikschulen (VdM), Claudia Wanner, gehen verschiedene Schulen und deren Kommunen sehr unterschiedlich mit den Umstellungen um. Claudia Wanner sagte dieser Zeitung: „Manche Musikschulen haben komplett umgestellt, etliche sind dabei. Viele verweisen darauf, nicht alles direkt umsetzen zu können. Es ist teuerer, festangestellte Lehrkräfte zu haben, allerdings bekommt man mehr dafür.“
Der VdM empfehle, schnell umzustellen. Nach Ablauf der Frist Ende 2026 müssten die Mitarbeiter bis auf wenige Ausnahmen fest eingestellt werden. Die Unterrichtsgebühren zu erhöhen, sei eine Möglichkeit der Finanzierung. Claudia Wanner gibt aber zu bedenken, dass berücksichtigt werden müsse, ob die Kosten nicht vor Kurzem bereits erhöht wurden und dass die Zugänglichkeit gewährleistet werden müsse.
Bei den Kommunen ist deren Reaktion nach Einschätzung der Expertin von einer Priorisierung der jeweiligen Schule abhängig. Auch hier zeigt sie Einschränkungen auf: „Manche Kommunen unterliegen derartigen Sparzwängen – ihnen sind die Hände gebunden.“ Weiter erläutert Wanner: „Aber bei weniger Geld gibt es weniger Angebote.“ Durch ein fehlendes Musikangebot könne eine Kommune wie die Gemeinde Weilerswist weniger attraktiv werden. (ges)