Auch Hospizeinrichtungen von Corona betroffenBittere Regeln für die Sterbenden

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Bewohner und Angehörige zeigen Verständnis für die Regeln, die Pflegedienstleiter Jens Stube oft aktualisieren muss.

Bewohner und Angehörige zeigen Verständnis für die Regeln, die Pflegedienstleiter Jens Stube oft aktualisieren muss.

  • Auch die Hospizeinrichtungen im Kreis sind von der Verbreitung des Coronavirus betroffen.
  • Ein Blick nach Wiehl zeigt: Strenge Regeln machen die Arbeit momentan nicht leichter.
  • Auch der Wegbruch der ehrenamtlichen Hilfe tut den Einrichtungen weh.

Wiehl – Brigitte Buchholz ist 66 Jahre alt und unheilbar an Krebs erkrankt. Seit sieben Wochen lebt sie im Johannes-Hospiz Oberberg in Wiehl. Ihre Töchter Sarah Buchholz und Tanja Dick stehen ihr sehr nah, besuchen sie regelmäßig. Auch die beiden Enkel, Freunde und Bekannte kommen vorbei. Brigitte Buchholz fühlt sich wohl in ihrem vermutlich letzten Zuhause. Tochter Sarah sagt: „Wir haben hier so viel Wertschätzung und Verständnis erlebt. Das Team ist zur Familie geworden. Meine Mutter hat schon in der ersten Woche gesagt, dass sie sich fühlt, wie in einem Fünf-Sterne-Hotel.“

Eigentlich ist alles so, wie es unter den Umständen sein sollte – wäre da nicht Corona. „In den letzten drei Wochen hat sich vieles verändert,“ bedauert Sarah Buchholz. Bis dahin hatte sie sich mit ihrer Schwester am Tag mehrfach abgewechselt, so dass immer einer an der Seite ihrer Mutter war. „Wenn ich zu Hause ein schlechtes Gefühl hatte, dann bin ich hingefahren und habe nach meiner Mama geschaut.“ Das ist nun vorbei. Die Türen, die sonst immer offen sind, sind geschlossen. Hinein kommt niemand mehr ohne zu klingeln. Ein Meer von Schildern säumt den Eingangsbereich: Richtlinien, Verordnungen, Hinweise. Ein Tisch mit Desinfektionsmitteln, wo sonst Blumen standen.

Jens Stube (36), Pflegedienstleiter im Johannes-Hospiz seit 2017, erklärt: „Mittlerweile darf pro Tag nur ein enger Angehöriger den Gast für zwei Stunden auf seinem Zimmer besuchen. Lediglich für die letzte Phase des Sterbens gibt es Ausnahmen.“ Das sei im Grunde das absolute Gegenteil vom eigentlichen Konzept. „Menschen sollen ja hier eine gute Zeit miteinander haben. Die Tür steht jedem offen, den unsere Gäste gerne bei sich haben wollen.“

„Das Schlimmste war dieses Gefühl, dass ich nicht zu meiner Mutter fahren kann“

Es gibt im Hospiz helle, freundliche Aufenthaltsräume, wie das Atrium und die Bergische Stube. Die Bewohner können dort sonst Enkeln und Urenkeln beim Spielen zuschauen, Musik hören oder Gespräche führen, die zum Lebensende wichtig sind. Auch diese Räume sind nun geschlossen. Das ohnehin schon kurze Treffen ist nur noch auf dem Zimmer oder nacheinander im Garten möglich. „Am Anfang bin ich verzweifelt,“ erinnert sich Tochter Sarah Buchholz. „Das Schlimmste war dieses Gefühl, dass ich nicht zu meiner Mutter fahren kann, wenn ich das möchte. Und die Angst, dass sie nicht mehr lebt, wenn ich meine nächsten zwei Stunden Besuchszeit habe.“ Um das so Team zu schützen, verzichten Buchholz und ihre Schwester darauf, die Mutter in den Arm zu nehmen. „Das ist natürlich nicht leicht, aber wir wollen einen Teil dazu beitragen wollen, die Mitarbeiter nicht zu gefährden.“

Neben den so wichtigen Besuchen bricht auch die Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer weg. „Normalerweise kommt hier zweimal pro Tag ein ambulanter Hospizbegleiter von den Maltesern“, sagt Stube – eine Stütze für die Bewohner in der letzten Phase ihres Lebens. In intensiven Gesprächen können die Hospizbegleiter Ängste lösen und Fragen beantworten, die mit den Angehörigen nur schwer zu besprechen sind. Das muss das Team um Jens Stube nun auffangen. „Zum Glück sind wir personell noch sehr gut aufgestellt. Wir nehmen wir uns gerne die Zeit für Gespräche oder sind einfach nur da.“ Das gibt auch Angehörigen wie Sarah Buchholz ein gutes Gefühl. „Es ist beruhigend zu wissen, dass meine Mutter hier so liebevoll aufgefangen wird“, sagt sie. „Ich halte das alles auch nur aus, weil ich weiß, dass ich nie das Gefühl habe zu nerven, wenn ich jenseits meiner Besuchszeit anrufe und frage, wie es meiner Mutter geht.“

Jede Neuaufnahme muss in Quarantäne

Seit einigen Tagen gibt es eine weitere Einschränkung: „Jede Neuaufnahme muss erstmal in Quarantäne und wird solange behandelt, als wäre sie infiziert, bis der Test das Gegenteil beweist“, erklärt Pflegedienstleiter Stube, der in letzter Zeit auch nach Feierabend E-Mails abruft, weil sich so schnell so viel verändert. Sarah Buchholz ist froh, dass ihnen diese Änderung erspart blieb.

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Eines jedoch bedrückt die 39-Jährige sehr: „Nicht zu wissen, was ist, wenn meine Mutter gestorben ist und ich im Zweifel entscheiden muss, wer zur Beerdigung kommen darf und wer nicht.“ Ihre Mutter hat zum Glück vieles vorbereitet und hinterlässt ihren Töchtern schon jetzt ein besonderes Erbe: „Wenn wir eines von ihr gelernt haben, dann, dass es immer irgendwie weiter geht.“

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