Kommunalwahl in KalkJunge Kandidaten für den alten Arbeiter-Stadtteil

Neue Repräsentanten im alten Arbeiterstadtteil: Viola Recktenwald und Marcel Hagedorn vor den KHD-Hallen
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- 45 Wahlbezirke gibt es in der Stadt. Bis zur Wahl am 13. September, bei der auch Oberbürgermeister, Bezirksvertretungen und Integrationsrat neu gewählt werden, berichten wir aus allen Veedeln der Stadt.
- Es geht um spannende Duelle, interessante Kandidaten, prägende Themen und Trends und Kuriositäten.
- In dieser Folge geht es um zwei Kandidaten, die auch Neu-Kalker jenseits des klassischen SPD-Klientel ansprechen.
Kalk – Zu Zeiten, als bei Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) und der Chemischen Fabrik (CFK) noch gearbeitet wurde, hätte die SPD in den umliegenden Wohnvierteln Kalk, Humboldt-Gremberg und Vingst auch einen ausrangierten Traktor oder einen Sack Zement ins Rennen schicken können. Die wären mit großer Mehrheit gewählt worden. Doch das ist längst Geschichte – auch wenn dort zuletzt Michael Paetzold und Susana dos Santos Herrmann dreimal hintereinander mit deutlichem Abstand gewannen. Aber das war vor dem bundesweiten Absturz der Sozialdemokraten.
„Die SPD holt die Menschen nicht mehr ab, ist nicht mehr wie früher in den Vereinen vernetzt und leider auch nicht mehr der Ansprechpartner vor Ort“, sagt der 29-jährige SPD-Kandidat und Rechtsanwalt Marcel Hagedorn selbstkritisch. Er tritt im Wahlbezirk 37 (Kalk, Humboldt-Gremberg) an. Hagedorn sagt, dass sich viele der Menschen in Kalk und in den umliegenden Vororten abgehängt fühlen, da die Politik ihrer Ansicht nach zu wenig für sie tue.
„Wir kommen vorbei, wenn es irgendwo ein Problem gibt“
Parteigenossin Viola Recktenwald, mit 25 Jahren im Wahlkreis 36 (Gremberg, Vingst, Höhenberg) die jüngste SPD-Kandidatin für den Stadtrat, ist da optimistischer und vielleicht auch noch ein wenig blauäugig: „Wir kommen vorbei, wenn es irgendwo ein Problem gibt. Auch kommunalpolitisch können wir Erfolge vorweisen.“
Die Menschen würden sich wieder für die SPD entscheiden, wenn sie merken, dass sich die Partei und ihre Vertreter um die Probleme vor Ort kümmern. Aber das versprechen andere Parteien und Kandidaten auch. Gerade in den alten Arbeitervierteln kämpft die SPD ums Überleben und um jede Stimme. Denn mit dem Niedergang der Industrie hat sich auch die Bevölkerungsstruktur gewandelt.
Wohnraum ist in Kalk noch nicht so teuer — viele junge Familien
Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind neu zugezogen – in die einfachen Mietwohnungen im Bereich Kalk-Nord genauso wie in die Neubauten und Eigentumswohnungen rund um den Bürgerpark. Auch viele junge Familien sind nach Kalk gezogen, weil dort der Wohnraum noch nicht so teuer und das Veedel noch nicht als so hip gilt wie Nippes oder Ehrenfeld. Und die Technische Hochschule in Deutz lockt viele Studierende an, auf die so mancher Bauherr in der Umgebung – so auch die Wohnungsbaugesellschaft GAG – mit speziellen Studenten-Appartements oder WG-geeigneten Wohnungen reagierte.
Und diese Neu-Kalker sind nicht das klassische SPD-Klientel. So mancher mit Wurzeln in anderen Ländern – inzwischen haben auch mehr als die Hälfte aller Geschäftsleute entlang der Kalker Hauptstraße und deren Nebenstraßen einen Migrationshintergrund - fühlt sich in der aktuellen Kommunalpolitik nicht so richtig vertreten. Und die jüngeren Leute zieht es eher zu den Grünen, den Linken oder kleineren Alternativen. Das haben die vergangenen Wahlen bereits gezeigt.
Vor allem die Grünen schielen mit Daniel Bauer-Dahm, dem streitbaren, aber auch kompromissbereiten bisherigen Fraktionsvorsitzenden in der Kalker Bezirksvertretung durchaus auf ein Direktmandat. Und auch die Linke mit Claus Ludwig als Kandidat hat mutig den Gewinn eines Wahlbezirks zum Ziel erklärt.
Die SPD reagiert auf die Herausforderung mit der Aufstellung von jungen Genossen wie Recktenwald und Hagedorn. Beide sind noch recht unverbraucht, aber auch noch ziemlich unbekannt. Aber mit dem Engagement und dem Ehrgeiz von Tür zu Tür oder durch die Straßen und über die Plätze zu ziehen, um für die Partei zu werben – klassische Basisarbeit halt. „Es ist der Wahlkreis mit dem Veedel, in dem ich lebe. Hier kenne ich mich aus und kenne viele Menschen“, sagt Hagedorn, der vor neun Jahren zum Jura-Studium aus dem Sauerland nach Köln gekommen und in Kalk eine günstige Wohnung gefunden hatte. Insofern steht er als Zugezogener selbst für den Wandel der Bevölkerung.
Er will neue Wähler interessieren, ohne die alte Klientel zu vergrätzen. „Die teilweise herrschenden Vorurteile gegenüber rechtsrheinischen Veedeln kannte ich damals noch nicht“, erinnert er sich. „Ich habe mich in Kalk direkt zuhause gefühlt. Daher bin ich auch hiergeblieben, als ich aus meiner WG ausgezogen bin und im Kalker Süden eine neue Bleibe gefunden hatte. Die Vielfalt in Kalk liebe ich, das Veedel liegt recht zentral und man ist eigentlich überall schnell.“
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In der SPD, in die er schon als 15-Jähriger eingetreten war, hat Hagedorn auch schnell Karriere gemacht und schon viele Funktionen übernommen. So war er Vorsitzender der Kölner Jusos, leitete den Ortsverein Kalk-Humboldt-Gremberg und ist aktuell Mitglied im Kölner Unterbezirksvorstand sowie in der Kalker Bezirksvertretung. „Da war es für mich die logische Konsequenz, in 'meinem' Veedel für den Rat zu kandidieren.
Außerdem bin ich der Ansicht, dass das große Potenzial von Kalk und Humboldt-Gremberg aktuell liegen gelassen wird“, sagt Hagedorn und plädiert für eine moderne Verkehrspolitik, eine lebendige Stadtentwicklung, bezahlbares Wohnen und mehr Schulen in Kalk. Aber er weiß auch, dass viele ehemalige Stammwähler der SPD einfach nicht mehr zur Wahl gehen oder ihr Kreuz woanders machen.

Marcel Hagedorn in der Diskussion mit Bürgern
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„Die Menschen merken, dass die Mieten in Kalk immer weiter ansteigen und sie haben Angst, dass sie es sich bald nicht mehr leisten können, in ihrem Veedel zu leben“, sagt Hagedorn. „Sie verstehen nicht, dass über Oper und Geißbockheim debattiert wird und wieso ein Gerling-Quartier wie geleckt aussieht, aber die Mülleimer auf der Taunusstraße überquellen.“ Die SPD müsse sich daher mehr um die Menschen und um die Veedel kümmern. Dabei sei der Bevölkerungswandel und die Vielfalt in Kalk eine echte Herausforderung, es gelte unterschiedlichste Menschen zusammenzubringen.
Um sich diesen bekannt zu machen, tourt Hagedorn schon seit ein paar Jahren regelmäßig durch die Vereine und Institutionen – von Schützen und Feuerwehr bis zu den Leuten vom Kulturhof und vom Integrationshaus. Auch wenn er seit der Corona-Zeit stark auf soziale Medien wie Facebook und Instagram setzt, will er auch ganz „analog“ durch den Wahlkreis ziehen, an Spielplätzen und Parks stehen und sich vorstellen. „Weil ich versprochen habe, das Ohr stärker im Veedel zu haben, Ansprechpartner für die Vereine und Bürger zu sein und deren Anliegen mit starker Stimme im Rathaus zu vertreten, bin ich von der SPD aufgestellt worden.“
Neben seinen persönlichen Schwerpunkten in der Verkehrs- und Wohnungspolitik sieht Hagedorn sich als ein Verfechter von Bürgerbeteiligungen, auch oder gerade, weil das in Kalk zuletzt nicht so funktioniert hat. „Das wurde besonders bei dem Verfahren zur Entwicklung der Hallen Kalk deutlich. Das an sich gut gemeinte Werkstattverfahren wird heute von vielen als Farce gesehen, weil die Umsetzung der Ergebnisse so lang dauert oder sie sogar teilweise ignoriert werden.“
Auch Recktenwald, die Medizin studiert, Ärztin werden will und gegenwärtig ein Praktisches Jahr im Evangelischen Krankenhaus Kalk absolviert, sieht ihren Lebensmittelpunkt im Wahlkreis. „Ich komme aus einer Arbeiterfamilie im Saarland, Köln ist meine Wahlheimat. Ich wohne seit fünf Jahren in Kalk und seit drei Jahren in Höhenberg.“ Genau wie das Saarland seien auch die Viertel hier von der Industrie geprägt worden. „Daher kann ich gut verstehen, welche Probleme entstehen, wenn Industrie weniger wird“, sagt sie.
„Ich weiß aber auch, was hier hilft: eine gute Infrastruktur und Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie die Förderung von Vereinskultur und Initiativen für den sozialen Zusammenhalt.“
Und dafür hat sie schon vor Wochen mit dem Straßenwahlkampf begonnen – ganz traditionell, auch mit Hausbesuchen. Als ihre privaten Themenschwerpunkte nennt sie die Umwandlung des städtischen Bauhofes in Höhenberg in ein Wohngebiet, oder eine neue Nutzung für die Schrottplätze an Lüde-richstraße und Odenwaldstraße. Aber das zieht sich. Darüber wurde nämlich auch schon lange diskutiert, bevor Recktenwald überhaupt nach Köln und in die Politik gekommen ist.
Weitere Kandidaten für den Wahlbezirk 36

Gero Fürstenberg (CDU)
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Die SPD müsste tief fallen, wenn sie diese Hochburg verlieren würde. Mit 40 Prozent lag sie im Wahlbezirk, zu dem Vingst, Höhenberg und Teile von Humboldt-Gremberg gehören, vorne. Die CDU wurde mit 19,9 Prozent abgeschlagen zweitstärkste Kraft. Für sie kandidiert in diesem Jahr Gero Fürstenberg.

Stephanie Gallerbach (Grüne)
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Noch besser als die Grünen, für die Stephanie Gallerbach ins Rennen geht, schnitten bei der letzten Kommunalwahl die Linken ab. Sie holten 10,3 Prozent der Stimmen. Für sie tritt Denis Badorf an.

Denis Badorf (Linke)
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Miserabel war die Wahlbeteiligung: Nur knapp über 31 Prozent beteiligten sich. In diesem Jahr stehen hier zwölf Parteien und Kandidaten zur Auswahl. (fra)
Weitere Kandidaten für den Wahlbezirk 37
Bei der letzten Kommunalwahl konnten sich in der alten SPD-Hochburg – zum Wahlbezirk gehören Kalk und Teile von Humboldt-Gremberg – nicht nur die Grünen über ein gutes Ergebnis freuen.

Claus Ludwig (Linke)
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Auch die Linke mit ihrem kantigen und profilierten Kandidaten Claus Ludwig konnte punkten. Er möchte auf die 14,5 Prozent vom letzten Mal noch etwas drauflegen. Gleiches hat sich der grüne Kandidat Daniel Bauer-Dahm vorgenommen.

Daniel Bauer-Dahm (Grüne)
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Er holt 2015 bereits 18,7 Prozent. Die CDU, für die Vanessa Diedrich antritt, musste sich mit mageren 14,9 Prozent begnügen.

Vanessa Diedrich (CDU)
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Vielen im Veedel bekannt ist Manfred Kreische, der für die Klimafreunde wirbt. Zwölf Parteien stehen hier zur Wahl. (fra)