Bergneustadts Musikschule wird neu aufgestellt, so hat es der Stadtrat entschieden. Hintergrund sind ein Gerichtsurteil und die klamme Stadtkasse.
Stadt muss sparenBergneustadt degradiert seine Musikschule zur Vermittlungsagentur

120 Nachwuchsmusiker nehmen momentan in der Bergneustädter Musikschule Unterricht – demnächst werden sie Agenturkunden.
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Für die aktuell rund 120 Musikschülerinnen und -schüler in der Stadt werden sich die Rahmenbedingungen ab dem kommenden Jahr gründlich ändern. Gegen die Stimmen der SPD hat der Stadtrat am Mittwochabend die Umwandlung der städtischen Musikschule in eine sogenannte Agentur beschlossen. Deren Leitung soll künftig den Unterricht von selbstständigen Dozenten steuern, die ihr Honorar direkt mit den Schülern abrechnen.
Stadt Bergneustadt zieht sich aus Abwicklung zurück
Die Stadt zieht sich aus der Abwicklung der Beitrags- und Honorarzahlungen zurück, der Rat hob die städtische Honorarordnung zum 1. August 2026 auf. Hintergrund der Neuorganisation ist zum einen das „Herrenberg-Urteil“ des Bundessozialgerichtes aus dem Sommer 2022, demzufolge Honorarkräfte an Musikschulen regelmäßig nur dem Anschein nach selbstständig sind – mit der Folge, dass für sie als Arbeitnehmer Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu zahlen sind.
In Bergneustadt kommt hinzu, dass die Kommune in der Haushaltssicherung steckt, was freiwillige Leistungen schwierig macht. Nach Überzeugung der Stadtspitze soll das Agentur-Modell die Dozenten nun rechtssicher als Selbstständige einordnen, die ihre Beiträge wie bisher selbst zahlen. Bis 2035 erwartet sie Einsparungen von 400.000 Euro.
Bergneustadts SPD kritisiert die Pläne
Es sei bedauerlich, dass der Kulturbereich nach wie vor eines der ersten Opfer sei, wenn eine Kommune den Rotstift ansetzt, sagte Joachim Kottmann, aktuell stellvertretender Leiter der Neustädter Musikschule, am Donnerstag. Kultur und Musik stärkten nachweislich die Wertschätzung der Demokratie, was heute sicher wichtiger sei als noch vor zehn Jahren.
Auch SPD-Fraktionschef Daniel Grütz ließ im Rat kein gutes Haar an dem Vorschlag: „Der Spareffekt bleibt überschaubar, der kulturelle Schaden wird gewaltig sein.“ Musikschullehrer seien keine Arbeitskräfte zweiter Klasse, zudem machten solche Bedingungen sicher keine Werbung für die Musiklandschaft in Bergneustadt. Joachim Kottmann bestätigt, dass das Dozenten-Team zuletzt bereits geschrumpft ist, aktuell gibt es zehn Lehrerinnen und Lehrer mit unterschiedlich großem Stundenangebot.
Der Spareffekt bleibt überschaubar, der kulturelle Schaden wird gewaltig sein.
In einer schriftlichen Stellungnahme, die Kottmann zusammen mit Musikschulchef Eberhard Rink an die Ratsfraktionen geschickt hatte, stellen die beiden Musiker auch seit Jahrzehnten gefestigte Kooperationen in der Stadt in Frage – allen voran solche mit dem Wüllenweber-Gymnasium. „Bislang sprach die Schule mit der Musikschulleitung. Aber wie soll die künftig etwas bestimmen, wenn sie eine Gruppe von komplett unabhängigen Selbstständigen vor sich hat? Die Schule wird also mit jedem einzelnen Dozenten Verträge abschließen müssen“, vermutet Kottmann.
Stefan Heidtmann (Grüne), selbst Berufsmusiker, betonte im Rat dagegen, man habe nur die Wahl zwischen dem Status quo „auf rechtlich wackeligen Füßen“, gar keinem Musikunterricht oder eben der Agentur.