Bergneustadt feiert StadtgeburtstagDreckige Wäsche war nie schöner

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Der letzte Auftritt von Gerda Rippel (Minchen) und Horst Kowalski (Karl von der Dörspe) wird bejubelt. Ihre Nachfolger Antje Schnellenbach und Helga Schmuck-Sterling stehen in den Startlöchern.

Der letzte Auftritt von Gerda Rippel (Minchen) und Horst Kowalski (Karl von der Dörspe) wird bejubelt. Ihre Nachfolger Antje Schnellenbach und Helga Schmuck-Sterling stehen in den Startlöchern.

Bergneustadt – Alles ist wie immer. Die Landsknechte eskortieren den Bürgermeister zum Altstadtbrunnen. Minchen und Karl von der Dörspe lästern auf Platt. Bis in die Nacht läuft der Zapfhahn. Und doch ist dieser Samstagabend für die Bergneustädter ein ganz besonderer. Die nach alter Sitte zelebrierte Feier des Stadtgeburtstages fand selbst in den Vor-Corona-Jahren nicht derart viel Zuspruch – den geschätzt 500 Schaulustigen ist die Freude darüber, endlich wieder ihr Volksfest erleben zu können, an den Gesichtern abzulesen.

Der Stadtdukaten geht auf die Hohe Belmicke

Rainer Tomasetti, Vorsitzender des TuS Belmicke, leitet am Freitagabend die Jahreshauptversammlung des Sportvereins, als Bürgermeister Matthias Thul das St. Anna-Heim kapert.

Begleitet von Landsknechten überreicht er dem überraschten Tomasetti den Stadtdukaten für dessen vielfältiges Engagement. Tomasetti ist nicht nur seit 22 Jahren TuS-Chef, sondern auch aktiv in Schützenverein, Kirchenvorstand und Gesangsverein. Versuche Thuls, Tomasetti zur Feier am Samstag zu locken, scheitern aus gutem Grund – da feiert der Geehrte Hochzeitstag. (ag)

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Bürgermeister Matthias Thul überrascht Rainer Tomasetti bei der Hauptversammlung des TuS mit der Ehrung.

Nach zweijähriger Zwangspause schlüpfen Gerda Rippel und Horst Kowalski endlich wieder live in ihre Paraderollen als Minchen und Karl von der Dörspe, um in Mundart die dreckige Wäsche der vergangenen Monate zu waschen. Letztes Jahr hätten sie ja nur über Internet im dusteren Jägerhof reden können, klagt Minchen: „Datt woor joo schlimm so chanz oone Lüü.“ Diesmal gibt es die Satire-Schau nicht nur unter der strahlenden Abendsonne, sondern zum Vergnügen der Zuhörer auch extra-gründlich. Auf die Lieblingsrivalen in der Nachbarstadt und deren Corona-Demos blickt Karl süffisant: Dass die Gummersbacher meinten, am schlausten zu sein, wüssten ja alle. Aber ob’s schlauer sei, sich anzustecken, als sich impfen zu lassen, glaube er nicht. Selbstverständlich bekommt auch die zankeslustige Stadtpolitik der Feste ihr Fett weg. Minchen: „Im Root joof ät mee ungerscheedliche Meinungen ass Parteien.“

Der letzte Auftritt des Kult-Duos

Für Rippel und Kowalski ist es der letzte Auftritt als städtisches Kult-Duo. Für ihren Einsatz ehrt der Heimatverein sie mit der Ehrenmitgliedschaft, die Stadt mit einer Anstecknadel. Ab dem nächsten Jahr legen den satirischen Waschgang Antje Schnellenbach und Helga Schmuck-Sterling ein, die in der Karnevalsbütt schon reichlich Erfahrung gesammelt haben.

Wie alle Stadtgeburtstage seit 1950 hat der Heimatverein auch diesen 721. organisiert. Für die Landsknechte, Marketenderinnen und Honoratioren begann er an der Gaststätte Jägerhof. Bürgermeister Matthias Thul trägt für den Feiertag die Bürgermeisterkette, denn so sieht es eine Verordnung von 1966 vor. Im Trommeltakt zieht die Gesellschaft hinüber zum Brunnen, wo am Hotel und Café bereits die Menschen warten.

Hilli sorgt für Aufmerksamkeit

Heimatvereinschef Utz Walter erinnert an den Geburtstag der Feste am 13. Mai 1301 und der Bläserkreis spielt „Kein schöner Land in dieser Zeit“, bevor ein weiteres Original für Aufmerksamkeit sorgt: Als haarige Überraschung lässt sich Dietmar „Hilli“ Hillnhütter, bekannt für seinen regenbogenfarbenen Auftritt, Zopf und Bart gegen Bezahlung abschneiden. Das Geld bekommt der Heimatverein für den geplanten Anbau ans Museum.

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Die 14-jährige Greta Brate sagt ein Gedicht auf Platt auf. Auf Hochdeutsch verkündet Bürgermeister Thul zunächst Empörendes – entgegen der Regeln habe er den Stadtdukaten bereits am Vorabend verliehen (siehe Kasten). Gleichsam als Entschädigung kündigt er dann an, dass die Stadt ihren 725. Geburtstag  in vier Jahren besonders groß feiern will – und dann nach mehr als 30 Jahren wieder das Treffen aller europäischen Neustädte ausrichten wird.

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