Aktion „Meine Leidenschaft“Seine Leidenschaft sind selbst gefertigte Spazierstöcke

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In seinem Keller präsentiert Gerhard Hermann das Ergebnis seiner Sammel- und Bastelleidenschaft.

In seinem Keller präsentiert Gerhard Hermann das Ergebnis seiner Sammel- und Bastelleidenschaft.

Bergneustadt – Die Sommerferien haben begonnen – Zeit für die heiße Phase unseres Sommerwettbewerbs „Meine Leidenschaft“, den wir gemeinsam mit der Volksbank Oberberg veranstalten. Heute geht’s um ein naturnahes Hobby.

Als Bäcker- und Konditormeister musste Gerhard Hermann um 3 Uhr aufstehen. Auch sonntags wurde er immer früh wach. Und machte sich auf den Weg. „Da bin ich dann in der Dämmerung losgelaufen und habe mich später von meiner Frau irgendwo abholen lassen.“ Bis ins mehr als 30 Kilometer entfernte Wissen hat er es an solchen Wandertagen geschafft.

Der Beginn seiner anderen, außergewöhnlichen Leidenschaft liegt ebenfalls noch im Berufsleben des heute 78-jährigen Rentners. Walter Röttger, ein befreundeter Bastler, bat ihn einmal, den Backofen für die Trocknung seiner Wanderstöcke benutzen zu dürfen. Bei Röttger lernte Hermann, wie man aus einem sonderbar geformten Ast einen schmucken Spazierstock macht.

Jeder Wanderstock ist aus einem vom Waldgeißblatt umrankten und verformten Ast entstanden.

Jeder Wanderstock ist aus einem vom Waldgeißblatt umrankten und verformten Ast entstanden.

Inzwischen kann Hermann nicht mehr durch den Wald gehen, ohne mit einem Auge nach geeignetem Material Ausschau zu halten. „Ich komme selten ohne einen neuen Stock nach Hause.“ Seit 17 Jahren leitet er eine Wandergruppe von fünf bis sieben Freunden. Rund 830 Wanderungen hat man gemeinsam unternommen, vor allem im Oberbergischen und seinen Nachbarregionen, manchmal geht es auch an die Ahr. Immer mittwochs machen sich die rüstigen Senioren auf den Weg, bei Wind und Wetter. „Und bei Hitze. Die Leute halten uns für bekloppt.“ Weit mehr als 15 000 Kilometer dürften insgesamt zusammengekommen sein.

Mit Zwingen bringt er die Fundstücke in Form.

Mit Zwingen bringt er die Fundstücke in Form.

Im Spätherbst, wenn die Bäume das Laub abgeworfen haben, findet Hermann mit geübtem Auge seine Rohlinge. Er kennt eine gute Stelle bei Sotterbach, grundsätzlich wird er oft am Wegerand fündig, überall dort, wo der Waldbauer im lichten Forst ein wenig Wildwuchs zugelassen hat. Es handelt sich um Haselnuss-, Buchen- oder Birkenäste, um die sich das Waldgeißblatt gewickelt hat. Die Kletterpflanze hat sich eng um den Ast gelegt und dessen Dickenwachstum widerstanden, so dass er im Laufe der Zeit Einkerbungen gebildet hat. Wenn man das Waldgeißblatt entfernt, sieht der gewundene Ast wie zur Schraube gedrechselt aus.

Zuhause im Bastelkeller wird der Ast geschält und gerichtet. Dazu spannt er ihn mit Schraubzwingen in eine Schiene ein und lässt das Holz über mehrere Wochen trocknen. Einen besonders dicken Brocken hat Hermann auch schon mal in der Wand verankert und mit dem Wagenheber in Form gebracht. Daraus wurde dann aber auch ein Schaustück, zum Wandern wäre der Prügel viel zu schwer.

Nach dem Richten wird das Werkstück schön glatt geschliffen, geschmirgelt, gebeizt und schließlich mehrmals lackiert. Die separat gesammelten Griffstücke fügt Hermann mit einem Dübel oder einer Metallhülse an.

Vor allem im Winter beschäftigt sich Gerhard Hermann mit seinen Wanderstöcken. Im Sommer lässt ihm sein prachtvoller Rhododendrengarten zu wenig Zeit. Der ganze Vorgang nimmt viele Stunden in Anspruch. Wenn er einen angemessenen Lohn dafür bekommen wollte, müsste er mehr als 100 Euro verlangen, schätzt Gerhard Hermann. „Aber das bezahlt ja keiner.“ Da verschenkt er die Stöcke lieber, aber nur an Menschen, die seine Arbeit auch zu schätzen wissen. Der Großteil seiner Produktion hängt darum im Keller, eine Paradeschau des Hobbystolzes.

Und welchen seiner Stöcke nimmt er selbst zum Wandern mit? Oder immer einen anderen? „Überhaupt keinen“, sagt Gerhard Hermann und lacht, „ich bin doch kein alter Mann.“

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